Flucht vor Trump: Exodus der Wissenschaft?

Monitor 06.03.2025 11:28 Min. UT Verfügbar bis 06.03.2099 Das Erste Von Véronique Gantenberg, Jan Schmitt

MONITOR am 06.03.2025

Flucht vor Trump: Exodus der Wissenschaft?

Seit Jahrzehnten sind die USA ein Hort der freien Wissenschaft, doch das könnte sich jetzt ändern. Donald Trump macht Ernst: Milliarden an Fördermitteln werden gestrichen, tausende Wissenschaftler entlassen, lebenswichtige Forschungen auf Eis gelegt – vor allem in den Bereichen Klimaschutz und Medizin. Spitzenforscher und Nobelpreisträger berichten in MONITOR, wie gefährlich das für die ganze Welt ist – und warum Europa jetzt eine entscheidende Rolle für die Wissenschaft spielen könnte.

Von Véronique Gantenberg, Jan Schmitt

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Donald Trump (Übersetzung MONITOR): "Wir haben in 43 Tagen mehr erreicht als die meisten Regierungen in vier oder acht Jahren - und wir haben gerade erst angefangen!"

Achim Pollmeier: "Ja, sie haben gerade erst angefangen - das darf man dann wohl als Drohung verstehen. Guten Abend, hier ist MONITOR. Gut 40 Tage ist Donald Trump jetzt im Amt und das Tempo, in dem er und seine Getreuen - oder sollte man sagen: Vasallen - das Tempo, in dem sie ihr Projekt durchziehen, ist atemberaubend. Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll. Massenentlassungen von Staatsbediensteten, Milliarden an Hilfsgeldern mal eben gestrichen, Terroristen begnadigt, ein Tech-Milliardär bekommt Zugriff auf hochsensible Daten der Bürger. Und man weiß auch nicht, wo das noch endet. Weder in den USA noch auf der Weltbühne.

Donald Trump (Übersetzung MONITOR): "Sie spielen mit dem dritten Weltkrieg. Sie spielen mit dem dritten Weltkrieg! Und was Sie tun, ist sehr respektlos gegenüber dem Land, diesem Land!"

Achim Pollmeier: "Diese Demütigung des Präsidenten der Ukraine ist noch keine Woche her. Dass Trump dem Land jetzt jegliche Unterstützung im Verteidigungskampf gegen Russland gestrichen hat, lässt noch Schlimmeres erahnen. Und während wir in Deutschland und Europa plötzlich neue Milliardenpakete schnüren und versuchen, die internationalen Schockwellen zu sortieren, geht es in den USA jetzt an ein weiteres Fundament der Demokratie: Die Freiheit der Wissenschaft. Demokratie braucht Wissenschaft und eine freie Wissenschaft braucht Demokratie. Doch im folgenden Beitrag wird gleich jemand sagen, Professoren seien der 'Feind'. Und es sagt der Vizepräsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Ein Land, dessen Gründer nicht nur Staatsmänner waren, sondern eben auch: Wissenschaftler. Véronique Gantenberg und Jan Schmitt."

Die Gründerväter der USA. Viele von ihnen waren auch Wissenschaftler: Benjamin Franklin, John Adams, James Madison und Thomas Jefferson. Und jetzt …

Donald Trump, 14.09.2020 (Übersetzung MONITOR): "Ich glaube, Wissenschaft weiß gar nichts."

Jetzt sitzen im Weißen Haus andere. Die in der Wissenschaft einen Feind sehen.

JD Vance, 02.11.2021: "Die Professoren sind der Feind."

Einen Feind, den man bekämpfen muss.

JD Vance, 02.11.2021 (Übersetzung MONITOR): "Wenn wir die Dinge tun wollen, die wir tun wollen, dann müssen wir die Universitäten in diesem Land offen und aggressiv attackieren."

Die USA sind das globale Zentrum der Wissenschaft, der Eliteuniversitäten: 27 Prozent der Forschung weltweit finden hier statt. Doch seitdem Donald Trump wieder Präsident ist, fühlen sich selbst Spitzenforscher und Nobelpreisträger bedroht.

Michael Oppenheimer (Übersetzung MONITOR): "Alle im Wissenschaftsbetrieb in den USA haben Angst, von Trump aus dem Weg gefegt zu werden."

Neesha Schnepf (Übersetzung MONITOR): "Es war einfach niederschmetternd."

Martin Basch (Übersetzung MONITOR): "Ich bin voller Furcht, depressiv, ängstlich."

Wird in den USA gerade die Freiheit der Wissenschaft zerstört? Vom ersten Tag an baut Donald Trump in den USA den Staat um - zusammen mit Elon Musk. In rasanter Geschwindigkeit und mit maximaler Radikalität. Der reichste Mann der Welt zerlegt für Trump die Behörden. Er kürzt Budgets, feuerte bisher rund hunderttausend Regierungsmitarbeiter. Ohne Regierungsamt - über die Köpfe der Minister hinweg. Widerworte unerwünscht.

Donald Trump 26.02.2025: "Ist hier jemand nicht zufrieden mit Elon? Wenn ja, schmeißen wir den raus!"

Kein Widerstand gegen Musk. Obwohl der jetzt selbst den Medizin- und Gesundheitssektor in den Fokus genommen hat. Milliarden an staatlichen Fördermitteln wurden ausgesetzt oder gekürzt. Etwa bei den National Institutes of Health, kurz NIH - das ist die wichtigste Behörde für biomedizinische Forschung. Wir fragen die deutsch-amerikanische Politikwissenschaftlerin Cathryn Clüver Ashbrook: Was bedeutet das für die Forschung in den USA?

Cathryn Clüver Ashbrook, Politikwissenschaftlerin, Bertelsmann Stiftung:"Das National Institute of Health, gehört zu den weltgrößten forschungsgebenden Organisationen. Wenn dort Kernforschung zusammenbricht - besonders aber eben auch unterstützende Forschung - dann wird in der Tat die Weltgesundheitsstruktur unter diesen Verlusten leiden. Wir denken an Krebs, wir denken an Alzheimer, wir denken an Infektionskrankheiten."

Musks Kettensäge zielt auch auf Mitarbeiter und Wissenschaftler der öffentlichen Gesundheits- und Forschungsbehörden. Tausende wurden entlassen. Auch hochrangige Forschungsleiter, die die Vergabe öffentlicher Forschungsmittel koordinieren. Einer der wenigen Wissenschaftler, die offen mit uns sprechen wollen, ist Martin Basch. Neun Jahre hat er als Medizinprofessor zu Gehörlosen geforscht. Vor einem Jahr ging er zum NIH - jetzt wurde ihm gekündigt.

Martin Basch, Mediziner, ehem. Forschungsleiter National Institutes of Health (NIH) (Übersetzung MONITOR): "Klinische Studien wurden gestoppt, die Patienten alleingelassen. Meine Arbeit wurde abrupt beendet und damit werden viele wissenschaftliche Projekte nicht mehr finanziert. Ich glaube, vieles ist bereits jetzt für immer verloren."

Patrick Cramer leitet die deutsche Max-Planck-Gesellschaft und steht in Kontakt mit vielen amerikanischen Forschern. Sie schlagen jetzt Alarm.

Prof. Patrick Cramer, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft: "Anträge werden nicht begutachtet, man bekommt E-Mails, dass die Forschungsprojekte gestoppt werden sollen. Es gibt Reiseverbote, es gibt sogar Kommunikationsverbote, es beginnt die Selbstzensur. Und ich würde sagen, insgesamt sind die Menschen nicht nur verunsichert, sondern sogar eingeschüchtert."

Die Medizin ist aber nicht das einzige Ziel in Trumps Kampf gegen die Wissenschaft.

Will Scharf 20.01.2025 (Übersetzung MONITOR): "Der nächste Punkt ist der Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen. Wir werden dadurch über eine Billion Dollar sparen."

Direkt danach wurden Websites mit wichtigen Klimaforschungsdaten gelöscht, vom Verteidigungsministerium, vom Außenministerium, vom Landwirtschaftsministerium. Wir treffen den Nobelpreisträger Michael Oppenheimer, Chemiker und Klimaforscher. Er ist alarmiert.

Prof. Michael Oppenheimer, Klimaforscher und Friedensnobelpreisträger (Übersetzung MONITOR): "Es scheint, als wollten sie die Klimageschichte auslöschen und eine andere Geschichte erfinden. Der Kampf ist sehr ernst und ich glaube, Institutionen werden zerstört und Menschen werden infolgedessen sterben. Nicht in einem Bürgerkrieg, aber aufgrund von Fahrlässigkeit und der Unfähigkeit, Probleme im Voraus zu erkennen und sie zu lösen."

Michael Oppenheimer ist 79 Jahre alt. Über fünfzig Jahre seines Lebens hat er der Wissenschaft gewidmet.

Prof. Michael Oppenheimer, Klimaforscher und Friedensnobelpreisträger (Übersetzung MONITOR): " Meine Arbeit bedeutet mir sehr viel. Ich bin nicht mehr so jung, aber ich mache mir mehr Sorgen um die nächste Generation. Ich mache mir Sorgen um meine Studenten. Ich mache mir Sorgen um meine jüngeren Kollegen."

Es ist ein ideologischer Kampf: Aus dem Weißen Haus gegen unliebsame Forschung, allen voran die Klimawissenschaften. Auch hier attackieren Trump und Musk wieder US-Forschungsbehörden, entlassen tausende Wissenschaftler. Es trifft etwa NOAA, die zentrale Wetterbehörde, von der viel abhängt: Hurricane-Warnungen, Wettervorhersagen, die Leben retten können. Wir treffen Tom Di Liberto, vor sieben Tagen wurde er bei NOAA entlassen, so wie 1.300 weitere Mitarbeiter. Die Folgen seien schon jetzt dramatisch.

Tom Di Liberto, Klimaforscher, ehem. NOAA (Übersetzung MONITOR): "Wir sind heute weniger sicher als letzten Donnerstag, als alle gefeuert wurden. Die Auswirkungen sind bereits spürbar. Wetterstationen in den ganzen USA haben Meteorologen verloren. In Alaska haben sie früher Wetterballons steigen lassen. Das geht jetzt nicht mehr, weil sie nicht mehr das nötige Personal haben. Und diese Daten fließen direkt in unsere Wettermodelle ein, nicht nur in die amerikanischen, sondern weltweit."

Warum greift Trump eine so entscheidende Wetterbehörde an? Als konkretes Ziel wurde NOAA bereits im Project 2025 benannt - quasi dem Drehbuch für Trumps zweite Amtszeit: NOAA sei

Zitat: "…einer der Haupttreiber der Klimawandel-Alarmindustrie und schädlich für den zukünftigen Wohlstand der USA. (...) Sie sollte zerschlagen und verkleinert werden."

Tom Di Liberto, Klimaforscher, ehem. NOAA (Übersetzung MONITOR): "So ein Blödsinn. Das ist völlig wissenschaftsfeindlich. Wir sind keine Klimaalarmisten, wir sind Klimarealisten, und wir folgen der Wissenschaft. Wenn sich die Wissenschaft ändert, werden Wissenschaftler auch ihre Einschätzung ändern. Sie versuchen, es dem Menschen schwerer zu machen, an wichtige Informationen zu kommen. Und dann können sie ihre Propagandamaschinen einsetzen, um den Menschen zu verkaufen, was sie wollen. Sie wollen nicht, dass die Menschen frei denken. Sie wollen, dass die Menschen ihnen glauben. Und wenn irgendeine Wissenschaft gegen ihre Interessen verstößt, versuchen sie, sie mundtot zu machen."

Viele Forscher wollen nun die USA verlassen. Wie die Physikerin Neesha Schnepf.

Neesha Schnepf, Physikerin, ehem. U.S. Geological Survey (Übersetzung MONITOR):"Als ich ganz jung war, wollte ich Astronautin werden und Experimente machen. Seit ich zwölf war, habe ich hart daran gearbeitet, hierherzukommen. Es ist tragisch, dass es sich anfühlt, als müssten wir das Land verlassen, um unsere Arbeit weiterzuführen."

Neesha Schnepf will gehen. Auch Martin Basch und sein Ehemann sehen ihre Zukunft eher im Ausland.

Martin Basch, Mediziner, ehem. Forschungsleiter National Institutes of Health (NIH) (Übersetzung MONITOR): " Ich habe ein Leben hier. Ich habe einen Ehemann, einen Hund, ein Haus, das ich nun verkaufen muss, weil ich mir nicht leisten kann, es zu behalten, außer ich finde sofort einen neuen Job. Es fühlt sich an, als sei ich in diesem Land nicht mehr willkommen."

Er würde jederzeit alles hinter sich lassen, nur um weiter zu forschen. Auch in Deutschland, sagt er. Ein Präsident, der Spitzenforscher aus dem Land jagt? Der Leiter der Max-Planck-Gesellschaft möchte ihnen in Deutschland eine neue Heimat bieten.

Prof. Patrick Cramer, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft: "Wir sehen, dass wir doppelt so viele Bewerbungen aus den USA haben, und es ist auf jeden Fall eine große Chance für den Forschungsstandort Europa. Weil wir eben auf einmal Talente rekrutieren können, die wir unter normalen Umständen so nicht hätten gewinnen können. Aber für die Forschung insgesamt, für die Wissenschaft insgesamt auf der Welt, ist es ein ganz klarer Rückschritt, etwas, was mir ganz große Sorgen bereitet."

Im Weißen Haus sitzt ein Mann, der die Freiheit der Wissenschaft verachtet - und ihr deshalb den Kampf angesagt hat.

Prof. Michael Oppenheimer, Klimaforscher und Friedensnobelpreisträger (Übersetzung MONITOR): "Ich hoffe, wir sind uns alle einig, dass die Suche nach der Wahrheit ein wesentlicher Bestandteil der modernen Gesellschaft ist. Und wenn wir das zerstören, zerstören wir am Ende dieses Land. Und ich denke, der Rest der Welt sollte darüber sehr besorgt sein. Und wenn sie das mit dem Klimawandel und der öffentlichen Gesundheit tun können, können sie es mit allem tun.

Achim Pollmeier: "Der Grund, warum uns das alles so schockiert ist, dass die USA eben noch eine liberale Demokratie waren - und das ist nur eine Wahl her."

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4 Kommentare

  • 4 Anonym 06.03.2025, 09:29 Uhr

    Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er gegen unsere Netiquette verstößt. (die Redaktion)

  • 3 Doof-D for ever ! 06.03.2025, 09:14 Uhr

    Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er diskriminierend ist. (die Redaktion)

  • 2 Albers 05.03.2025, 12:10 Uhr

    Super, dann sollte Deutschland diese Wissenschaftler aufnehmen und ihnen hier beste Arbeits und Forschungsbedingungen bieten. Ist doch toll.