Monitor Nr. 584 vom 25.09.2008

Pleite mit Ansage? Die Verstrickungen der KfW beim IKB-Desaster

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Bericht: Andreas Orth, Markus Zeidler

Pleite mit Ansage? Die Verstrickungen der KfW beim IKB-Desaster

Monitor 25.09.2008 05:38 Min. Verfügbar bis 02.05.2999 Das Erste

Moderation Sonia Mikich: "Hallo, ich begrüße Sie ganz herzlich zu MONITOR und fange mit dem Beben in der Finanzwelt an. Das Prinzip des Finanzsystems ist es ja, auf die Schnelle Milliardengewinne zu machen und gern auch mal mit riskanten Wetten auf obskure Geldbewegungen. Da wird gefloatet und verhökert und gezockt und abgeschöpft, ohne dass irgendein wirklicher Wert noch dahintersteht. Wie im Kasino.

Die Folge in den letzten Wochen: Pleiten und Panik weltweit. Und wir schauen uns jetzt eine Pleite mit Ansage an hierzulande. Die Rede ist von den Verwicklungen der staatlichen Förderbank KfW mit der Mittelstands-Bank IKB. Hat da die Kontrolle versagt? Ganz klar, ja, sagt der Bundesrechnungshof in seinem noch nicht veröffentlichten Bericht, den Markus Zeidler und Andreas Orth nichtsdestotrotz bereits gelesen haben."

Krisenstimmung in Berlin. Gestern, der Finanzausschuss tritt zusammen. Finanzminister Steinbrück und Wirtschaftsminister Glos sind geladen. Es geht um die staatliche Förderbank KfW - wieder einmal. Steinbrück und Glos: Ihre Aufgabe ist es, die KfW zu kontrollieren. Die zentrale Frage: Welche Mitschuld trägt die KfW am Finanzdesaster der Mittelstandsbank IKB, die am US-Hypothekenmarkt Milliarden verbrannt hat.

Die Öffentlichkeit wartet auf Aufklärung. Licht ins Dunkel bringen könnte der Bundesrechnungshof. In einem als geheim eingestuften Bericht wird deutlich: Die Staatsbanker der KfW hätten als Hauptaktionär von den hoch riskanten Spekulationsgeschäften der IKB wissen können - und müssen. Wörtlich wirft der Rechnungshof der KfW vor:

Zitat: "Sie hat das Handeln (…) geduldet und ihre Einflussmöglichkeiten nicht ausgeübt (…)"

Zitat: "Ihrer besonderen Verantwortung als Förderbank des Bundes ist sie damit nicht gerecht geworden."

Man sieht die gläserne Fassade der kfw-Bank

Gebäude der KfW-Bank

Fehlendes Verantwortungsbewusstsein, das den Steuerzahler Milliarden kostet, eine Pleite mit Ansage. Der KfW-Skandal wird den Haushaltsausschuss wohl noch häufiger beschäftigen. MONITOR-Recherchen nähren nun den Verdacht, dass es bei der KfW nicht nur um fehlendes Verantwortungsbewusstsein und mangelnde politische Kontrolle geht.

Die Poststelle des WDR vor wenigen Tagen. Unter der Flut von Zuschriften ein anonymes Schreiben an die Redaktion, ein Schreiben mit brisanten Vorwürfen. Der anonyme Schreiber berichtet von riskanten Geschäften der KfW. Damit habe die KfW der IKB hohe Verluste zugefügt. Der Schreiber nennt konkrete Wertpapierkennungen. Und er nennt die Nominalwerte der Geschäfte. Es geht nicht um Peanuts.

Die KfW, die staatliche Förderbank. Eigentlich soll sie dem Mittelstand helfen oder Existenzgründern. Aber hat sie auch mit hoch spekulativen Papieren gezockt? So wie viele private Banken? Und wenn ja, darf sie das überhaupt? Wir recherchieren. In Börsen-Daten Banken finden wir Belege. Die Wertpapiernummern, von denen der anonyme Schreiber berichtet, gibt es wirklich. Und: die Papiere stammen tatsächlich von der KfW. Es sind so genannte Floater, einer Art Wette, die auf künftige Zinsentwicklungen spekuliert.

Prof. Christian Schlag im Portrait

Prof. Christian Schlag

Prof. Christian Schlag, Universität Frankfurt/Main:"Jede Spekulation beruht darauf, dass man gewisse Vorstellungen hat, wie sich Preise, Aktienkurse oder ähnliches entwickeln. Und wenn natürlich die tatsächliche Entwicklung nicht so ist, wie man erwartet oder erhofft hat, dann macht man Verluste."

Und die IKB soll mit den KfW-Papieren erhebliche Millionenverluste erlitten haben, so der anonyme Schreiber. Millionenverluste durch Zockerpapiere, die der eigene Hauptaktionär herausgegeben hat? Dumm gelaufen? Die IKB antwortet schriftlich:

Zitat: "Grundsätzlich nehmen wir zu möglichen Einzelpositionen unserer Bilanz keine Stellung."

Ein Dementi klingt anders. Und die KfW? Sie bestätigt gegenüber MONITOR die Existenz der Papiere. Angeblich wissen die KfW-Banker aber nicht, ob diese je bei der IKB gelandet sind. Als Hauptaktionär müsste man eigentlich bessere Einblicke in seine Unternehmensbeteiligungen haben. Finanzpolitiker sind alarmiert.

Christine Scheel im Portrait

Christine Scheel

Christine Scheel, Bündnis 90/Die Grünen, MdB:"Eine Staatsbank hat nach meiner Auffassung im hoch spekulativen Bereich überhaupt nichts verloren, sondern muss sehen, dass sie Papiere auflegt, die auch kalkulierbar sind, die auch von den Risiken her vernünftig geregelt sind, dass die Risiken eindeutig abschätzbar sind, dass auch nichts passieren kann am Ende, was irgendwie mit größeren Stützaktionen aus anderen Töpfen dann wieder abgesichert werden muss."

Reporter: " Ist es Sinn und Aufgabe einer staatlichen Förderbank, solche Papiere zu emittieren?"

Frank Schäffler im Portrait

Frank Schäffler

Frank Schäffler, FDP, MdB: "Nein, wenn der Zweck die reine Spekulation ist, dann ist das natürlich zu kritisieren. Und wenn das der Fall ist, werden wir das auch untersuchen. Dann ist das ein weiteres Kapitel im Skandal um die Skandal-Bank KfW."

Eine staatliche Förderbank, die zockt á la Wallstreet? Die KfW weist Spekulationsabsichten zurück. Sie betrachtet ihre Risikopapiere als marktüblich. Wirklich? Nach der ersten Prüfung ist die KfW jetzt erneut im Visier des Rechnungshofes. Die Prüfer, so MONITOR-Recherchen, wundern sich. Auch über möglicherweise hoch riskante Spekulationsgeschäfte der KfW.

Christine Scheel, Bündnis 90/Die Grünen, MdB: "Das muss alles aufgeklärt werden, das ist völlig klar, dass im hoch spekulativen Bereich eine große Transparenz da sein muss: Wer tut was und wie? Und gerade in dem Kontext, wenn es um öffentliche Banken geht, braucht's noch mehr Aufklärungsbedarf, denn es sind ja öffentliche Gelder, die damit auch verbrannt werden können."

Riskante Spekulationsgeschäfte? Eine Staatsbank als Zocker? Milliardengrab IKB, eine Pleite mit Ansage.

Neue Verkehrsregeln für die Finanzwirtschaft hat Minister Steinbrück heute gefordert - mit mehr Transparenz. In Sachen KfW warten Parlamentarier und Öffentlichkeit darauf vergeblich. Chef-Aufseher Steinbrück, Mitglied des Verwaltungsrates der KfW wehrte nach der Krisensitzung im Finanzausschuss jede Frage ab.

Peer Steinbrück: "Nee, es war eine geheime Sitzung!"

Transparenz kann auch gefährlich sein. Spätestens mit den klaren Worten des Bundesrechnungshofes ist die Verantwortung für die KfW-Krise beim Minister angekommen.

Moderation Sonia Mikich: "Der Kapitalismus kannibalisiert sich selbst. Das Schlimme: Diese Kernschmelze in der Finanzwelt, die mangelnde Kontrolle, kosten Steuermilliarden. Mein Geld, Ihr Geld. Außerdem ein maues Wirtschaftswachstum, die Folge der Krise. Da kommt es gar nicht gut, wenn gleichzeitig die Bürger auch noch durch steigende Lohnnebenkosten gebeutelt werden. Und das ist unser nächstes Thema."

Stand: 22.02.2014, 13:03 Uhr

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