MONITOR vom 06.07.2017

G20-Gipfel: Hamburg als rechtsfreier Raum?

Bericht: Torsten Reschke, Adrian Oeser

G20-Gipfel: Hamburg als rechtsfreier Raum?

Monitor 06.07.2017 03:09 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste

Georg Restle: „Und jetzt zum G20-Gipfel in Hamburg, wo wir vor einigen Stunden genau das erlebt haben, was viele befürchtet hatten. Krawalle von radikalen Gipfelgegnern und eine Polizei, die mit aller Härte dagegen vorgeht. Dabei verliefen die Proteste in den letzten Tagen außerordentlich friedlich. Wundern musste man sich bisher nur über eine Polizeistrategie, die statt auf Deeskalation zu setzen, immer wieder Öl ins Feuer goss. Für diese Strategie gibt es sogar einen Namen: Hamburger Linie nennt sich das, und die hat - leider - Tradition.“

Die Demonstration war kaum gestartet, da hatte die Polizei die G20-Gegner heute Abend schon wieder gestoppt. Angeblich 1.000 Aktivisten hätten gegen das Vermummungsverbot verstoßen, heißt es. Nachdem die Polizei massiv einschreitet, kommt es zu Jagdszenen und brutalen Auseinandersetzungen in der Hamburger Innenstadt. Beide Seiten geben sich gegenseitig die Schuld für die Gewaltausbrüche. Fest aber steht, es war eine Eskalation mit Ansage. Verantwortlich für die kompromisslose Linie der Hamburger Polizei ist dieser Mann: Hartmut Dudde. Schon mehrmals haben Gerichte dem Einsatzleiter Verstöße gegen geltendes Recht attestiert. Festnahmen, Einkesselungen, Provokation von linken Demonstranten, damit brach Dudde mehrfach das Gesetz und Kollegen protestierten gegen seine Anweisungen. Genau so begann auch die Gipfel-Woche. Sonntagabend im Elbpark Entenwerder. Polizisten räumen ein Übernachtungslager von G20-Gegnern. Begründung: man wolle militanten Aktivisten keinen Rückzugsraum bieten. Merkwürdig, denn das Camp war vorher vom Verwaltungsgericht ausdrücklich zugelassen worden. Bürgerrechtler sind empört.

Elke Steven, Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.: „Zunächst hatten wir ja immer schon vor einem Ausnahmezustand gewarnt. Aber sind jetzt erschreckt, welche Dimensionen das annimmt, wenn die Polizei eben schon Gerichtsurteile ignoriert.“

Schon der Einsatz am Sonntag steht für die bundesweit bekannte sogenannte Hamburger Linie: null Toleranz und Demonstration von Stärke. Der Journalist Martin Eimermacher hat an diesem Abend erfahren, was das bedeutet.

Martin Eimermacher, Journalist: „Mein Arm wurde weggestoßen mit dem Presseausweis. Mit Schlägen und Tritten wurden wir quasi eingekesselt. Ich hab mehrfach gerufen, ich bin von der Presse, ich will raus. Und dann habe ich nur noch Pfefferspray in meinem Gesicht gespürt, das aus maximal einem halben Meter Entfernung auf uns gesprüht wurde.“

Selbst konservative Politiker, wie der ehemalige Bürgerschaftsabgeordnete Ulrich Karpen halten das Agieren der Polizei für unverhältnismäßig.

Prof. Ulrich Karpen (CDU), Verfassungsrechtler: „Die Polizei hat natürlich letztlich die Verantwortung für den ruhigen Ablauf des Gipfels. Mir scheint aber, dass der worst case, der schlimmste Fall vorausgesetzt worden ist. Und dem gegenüber, die im Grundgesetz verankerte Versammlungs- und Meinungsfreiheit zu kurz gekommen ist.“

Die Polizei weist die Eskalationsvorwürfe zurück. Doch sogar außerhalb der Demonstrations-Verbotszone schritten die Beamten massiv ein. Wie Dienstagabend, als die Polizei ein friedliches Treffen mit Wasserwerfern räumte. Die Eskalation von heute - radikale Gipfelgegner hatten sie im Vorfeld angekündigt. Aber auch die Polizei schien an einer Deeskalation nicht wirklich interessiert.

Stand: 04.07.2017, 14:29 Uhr

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