MONITOR vom 19.08.2021

Ausgebeutet, gequält, vergewaltigt: Die Opfer europäischer Abschottungspolitik

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Bericht: Lara Straatmann

Ausgebeutet, gequält, vergewaltigt: Die Opfer europäischer Abschottungspolitik

Monitor 19.08.2021 08:18 Min. UT Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste Von Lara Straatmann

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Achim Pollmeier: "Das galt für Afghanistan und das gilt auch für Libyen. Die EU und die Bundesregierung tun auch hier so, als gebe es einen funktionierenden Staat, mit dem man politisch kooperieren könne, wenn es um Menschen geht, die vor Armut, Krieg oder Verfolgung fliehen. Ein Land, in dem sich rivalisierende Milizen damit finanzieren, dass sie Geflüchtete auf dem Weg nach Europa gefangen nehmen und in übelsten Lagern internieren. Es ist ein System, das von Deutschland und der EU gestützt und mit finanziert wird. Aber weil es dabei offiziell um “staatliche” Lager geht, soll das alles halb so schlimm sein. Lara Straatmann."

"Wir brauchen Freiheit", rufen die Männer. Die Hände gekreuzt aus Protest gegen ihre Gefangenschaft in einem libyschen Haftlager für Flüchtlinge. Mehr als hundert Menschen, eingesperrt in einer Zelle. Es gibt kaum Bilder aus den libyschen Lagern, aber MONITOR hat mit Menschen gesprochen, die dort inhaftiert und gequält wurden. So wie Teklia.

Teklia (Übersetzung Monitor): "Sie schlugen uns mit Metallstangen. Sie nahmen ihre Waffe und hielten sie uns an den Kopf, um uns Angst zu machen."

In solche libyschen Lager lässt Europa seit Jahren Zehntausende Flüchtlinge zurückschicken. Dafür hat die EU gemeinsam mit libyschen Milizen eine sogenannte Küstenwache aufgebaut und ausgerüstet. Sie bringt die Menschen zurück. Dabei wissen Bundesregierung und EU, in den Haftlagern sind Folter und Ausbeutung an der Tagesordnung. Die EU versprach, die Flüchtlinge sollten in staatliche Haftlager kommen, sie investierte Millionen für bessere Bedingungen und für den Zugang von Hilfsorganisationen. Auch die Kanzlerin sagte zu…

Angela Merkel, Bundeskanzlerin, 11.08.2017: "… dass diese Menschen zurückgebracht werden in staatliche Zentren. Und wir haben zu gewährleisten, dass diese Zentren auch in einem humanitären Standard arbeiten, dass wir sagen können, dass den grundlegenden Menschenrechten dort entsprochen werden kann."

Grundlegende Menschenrechte? Ein Versprechen, dessen Einhaltung niemand sicherstellt. Im Gegenteil, allein in diesem Jahr hat die sogenannte Libysche Küstenwache rund 20.000 Menschen zurückgebracht. Die Lage in den Lagern werde immer dramatischer, berichten Hilfsorganisationen.

Beatrix Lau, Ärzte ohne Grenzen (Übersetzung Monitor): "Im Ergebnis führte dies zu einer vollkommenen Überbelegung in den Haftlagern, die die ohnehin verzweifelte Lage weiter verschlechtert. Wir sprechen über vier Menschen, die sich einen Quadratmeter teilen, eingesperrt in der Zelle, ohne frische Luft, mit eingeschränktem Zugang zu Wasser und Essen. Und das führt immer wieder zu Gewaltausbrüchen zwischen den Wächtern und den Flüchtlingen."

Etwa im staatlichen Haftlager Mabani. Nach Schilderungen von "Ärzte ohne Grenzen" sieht es dort etwa so aus. Siebentausend Menschen sind in Mabani nach ihrer gescheiterten Flucht in diesem Jahr eingesperrt worden. Wir finden einen von ihnen. Emeka ist noch immer in Libyen. Vor allem eine Nacht im Lager wird er nie vergessen.

Emeka (Übersetzung Monitor): "Es war so schlimm. In dieser Nacht haben sie jeden verprügelt. Sie schlugen uns auf die Beine und auf den Kopf. Einem Jungen haben sie mit dem Gewehr auf den Schädel geschlagen, er brach zusammen. Ich weiß nicht, ob er gestorben ist, sie haben ihn weggetragen. Ich habe ihn nicht mehr wiedergesehen."

Dutzende Verletzungen durch Schläge hat "Ärzte ohne Grenzen" dort dokumentiert. Misshandlung in staatlichen Lagern, doch das ist offenbar längst nicht alles. Dieser junge Mann aus Eritrea berichtet uns detailliert, wie er dort gefoltert worden sei. Auch ihn hatte die libysche Küstenwache zurückgebracht.

Geflüchteter (Übersetzung Monitor): "Sie brachten uns in Isolationsräume. Meine Hände waren die ganze Zeit gefesselt und wurden an der Decke fixiert. Im musste im Stehen schlafen. Sie haben uns morgens und abends geschlagen. Jeden Tag forderten sie Geld. Wenn du raus willst, musst du 500,- Dollar zahlen, sagte der eine. Und ein anderer forderte 1.000,- Dollar, jeden Tag kam jemand anderes und schlug mich. Ich dachte, dass ich nicht mehr aus dieser Zelle herauskomme, dass dies das Ende ist."

Ein Freund von ihm bestätigt uns, er habe am Ende das Lösegeld bezahlt. Umgerechnet 500,- Euro. Die Ausbeutung hat System, denn die staatlichen Haftlager, in die Europa tausende Menschen schicken lässt, werden de facto von Milizen kontrolliert, die daraus Profit schlagen. Das haben Experten vielfach dokumentiert:

Harry Johnstone, Global Initiative against Transnational Organized Crime (Übersetzung Monitor): "Das ist ein großes Geschäft, Schätzungen gehen von 400 bis 800 Millionen Euro pro Jahr aus. Die Milizen bekommen Geld von Geldgebern, die dann die Migranten zu unbezahlter Arbeit zwingen. Sie bekommen Geld von Menschenschmugglern und Menschenhändlern für die Migranten, die dann wieder versuchen, auf ein Boot in Richtung Europa zu steigen."

Ein Teufelskreis, die Menschen zahlen Lösegeld, um aus der Haft zu kommen. Nur um dann wieder in ein Boot gesetzt, abgefangen und eingesperrt zu werden. Von diesem System berichtet uns auch Issiaga Camara. Auch er war in einem der staatlichen Lager eingesperrt.

Issiaga Camara (Übersetzung Monitor): "Die, denen man das Geld gegeben hat, um nach Europa zu kommen, sind die gleichen, die mit der libyschen Küstenwache zusammenarbeiten, um einen wieder abzufangen. Ich habe es erlebt. Man fängt dich ab, steckt dich ins Gefängnis. Um aus dem Gefängnis zu kommen, musst du wieder Geld bezahlen. Und die Schlepper und die libysche Küstenwache tauschen ihre Informationen aus."

Warum unterstützen die EU und Deutschland dieses System? Darauf antwortet das Auswärtige Amt auf Anfrage nicht. Man schreibt uns nur, die Lage in den Haftlagern bleibe "inakzeptabel". Und man setze sich für die Schaffung "offener Alternativen" in Libyen ein. Nur, solche "offenen Lager" gibt es nicht in Libyen. Und auch sonst ist schwer zu erkennen, was sich in den Lagern in den vergangenen Jahren überhaupt verbessert haben soll. Immer wieder haben deutsche Außenminister die Libyschen Lager besucht und Verbesserungen angemahnt. Etwa Sigmar Gabriel 2017 oder Heiko Maas 2019. Alles sollte besser werden. Im letzten Herbst eröffnete das libysche Innenministerium ein Haftlager eigens für schutzbedürftige Frauen und Kinder. Doch auch dort dokumentierte Amnesty International nun systematischen sexuellen Missbrauch.

Delpine Rodrik, Amnesty International (Übersetzung Monitor): "Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt gegen Frauen. Wachpersonal hat Frauen dort vergewaltigt und versucht, sie im Austausch für ihre Freilassung oder für Lebensmittel zum Sex zu zwingen. Ich denke, dies zeigt deutlich, wie erfolglos die Versuche waren, die Bedingungen in den Einrichtungen zu verbessern."

Menschen, die mit Europas Hilfe Gewalt und Ausbeutung ausgesetzt werden. Milizen, die aus Europas Abschottungspolitik Profit schlagen. Und eine libysche Küstenwache, die dank EU-Hilfen immer effizienter wird. Teklia ist inzwischen in Sicherheit. Viele seiner Freunde in den Lagern sind es nicht.

Teklia (Übersetzung Monitor): "Wir müssen die Flüchtlinge retten, die in Libyen noch immer leiden. Warum müssen sie leiden? Die Europäische Union hat sie dazu verurteilt, zu sterben. Denn sie nach Libyen zurückzuschicken, bedeutet zu sterben."

Achim Pollmeier: "Schon klar, es ist einfach, mit moralischer Geste auf politisches Versagen hinzuweisen. Einfache Lösungen gibt es nicht. Aber der Kompass, was falsch und was richtig ist, den sollten wir uns nicht nehmen lassen."

Stand: 19.08.2021, 22:15 Uhr

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57 Kommentare

  • 57 Hr.Sems. 09.09.2021, 10:54 Uhr

    Das System ist korrupt, und wie es scheint, berührt es viele deutsche und europäische Politiker nicht, dass sie ein solches System aufrechterhalten und damit Menschen Folter, Menschenhandel und Tod ausliefen. Gleichzeitig bin ich skeptisch, eine Vielzahl Menschen aus einem so fremden Glaubens- und Kulturkreis, teils mit unvereinbaren Wertevorstellungen, nach Deutschland zu holen, ohne dass für eine engmaschige Begleitung im Alltag und strukturierte Integration gesorgt ist. Solange solche Menschen an den Rand der Gesellschaft gedrängt, von Teilhabe ausgeschlossen und sich selbst überlassen werden, schaffen wir uns unsere Probleme mit der Migration selbst. @die Person, die unter wechselnden Namen verleumderische Posts über die ÖR und großen Parteien absetzt: Du bist anhand deiner Zeichensetzung und Satzkonstruktionen als Einzelperson identifizierbar.

  • 52 dämliche Propaganda ! 07.09.2021, 08:50 Uhr

    Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er gegen unsere Netiquette verstößt. (die Redaktion)

  • 50 Anonym 06.09.2021, 14:39 Uhr

    Der Planet hat 8 Mrd. Einwohner, wovon mindestens 4 Mrd. Arme ,primär n der dritten Welt leben.. Zu Germoney hatten sie zuvor noch keinerlei Kontakt gehabt , geschweige einen Euro Steuern oder Sozialabgaben bezahlt. Was hat das winzige D mit diesen Leuten zu tun und warum soll ich für diese Leute für lau schuften gehen ? Für diese Leute sind die eigenen Regierungen zuständig , z.B. die der 50 Staaten der islamistischen Konföderation oder die 20 der arabischen Liga und nicht das viele Tausende Kilometer entfernte winzige Germoney ? Das gilt genauso für die 38 Mio. islamistisch orientierten Afghanen. Hoffentlich erlangen nicht wieder die Gutsten der Bahnhofsklatscher und Teddybärwerfer die Meinungshochheit über den öffentl. Diskurs , wie schon 2015. Dann ist der Staat nämlich in Kürze insolvent und dann haben wir hier Bürgerkrieg !. Es kann nicht sein , daß Biodeutsche von naiven dt. Politikern ständig als Sozialamt für die ganze Welt per Moralkeule mißbraucht werden !

  • 46 Kopfsalat 01.09.2021, 21:13 Uhr

    Seltsam, so viele Kommentatoren hier gehen gar nicht auf das eigentliche Thema ein, sondern mißbrauchen dieses offene Forum für ganz eigene Zwecke. So wie die Sprache mißbraucht wird, um zu manipulieren, statt zu kommunizieren (z.B. mit dem Wort Wirtschaftsflüchtlinge). So wie auch die Menschen in Afrika, die aus lebensbedrohlicher Armut flüchten, offensichtlich mißbraucht werden (danke für den Bericht). So wie von allen totalitären Machthabern schon immer die Massenmedien mißbraucht wurden (egal ob unter der Fahne von Kommunismus, Kapitalismus, Katholizismus, oder sonstigen Ismen). So wie auch viele kleine Möchtegern-Machthaber ihre demokratischen Freiheiten (z.B. ihre Anonymität) und ihren Wohlstand mißbrauchen, um gegen diejenigen zu hetzen, die ihren kleinen Wohlstand überhaupt erst möglich machen (indem sie für Hungerlöhne arbeiten), und gegen diejenigen, die die demokratischen Freiheiten verteidigen, z.B. die Monitor-Redaktion.

    • Aga Bellwald 02.09.2021, 12:55 Uhr

      Hallo Kopfsalat, bin absolut Ihrer Meinung, denn die Netiquetten weisen darauf hin, dass man sich zum jeweiligen Thema äussern sollte. Bei Antworten kann es ja mal anders sein, aber ich möchte Kommentare zu den Berichten lesen und kein Geflüchteten- oder Restle/Monitor-Bashing, wie es bei gewissen Anonyms und anderen Fantasienamen seit langem Mode ist. Ohne Sinn und Inhalt. Vielen Dank für Ihre Anmerkungen.

  • 44 Jürgen 01.09.2021, 08:13 Uhr

    Quatsch ! Angela Merkel , Türken-Armin und ihre treuen,opportunen devoten Klatschhasen im Staatsfunk sind Honeckers und Erdogans späte Rache an Deutschland ! Man muß seine Untertanen schon ausgesprochen hassen, um ein Land so zu ruinieren wie Angela Merkel und ihre GroKo in den letzten 16 Jahren mit Spaltung Europas, Massenmigration von teuren zumeist Analphabeten aus der dritten Welt, dürftigsten Renten , Deindustrialisierung, Bildungsnotstand, exorbitanter Verschuldung der öffentl. Hand, geplünderten leeren Staats-/Renten-und Sozialkassen, kaputter Bundeswehr etc, Dafür wird primär die Union am 26.9. die Quittung bekommen. Union,SPD regieren mit ihrer ignoranten illegalen Politik schon längst am Volkswillen vorbei im Nirgendwo . Deshalb hat sich deren Wählerzuspruch seit Kohl und H. Schmidt auch halbiert ! Sogar die treuen Rentner, deren Renten durch die Belastung der Sozialversicherung mit immer mehr Wirtschaftsmigranten erodieren , fallen inzwischen vom Merkel-Glauben ab !

  • 42 Anonym 29.08.2021, 23:24 Uhr

    Die ganze Monitor-Migrantenpropaganda ist doch pervers: So werden etwa im Mittelmeer keine Flüchtlinge aus Seenot gerettet . Die illegalen Einwanderer werden von Schleusern , die dafür zuvor viel Geld verlangt haben , vielmehr in Seenot manövriert , um dann mit Hilfe von NGOs und unter Nötigung von Behörden in Europa an Land gebracht zu werden. Woanders, als nach Deutschland wollen sie auch nicht, weil Germoney die höchsten Sozialleistungen bietet., verbunden mit einer weitgehenden Freistellung der Illegalen von allen Rechtsvorschriften , die für Deutsche gelten ,und verhätschelt und umsorgt von Medien und besonders linken und grünen Politikern, die über alles hinwegshreiben, und hinwegkommentieren, was sie Deutshen nicht durchgehen lassen , diese vielmehr noch ständig mit der Rassisten-Nazi- und Moralkeule bearbeiten, wenn sie das Spiel nicht mehr mitmachen und für Wirtschaftsmigranten nicht noch mehr buckeln gehen wollen . Das ist doch nicht normal und alles nur noch krank

  • 39 Florian Stein 26.08.2021, 21:37 Uhr

    Die Alternative zur kannibalischen Weltordnung ist der demokratische (freiwillige) Sozialismus, den es noch nie gegeben hat: Jeder hilft mit und alle essen sich satt. Ein Sozialverhalten in jeder intakten Familie und im Experiment mit Kleinkindern, die noch nicht vom Kapitalismus verdorben sind.

  • 35 Bravo, W. Thiel ist frei 25.08.2021, 00:26 Uhr

    Zum Glück liegt Deutschland nicht direkt an der EU-Außengrenze: Sonst hätten die naiven grünen und roten Socken im Staatsfunk , deren Bildungsstand bekanntlich am Aktionsradius ihres Lastenfahrrads endet, das Land mit ihrer Politik der open Doors für Jeden, der sich alimentieren lassen möchte , schon längst völlig ruiniert !

  • 32 Resie 24.08.2021, 04:26 Uhr

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  • 31 Resie 24.08.2021, 04:26 Uhr

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  • 25 Mario Eisemann 21.08.2021, 02:03 Uhr

    Es ist "der kleine Mann", der unsere Wertegemeinschaft trägt. Er ist der frustrierte Diener der Reichen und erhebt sich mit seiner Kleidung aus Bangladesch und dem Coltan aus dem Kongo in seinem Handy über die ungebildeten Wesen aus dem Süden.