Bericht: Lutz Polanz, Andreas Maus, Elke Brandstätter, Achim Pollmeier
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Georg Restle: "Von wegen grünes Wirtschaftswachstum. Auch in der Landwirtschaft gilt das Dogma vom ewigen Wachstum. Wachsen oder weichen heißt es da seit Jahrzehnten. Auch hier mit verheerenden Auswirkungen auf das Klima. Schließlich weiß man längst, die Landwirtschaft gehört zu den größten Antreibern des Klimawandels. Getan wurde da wenig in den letzten Jahren, versprochen dafür umso mehr: Jetzt soll – wieder mal – ein Systemwechsel her. So hat es die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner versprochen: Weniger Masse, mehr Klimaschutz – auch hier: Grünes Wachstum und das in der gesamten Europäischen Union. Ob's dem Klima wirklich hilft? Lutz Polanz, Andreas Maus und Elke Brandstätter."
Auf dem Lindhof bei Kiel. Hier kann man Kühen mit seltsamen Apparaten begegnen. Forscher messen damit den Methanausstoß der Tiere. Rinder produzieren nämlich eine Menge Treibhausgase, die Kühe hier aber nur halb so viel. Warum das wichtig ist? Die Landwirtschaft verursacht enorme Mengen klimaschädlicher Gase, in Deutschland etwa 13 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen. Die Gründe: zu hohe Tierbestände, Überdüngung und die intensive Nutzung von Moorflächen. Die Landwirtschaft, ein Klimakiller. Das soll sich ändern. Einen "Systemwechsel" versprechen Deutschland und die EU in der Gemeinsamen Agrarpolitik. 387 Milliarden Euro Fördermittel sollen bis 2027 fließen. Und dabei auch die Klimaziele der EU in der Landwirtschaft eins zu eins umsetzen.
Julia Klöckner (CDU), Bundeslandwirtschaftsministerin (25.10.2020): "Das ist genau der Systemwechsel, wo ich wirklich alle Agrarminister Europas darauf einschwören konnte.”
Prof. Harald Grethe, Agrarwissenschaftler, Humboldt-Universität Berlin: "Ich kann in den gegenwärtigen Vorschlägen keinen Systemwechsel erkennen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber kein Systemwechsel.”
Systemwechsel oder Mogelpackung? Was bringt die neue Agrarpolitik wirklich für das Klima? Beispiel – Tierbestände: Rund die Hälfte aller Treibhausgase in der europäischen Landwirtschaft entsteht in der Viehhaltung, der größte Teil stammt von Rindern. Vor allem Methan, das besonders stark zur Erderwärmung beiträgt.
Prof. Friedhelm Taube, Agrarwissenschaftler, Universität Kiel: "Methan ist um den Faktor 20 bis 24 klimaschädlicher als CO2 und ist im Wesentlichen durch Emissionen aus der Tierhaltung, der Wiederkäuer-Haltung bei den Rindern verursacht. Und deshalb ist eben der Komplex Tierhaltung – insbesondere Wiederkäuer, also Rinder, Schafe, Ziegen – hier ein wesentlicher Verursacher für Methanemissionen."
Auf einem Versuchsgut bei Kiel zeigen Professor Friedhelm Taube und sein Team, wie sich die Klimabelastung drastisch verringern lässt. Die Milchkühe hier stehen nicht im Stall, sondern mit viel Platz auf der Weide. Ihr Futter – vor allem Kleegras – haben die Wissenschaftler so optimiert, dass die Methanemissionen nur noch halb so hoch sind. Eigentlich wäre das überall machbar, sagt Taube.
Prof. Friedhelm Taube, Agrarwissenschaftler, Universität Kiel: "Wir wissen, wie es geht, wir haben das Handwerkszeug, wir haben alles, was wir hier machen, hochrangig international publiziert, wir legen es der Politik auf den Tisch. Es muss dann aber auch umgesetzt werden.”
Doch dazu sei die Politik bislang nicht bereit. Denn um die Klimaziele einzuhalten, müsse man nicht nur die Haltung umstellen, sondern auch die Tierbestände deutlich schneller reduzieren als bisher. Doch Anreize dafür suche man in den künftigen Förderregeln vergeblich, kritisieren Umweltorganisationen:
Lasse van Aken, Sprecher Agrarpolitik Greenpeace: "Es wäre zum Beispiel denkbar, dass die Landwirte und Landwirtinnen belohnt werden, die ihren Tierbestand reduzieren auf beispielsweise zwei Großvieheinheiten pro Hektar. Eine Großvieheinheit ist in etwa eine Kuh. Hier fehlt es an Anreizen und deswegen wird auch kein Landwirt freiwillig seine Bestände reduzieren.”
Statt auf Anreize für kleinere Tierbestände, wird weiter auf Masse gesetzt. Und das führt zu noch mehr Klimagasen, vor allem durch Überdüngung. Die enormen Güllemengen aus industriellen Tierfabriken sind neben dem intensiven Einsatz von Kunstdünger die zweite große Quelle von Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft. Seit Jahren ein Riesenproblem, sagt Professor Harald Grethe, lange Zeit Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Landwirtschaftsministeriums.
Prof. Harald Grethe, Agrarwissenschaftler, Humboldt-Universität Berlin: "Wir düngen auf vielen landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland schon seit Jahrzehnten zu viel. Das ist in Form von sogenanntem Wirtschaftsdünger, das ist Gülle oder auch Festmist. Das ist aber auch der sogenannte Kunstdünger, mineralischer Dünger. Und weil wir zu viel düngen, gibt es zu viel Überschüsse. Und weil wir zu viel Überschüsse haben, gehen die raus in die Umweltmedien und werden dort zum Beispiel als Lachgas klimawirksam.”
Lachgas, eines der schlimmsten Treibhausgase. Doch das Bundeslandwirtschaftsministerium ignorierte immer wieder die Vorgaben der EU, den Düngereinsatz zu senken. Laut Umweltbundesamt landet ein Drittel des gesamten Düngers als Überschuss auf den Feldern.
Prof. Harald Grethe, Agrarwissenschaftler, Humboldt-Universität Berlin: "Wir haben dort so etwas wie eine politische Gestaltungsverweigerung. Man tut nicht das, was notwendig ist.”
Politische Gestaltungsverweigerung. Das zeige sich auch bei der wichtigsten Ursache für Klimagase in der Landwirtschaft, den Moorflächen. Eigentlich wollten Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner und Umweltministerin Schulze eine gemeinsame Strategie zum Schutz der Moore verabschieden, doch die Ministerinnen konnten sich nicht einigen. Jetzt ist das Vorhaben gescheitert. Obwohl die Moorflächen nur einen Anteil von 7 Prozent an den Agrarflächen ausmachen, verursachen sie 40 Prozent der Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft. Auf den ersten Blick sind Moore für viele Menschen gar nicht mehr zu erkennen. Fast alle Flächen werden inzwischen landwirtschaftlich genutzt. Das Problem, werden Moore trockengelegt, tritt mehr CO2 in die Atmosphäre aus, weil der Torf sich abbaut. Um die Treibhausgasemissionen wieder zu verringern, müssten viele dieser Flächen eigentlich wieder unter Wasser gesetzt werden. "Vernässung" nennen das die Fachleute.
Prof. Harald Grethe, Agrarwissenschaftler, Humboldt-Universität Berlin: "Für die einzelnen, dort wirtschaftenden Menschen ist das eine Riesenherausforderung. Die müssen nämlich ihr Land völlig anders nutzen. Und dafür müssen wir auch als Gesellschaft Möglichkeiten eröffnen."
Zwar sorgen die Fördermittel künftig für mehr Schutz der Moorflächen. Wie das fürs Klima wichtige Wiedervernässen großflächig gelingt, dafür gibt es bislang aber keine Strategie. Stattdessen fließen weiter Milliarden, um trockengelegte Moorflächen intensiv zu bewirtschaften. Doch trotz all dem beschwört Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner unverdrossen den Systemwechsel.
Julia Klöckner (CDU), Bundeslandwirtschaftsministerin: "Einkommenssicherung für Landwirte, heimische, regionale Produktion muss hochgehalten werden, aber vor allen Dingen wollen wir das auch zusammenbringen mit mehr Umwelt-, mit mehr Klima- und auch Tierschutz.”
Das Versprechen: keine Fördermittel mehr an die Landwirte ohne ökologische Gegenleistung. Tatsächlich? Immerhin: Von jährlich rund fünf Milliarden Euro Direktzahlungen für die Landwirte soll künftig ein Viertel an sogenannte Öko-Regelungen geknüpft werden. Klingt gut, doch vieles davon gibt es schon längst. Geld für Blühstreifen etwa oder für eine vielfältige Fruchtfolge auf den Äckern. Die Öko-Regelungen seien zwar gut für die Artenvielfalt, sagen Fachleute, nur fürs Klima brächten sie wenig. Das Hauptproblem, drei Viertel der Direktzahlungen werden den Landwirten weiterhin als sogenannte Flächenprämie ausgezahlt. Und da lägen die ökologischen Anforderungen so niedrig, dass sich kaum etwas ändere.
Prof. Friedhelm Taube; Agrarwissenschaftler, Universität Kiel: "Alle wissenschaftlichen Beratungsorganisationen haben in den letzten Jahren gesagt, weg von diesen an Fläche gebundenen Zahlungen zur Einkommensstütze, weil das nichts für die Umwelt bringt. Es honoriert nur Landbesitz."
Und schadet dem Klima. Die Ministerin verspricht, die Landwirtschaft werde ihre Klimaziele einhalten. Doch auch die künftige Agrarpolitik setzt eher auf Wachstum und Masse – ein echter Systemwechsel für Umwelt- und Klimaschutz ist das nicht.
Georg Restle: "Systemwechsel oder nicht, Sie haben die Wahl in gut zwei Wochen. Eine Richtungsentscheidung sei das, sagt auch CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet immer wieder. Für den Klimaschutz gilt das ganz sicher."
Kommentare zum Thema
Und wieder ist man am Kern vorbei. „Das Ende des Wachstums?“ Nein, die Weltbevölkerung wächst rasant weiter. Auch bei täglich Haferbrei gibt es „Grenzen des Wachstums“ für den Planeten. Man kann das Problem Überbevölkerung unter Rassismus packen und zum Tabu erklären aber damit verschwindet das Kernproblem nicht; es ist allerdings auch von Deutschland aus schwer zu regulieren. Zwei Dinge könnte man noch machen. 1) Die EU könnte damit aufhören mit „Freihandel“ andere Länder zu zwingen ihre Märkte für die von uns subventionierten Lebensmittel zu öffnen was deren eigene Lebensmittelproduktion in den Ruin treibt. 2) Es gibt auch bei politischer Verfolgung kein Recht sich ein Land auf der Erde auszusuchen und das Konstrukt vom Asyl in Europa bei Konflikten verschärft durch Überbevölkerung auf anderen Kontinenten ist dabei nicht hilfreich. Wie man Landwirtschaft gestaltet spielt eine Rolle aber nicht die entscheidende. Acht Milliarden Menschen auf der Erde und mehr haben Hunger so oder so.
Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er gegen unsere Netiquette verstößt. (die Redaktion)
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