Georg Restle: "Luftaufnahmen eines geheimen Gefangenenlagers in der Negev-Wüste in Israel. Ein Haftlager, in dem die israelische Armee palästinensische Gefangene misshandelt und gefoltert haben soll. Guten Abend und willkommen bei MONITOR!
Es sind schwere Vorwürfe, die da erhoben werden, auch von israelischen Menschenrechtsorganisationen. Vorwürfe, die im Verdacht gipfeln, dass hinter den Mauern dieses Haftlagers Kriegsverbrechen begangen wurden. Unsere Israel-Korrespondentin Hanna Resch ist diesen Vorwürfen nachgegangen, hat Augenzeugen gesucht und Betroffene. Keine einfache Recherche, denn Journalisten dürfen das Gelände nicht betreten. Dieses Foto hier ist das einzige, das bisher öffentlich geworden ist. Kaum jemand, der hier inhaftiert war, traut sich heute vor die Kamera. Viele sind offensichtlich traumatisiert und haben Angst, dadurch erneut ins Visier zu geraten. Umso erstaunlicher, dass dann doch jemand ganz offen mit uns darüber gesprochen hat."
Unterwegs im Süden Israels, zu einem israelischen Militärcamp. Schwere Menschenrechtsverletzungen sollen hier an der Tagesordnung sein. Der Name des Lagers: Sde Teiman. Hunderte Palästinenser sind hier eingesperrt, ohne jedes Verfahren. Was passiert hinter diesen Mauern? Er kann uns darauf Antworten geben: Sufyan Abu Salah war dort. Als Gefangener unter Terrorverdacht. Jetzt ist er zurück im Gazastreifen, lebt mit seiner Familie in einem Zeltlager. Der Terrorverdacht – aufgehoben. Aber was er in der Haft erlebt hat, wird ihn für den Rest seines Lebens verfolgen. Sein Bein wurde in der Gefangenschaft amputiert.
Sufyan Abu Salah (Übersetzung Monitor): "Ich habe ununterbrochen Schmerzen. Manchmal bitte ich meine Frau, bei mir zu bleiben, weil ich schlimme Träume habe, die ich schon im Gefängnis hatte. Dass mir jemand das zweite Bein auch noch abschneiden will."
Sufyans Leidensweg beginnt am 24. Februar. Eine Militäroperation des israelischen Militärs in Khan Younis. Sufyan und seine Familie hatten Schutz in einer Schule gesucht. Dann wurde die Schule von israelischen Soldaten umstellt. Die Männer müssen sich entkleiden und werden – wie auf diesen Bildern – zu Sammelpunkten gebracht. Sie alle stehen für die israelische Armee zunächst mal unter Terrorverdacht. An der Sammelstelle seien ihnen die Augen verbunden worden, die Hände mit Kabelbindern gefesselt, erzählt Sufyan. Nach Informationen von Hilfsorganisationen wurden Tausende Männer festgenommen und nach Israel gebracht, um dort verhört zu werden – auch Sufyan. Er kommt nach Sde Teiman in der Negev-Wüste in Südisrael. Vor dem 7. Oktober war Sde Teiman ein reines Militärcamp. Danach baute das israelische Militär hier ein Haftlager für Palästinenser. In offenen Verschlägen sollen hier Hunderte Gefangene untergebracht sein. Kein Kontakt nach draußen, nicht mal zu Angehörigen. Erst wenn sich der Terrorverdacht erhärtet, gibt es ein Gerichtsverfahren. Hier wird Sufyan über Wochen festgehalten, abgeschnitten von der Außenwelt. Den ganzen Tag mussten sie auf einer dünnen Matte sitzen oder knien, nachts darauf schlafen, erzählt Sufyan, permanent gefesselt und mit verbundenen Augen.
Sufyan Abu Salah (Übersetzung Monitor): "Sie haben sich über uns lustig gemacht. Es gab Schläge mit Stangen – die Stimmen, die Schreie, das Jammern. Es gab Insassen, die sich aus Schwäche selbst eingenässt haben – aus Angst, großer Angst vor den Hunden, die reingekommen sind. Es waren sehr große Hunde. Sie haben den Hunden gesagt, beißt sie, zerfetzt sie!"
Bei der Verhaftung ist Sufyan am Fuß verletzt worden. Die Wunde entzündet sich – trotz mehrfacher dringender Bitte habe sich niemand darum gekümmert. Wir fahren selbst nach Sde Teiman. Die israelische Armee hat uns zwar bestätigt, dass Sufyan in dem Lager war, weitere Informationen bekommen wir aber nicht. Generell handele man im Einklang mit israelischen Gesetzen und mit dem Völkerrecht. Stimmt das? Was passiert hier wirklich?
Reporterin: "Hello, we're from the Public German Broadcaster."
Eine Drehgenehmigung hatten wir nicht bekommen. Und auch vor Ort kommen wir nicht weiter.
Mann (Übersetzung Monitor): "Ich darf Ihnen nichts sagen. Ich weiß auch nichts über die Gefangenen."
Wir werden weggeschickt. Was im Lager passiert, wie es dort aussieht, soll offenbar geheim bleiben. Der israelischen Zeitung Haaretz wurde allerdings dieses Foto aus dem Haftlager zugespielt, Häftlinge kauern am Boden, vorne ein Mann am Zaun, wie von Sufyan geschildert. Und alle tragen graue Trainingsanzüge. Auch Sufyan hat noch den Anzug aus der Gefangenschaft. Die grauen Trainingsanzüge, in Gaza erkennen sie daran die Rückkehrer aus den israelischen Haftlagern. Immer wieder erzählen sie von Misshandlungen und Verletzungen – unter anderem verursacht von den scharfen Kanten der Kabelbinder, mit denen sie gefesselt worden seien. Alles Einzelfälle? Das Palästinenserhilfswerk der Vereinten Nationen hat die Schilderungen von über 100 Rückkehrern in einem Bericht zusammengefasst. Darin heißt es:
Zitat: "Unter den freigelassenen Häftlingen waren Männer, Frauen, Kinder, ältere Personen, Menschen mit Behinderungen, Verletzungen und Krankheiten. Und sie alle haben über ähnliche Formen von Misshandlungen berichtet..."
Die Sprecherin sieht darin ein systematisches Vorgehen.
Juliette Touma, UNRWA (Übersetzung Monitor): "Menschen erzählten Horrorgeschichten von sehr schlimmen Schlägen, von Verhören bei extrem lauter Musik und anderem Lärm, von Schlafentzug. Sie haben kein Wasser bekommen, es wurde gedroht, sie umzubringen. Und das zeigt ein Muster – und das ist das entscheidende Problem."
Sufyan hofft, dass die Verantwortlichen für all das zur Rechenschaft gezogen werden. Denn sein Leidensweg ging sogar noch weiter. Denn als die Entzündung an seinem Fuß immer schlimmer wird, kommt er in das Lazarett des Haftlagers.
Sufyan Abu Salah (Übersetzung Monitor): "Im Lazarett haben sie uns die Kleidung weggenommen. Sie haben uns Windeln angezogen. Die Pampers aus dem Krankenhaus haben sie uns im Bett angezogen."
Wir bekommen Kontakt zu einem Arzt, der in dem Lazarett-Zelt gearbeitet hat. Er will anonym bleiben.
Arzt (Übersetzung Monitor): "Auf beiden Seiten des Zeltes lagen Patienten, ich würde sagen 15 bis 20. Und alle, die ich gesehen habe, waren gefesselt an Armen und Beinen und die Augen waren verbunden."
Er bestätigt, dass die Patienten im Lazarett allesamt nackt waren und Windeln tragen mussten – mit verbundenen Augen ans Bett gefesselt. Bedingungen, die ihn schockiert haben.
Arzt (Übersetzung Monitor): "Dieses Ausmaß der Entmenschlichung ist für einen Arzt kaum auszuhalten. Ich meine, selbst wenn wir wüssten, dass es sich um Hamas-Kämpfer handelt, sollten sie trotzdem eine menschenwürdige Behandlung bekommen."
Die Ärzte im Feldlazarett hätten seine Wunde ein paar Mal gereinigt und gesagt, es werde alles gut, erzählt Sufyan. Doch das wird es nicht. Tage später wird er in ein ziviles Krankenhaus gebracht und von anderen Ärzten untersucht. Doch sein Bein war bereits so schwer entzündet, dass es amputiert werden musste.
Sufyan Abu Salah (Übersetzung Monitor): "Ich habe geschrien, ich bin ein Zivilist, ich habe nichts zu tun mit Islamischem Jihad oder Hamas oder so. Sie haben mich gefoltert und geschlagen, haben mein Bein drinnen amputiert, und ich weiß nicht mal, warum sie mich verhaftet haben."
Tal Steiner von der israelischen Menschenrechtsorganisation "Committee against Torture" kennt viele solcher Fälle. Doch Klagen gegen die israelische Regierung hätten kaum Aussicht auf Erfolg.
Tal Steiner, Public Committee Against Torture Israel (Übersetzung Monitor): "Die Chancen, dass solche Klagen zum Erfolg führen, sind winzig. Es gibt kein Gesetz in Israel, das Folter ausdrücklich verbietet oder auch nur definiert und ein Strafmaß vorsieht. Aber nach unserer Analyse finden in den Haftlagern eindeutig Misshandlungen und Folter statt. De facto sind das Kriegsverbrechen."
Kriegsverbrechen – ein schwerer Vorwurf, der die israelische Gesellschaft besonders aufwühlt. Noch immer hält die Hamas viele israelische Geiseln in ihren Tunneln gefangen. Doch wie Terroristen mit Menschen umgehen, dürfe eben nicht der Maßstab sein für einen Rechtsstaat, sagt Tal Steiner.
Tal Steiner, Public Committee Against Torture Israel (Übersetzung Monitor): "Seit wann gelten für Israel die Standards der Terrororganisation Hamas? Soll das unsere Richtschnur sein für Moral und Demokratie? Ist das der Staat, in dem wir leben wollen? Meine Standards sind nicht die von Hamas. Und das bedeutet, eine solche Behandlung von palästinensischen Gefangenen aus Gaza ist nicht zu rechtfertigen!"
Nach der Amputation kommt Sufyan direkt wieder ins Feldlazarett und von dort ins Haftlager, erzählt er. Dann – nach 52 Tagen Haft – wird er an einem Grenzübergang im Gazastreifen ausgesetzt. Handybilder vom Tag seiner Freilassung, nicht mal Krücken hat man ihm gegeben. Die Erlebnisse im Haftlager haben Sufyan und seine Familie schwer verstört. Noch hofft er auf Gerechtigkeit – doch seine Chancen sind gering.
Georg Restle: "Das Auswärtige Amt fordert eine lückenlose Aufklärung von der israelischen Regierung. Und auch in Israel werden die Stimmen lauter, die eine Aufklärung der Foltervorwürfe fordern. Stimmen, die auch zeigen, dass man in Israel sehr genau unterscheiden sollte zwischen einer Regierung, die Krieg führt und einer Gesellschaft, in der die Einhaltung der Menschenrechte vielen ein großes Anliegen ist."
Kommentare zum Thema
Die Israelis müssen als Kriegsverbrecher verurteilt werde. Nicht nur die Soldaten, sondern das Regime, daß diese Kriegsverbrechen angeordnet hat. Nicht die Juden sind schuld (obwohl sie alles unterstützen) sondern die Machthaber in Israel. Diese haben in den letzten Jahrzehten imer wieder palestinenser getötet und gefoltert. Soll dass denn so weitergehen. Aber da gibt es ja noch die USA und ihre Vasallen, die NATO. So lange diese die Weltpolitik bestimmen, gibt es keine Gerechtigkeit.
Natürlich fordert das Auswärtige Amt lückenlose Aufklärung. Wie es natürlich auch den Stopp des Siedlungsbaus fordert. Und natürlich werden diese Vorgänge in wenigen Tagen vergessen sein und nie wieder in deutschen Medien erwähnt werden (zumindest nicht vor 23:30). Und natürlich wird Deutschland wegen solcher Lappalien nicht die bedingungslose Unterstützung Israels in Frage stellen. Und natürlich gilt die BDS-Bewegung , die versucht, Israel durch Boykott zur Einhaltung der Menschenrechte und internationalen Rechts zu zwingen wie seinerzeit Südafrika, weiterhin als antisemitisch. Und natürlich gilt das Schlusswort des Beitrags nicht dem 100jährigen Leiden des palästinensischen Volkes sondern bittet darum, die frei gewählte rechtsextremistische Regierung Israels nicht mit seinen weltoffenen liberalen Wählern zu verwechseln. Aber gern: Natürlich sind die israelischen Menschenrechtsaktivisten Helden! Im Gegensatz zu den deutschen Medien und der deutschen Politik.
Inge Mertes Wie ist es möglich, das Israel tagtäglich schwerste Menschnrechtsverletzungen unter den Augen der Weltöffentlichkeit begehen kann und die Welt dazu schweigt? Weil Amerika, als Schutzmacht, das Schweigen erzwingt? Amerika, das sich als Weltpolizei Nr. 1 in Deutschland als Dekokratie vorstellt? Sind wir denn alle soe schleimig und gefügig, wie unser Kanzler? Die Bilder und B erichte aus sollten uns Zivilisten sollen uns doch endlich aufrütteln!!