MONITOR vom 15.03.2018

Der Fall Florian C.: Wie Geheimdienste Leben zerstören

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Bericht: Shafagh Laghai, Jochen Taßler

Der Fall Florian C.: Wie Geheimdienste Leben zerstören [nicht online]

Monitor 15.03.2018 00:03 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste

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Georg Restle: „Vielleicht gibt es ja einige von Ihnen, die sagen: Was solls, mir kann da nichts passieren, ich hab mir schließlich nichts vorzuwerfen. Genau das hat sich auch ein junger Mann gedacht, der nichts anderes wollte, als diesem Staat treu und ergeben zu dienen, als Soldat der Bundeswehr. Und plötzlich galt er als Islamist - mit Verbindungen zu internationalen Terrorgruppen. Aus heiterem Himmel, ohne, dass er wusste warum, ohne, dass es dafür irgendeinen Grund gab. Shafagh Laghai und Jochen Taßler zeigen Ihnen jetzt, was allein ein solcher Verdacht mit einem Menschen anrichten kann, der plötzlich damit rechnen muss, von morgens bis abends auf Schritt und Tritt überwacht zu werden. Und dessen Leben dadurch komplett aus den Fugen gerät.“

Straßburg - eine Außenstelle der Bundeswehr. Hier war Florian C. stationiert. Und hier gab es ein Gespräch, das sein Leben, wie es bisher war, völlig verändert hat.

Florian C.: „Hier in diesem Raum wurde ich vernommen vom Militärischen Abschirmdienst. Mir wurde vorgeworfen, Salafist zu sein mit Verbindungen zu islamisch-terroristischen Netzwerken nach Nordafrika.“

Ein Salafist? Für Florian C. ein unglaublicher Vorwurf, der völlig aus dem Nichts kommt. Was war geschehen? Florian C. war 22, als er zur Bundeswehr ging. Er mochte die Kameradschaft - und die Kameraden mochten ihn. Drei Mal wurde er zur Vertrauensperson gewählt. Seine Karriere verlief gut. Bis zu jenem Tag, als der Militärische Abschirmdienst - kurz MAD - ihn besucht. Der MAD soll die Bundeswehr vor allem vor Extremisten in den eigenen Reihen schützen.

Florian C.: „Also es verlief so, es waren zwei Mitarbeiter, Agenten des MADs, welche sich in dem Raum befanden. Es wurden mir sehr viele Fragen gestellt. Zu meinem persönlichen Leben. Wie die Verhältnisse mit meiner Familie sind, seit wann ich einen Bart trage, wie ich zur Religion stehe. Es wurde immer mehr Druck aufgebaut. Das Verhör ging ca. fünf Stunden. Ich habe nicht verstanden, was mir da passiert. Was passiert? Also, was der Grund ist, warum ich hier bin, warum ich hier sitze?“

Erst am nächsten Morgen erfährt Florian C. von seinen Vorgesetzten, was ihm eigentlich vorgeworfen wird. Monitor liegt ein Schreiben seines Vorgesetzten an das Verteidigungsministerium vor, in dem die konkreten Verdächtigungen stehen. „Sein Fahrzeug sei mehrmalig vor einem bekannten „Islamistentreff“ gesehen worden“ und man habe ihn „mit islamischer Bekleidung auch eine Moschee besuchen sehen.“ Zudem habe man „seine Handydaten überprüfen können, die Verbindungen zu islamistischen Kreisen in Nordafrika aufwiesen.“

Florian C.: „Ich war noch nie in einer Moschee. Ich weiß nicht, wie es in einer Moschee aussieht. Ich habe mit dem Islam an sich, mit der islamischen Kultur persönlich, außer Personen, die mit mir in der Schule waren etc., noch nie etwas zu tun gehabt.

Reporterin: „Wie ging es Ihnen da?“

Florian C.: „Komplett aufgelöst. Komplett aufgelöst.“

Nach der Befragung lebt Florian C. unter ständiger Anspannung. Was passiert jetzt? Wird gegen ihn ermittelt? Wird er observiert? Sein Telefon abgehört? Die Ungewissheit ist eine Qual. Und dazu das Gefühl, dass seine Vorgesetzten, seine Kameraden, dass alle ihm aus dem Weg gehen. Kaum jemand hat noch Vertrauen zur einstigen Vertrauensperson.

Florian C.: „Also am Anfang war es so, dass ich Nächte nicht mehr schlafen konnte, dass ich auch Tränenausbrüche hatte. Und im März war es dann so, dass ich ein Burnout hatte und mich dann meinem … meinem Truppenarzt anvertraut habe. Eer meinte, ich bräuchte auf jeden Fall ganz dringend Hilfe.“

Der Arzt im Bundeswehrkrankenhaus bescheinigt:

Zitat: „Es ist von einer länger andauernden depressiv-ängstlichen Reaktion auszugehen, die sich vermutlich seit dem Verhör aus einer akuten Belastungsreaktion entwickelt hat.“

Florian C. wird krankgeschrieben - Depression. Der Verdacht gegen ihn steht weiter im Raum. Vom MAD keine Nachricht. Und von seinen Vorgesetzten oder Kameraden nicht ein einziger Anruf. Es dauert sieben Monate, bis sich endlich ein Mitarbeiter vom MAD meldet.

Florian C.: „Wir waren im Büro des Offiziers. Und der Herr vom MAD schaute mich an und sagte mir, ja Herr C., ich muss Ihnen sagen, mir und meinem Kollegen ist ein Fehler unterlaufen. Wir haben jemand gesucht, und wir haben Sie mit dieser Person verwechselt. Es tut uns leid. Sie wissen ja, Fehler sind menschlich, und wir sind ja auch nur Menschen.“

Und das ist noch nicht alles. Vier Monate nach Florian C. Befragung wissen der MAD und seine Vorgesetzten, dass er unschuldig ist. Doch scheinbar hält es niemand für nötig, ihn zu informieren. Aus den Unterlagen geht hervor, dass es weitere drei Monate dauert, bis Florian C. benachrichtigt wird. Für den ehemaligen Chefausbilder bei der Bundeswehr, Walter Spindler, unverständlich.

Walter Spindler, Generalmajor a.D.: „Ich habe erhebliche Zweifel daran, dass man ihm die Fürsorge hat angedeihen lassen, die normalerweise jedem Soldaten zusteht. Eine wahrhaftige, eine verlässliche Fürsorge, die ja auch einer der tragenden Pfeiler für gegenseitiges Vertrauen ist.“

Warum hat der MAD ihn nicht direkt informiert, wollen wir wissen. Die Antwort - Herr C. war ja krankgeschrieben, man habe ihn nicht erreicht. Und ihn auf dem Handy anzurufen

Zitat: „… erschien nach damaligem Kenntnisstand nicht geboten.“

Nicht geboten! Bei völlig haltlosen Vorwürfen wohlgemerkt. Wir fragen auch nach, wie ein Geheimdienst Handydaten oder ein Auto vor einer Moschee „verwechseln“ kann? Doch dazu

Zitat: „… kann keine Auskunft erteilt werden.“

Christine Buchholz, Die Linke: „Also als allererstes muss dieser Fall erst mal aufgeklärt werden. Das ist das erste. Das zweite ist, dass der betroffene Soldat eine vernünftige Entschädigung dafür bekommen muss, damit auch anerkannt ist, dass ihm da wirklich Unrecht widerfahren ist. Und drittens brauchen wir eine ernsthafte Kontrolle der Geheimdienste.“

Aufklärung und Entschädigung - darauf hatte auch Florian C. gehofft. Aufgrund seiner Depression hat er die Bundeswehr wegen „Dienstunfähigkeit“ verlassen. Sein Antrag auf Entschädigung - auf die so genannte Wehrdienstbeschädigung - wurde abgelehnt. Begründung: das was ihm passiert sei, habe nichts mit seinem Dienst als Soldat zu tun.

Florian C.: „Ich war 18 Monate krank. Bis heute verfolgt mich diese Sache immer noch. Seit 2014 orientiere ich mein Leben ständig neu. Wie kann es sein, dass ein Mensch einfach so allein gelassen wird?“

Florian C. Fall zeigt, der einzige, für den dieser „Fehler“ der Geheimdienste Folgen hatte ist er. Ansonsten wurde niemand zur Rechenschaft gezogen.

Stand: 13.03.2018, 14:13 Uhr

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5 Kommentare

  • 5 EinBiedermann 20.03.2018, 23:26 Uhr

    .Frank. / Viele Bürger sind schon soweit "Rechts", dass sie es nicht einmal bemerken; und bezeichnen viele Bürger als "Linke". Es geht um Menschenrechte.

  • 4 Gesa 17.03.2018, 18:13 Uhr

    Krass, das ist ein Einzelfall, von daher bleibe ich bei meiner Meinung,das mir Sicherheit wichtiger ist

  • 3 Stefanie Dutczak 15.03.2018, 22:36 Uhr

    Selbst seit 2013 ein Opfer Behörden-Irrsinns mit dem vorläufigen Ende mit 44 Jahren dienstunfahig zu sein möchte ich Ihnen Trost aussprechen. Sie sind nicht allein, ähnliches passiert leider viel zu oft. Was fassungslos und krank macht, ist die die fehlende Fürsorge der Verantwortlichen und die Unfähigkeit Verantwortung zu übernehmen. Das ist so traurig. Die einzige Lösung : seien Sie stark, indem Sie gesund werden und Ihr Leben leben... als ich den Bericht sah, war ich so betroffen, weil ich mich in Ihnen gesehen habe und diese Verzweiflung und Traurigkeit so hilflos macht. Ich wünsche Ihnen alles Gute und für die Zukunft Lebensfreude und Leichtigkeit!

  • 2 Birgit Teich 15.03.2018, 22:09 Uhr

    Ich habe den Bericht gesehen, machen Sie sich nichts draus ist habe seit Jahren eine Achterbahn in meinem Leben, es interessiert keinen, sie sind wie ich nur ein kleines Rädchen, das zu funktionieren hat. Ich bin mit Leib und Seele Krankenschwester und wurde auch immer ausgenutzt,ewige Dienste usw und dachte ich bin unersetzlich, aber jeder ist ersetzbar und wenn ich nicht mehr konnte , war ich die verrückte und die sich vor allem gewehrt hat, gegen diesem massive für mich Körperverletzung! Ich wünsche Ihnen viel Kraft und halten Sie durch, es gibt immer noch wunderschöne Momente und das können diese Menschen Ihnen nicht nehmen . Viele Grüße biggy

  • 1 Frank 15.03.2018, 22:00 Uhr

    Man stelle sich nur einmal vor Florian C. wäre in Verdacht geraten ein "Rechter" zu sein - Niemand hätte auch nur ein kritisches Wort über den Fall verloren, Monitor schon gar nicht !