Erbschaftssteuer: Subventionen für Superreiche
08:36 Min.. UT. Verfügbar bis 30.12.2099. Von Silke Diettrich, Herbert Kordes.
MONITOR vom 21.09.2023
Erbschaftssteuer: Subventionen für Superreiche
Laut aktuellem Subventionsbericht handelt es sich um die größte Steuervergünstigung überhaupt: Durch die Erbschaftssteuer-Befreiung für Unternehmenserben entgehen den Finanzämtern jährlich rund 4,5 Milliarden Euro. Doch trotz Kritik der eigenen Berater lässt die Bundesregierung dieses Privileg seit Jahren unangetastet. Kritiker halten das für verfassungswidrig und sprechen von „Steuerfeudalismus".
Von Silke Diettrich, Herbert Kordes
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Kommentieren [8]Georg Restle: "Geld, das für die Ärmsten im Land kaum zum Überleben reicht, dagegen Milliarden an Steuersubventionen für Reiche und Superreiche. Eigentlich ist das ein riesiger Skandal. Einer, den die Politik allerdings immer wieder gut zu verschleiern weiß. Und dabei spielt die Vorstellung von einem solchen Häuschen eine wichtige Rolle. "Omas kleines Häuschen" heißt es dann immer, für das die Erben angeblich viel zu viel Erbschaftsteuern bezahlen müssen. Das entspricht zwar kaum der Realität. Und es stimmt erst recht nicht, wenn jemand gleich sehr, sehr viele Wohnungen und Häuser erbt – oder gleich ein ganzes Immobilienunternehmen. Dann nämlich tendieren die Erbschaftssteuern regelmäßig gegen Null. Klar, das verschärft die Ungerechtigkeit im Land. Aber wen kümmert das schon, am politischen Stammtisch oder im bayrischen Bierzelt – erst recht zu Wahlkampfzeiten? Herbert Kordes und Silke Diettrich."
Der Traum von den eigenen vier Wänden! Für manche Menschen erfüllt er sich von ganz allein, über eine Erbschaft. Begleitet von der bangen Frage, wieviel Erbschaftssteuer muss man dafür wohl bezahlen? Ängste und Sorgen, die er zu bedienen weiß. Für Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder ist die angeblich zu hohe Erbschaftssteuer aufs Elternhaus gerade der ganz große Wahlkampfschlager.
Markus Söder (CSU), Ministerpräsident Bayern, 04.09.2023: "Die Erbschaftssteuer aufs Elternhaus, die muss endlich weg, meine Damen und Herren."
Söders Landesregierung hat sogar Verfassungsklage gegen die Erbschaftsteuer eingereicht, denn wegen der Steuer drohe quasi ein Notverkauf von Haus und Hof – nur fürs Finanzamt. Aber wie groß ist diese Gefahr tatsächlich? Der Münchener Steueranwalt Markus Sebastian Rainer berät seit 20 Jahren Erbinnen und Erben. Er weiß genau, wie bedrohlich die Erbschaftsteuer wirklich ist.
Markus Sebastian Rainer, Fachanwalt für Erbrecht: "Wenn Sie innerhalb von sechs Monaten nach dem Tod des Elternteils einziehen und dann noch zehn Jahre drin wohnen, ist es bis zu einer Wohnfläche von 200 Quadratmetern steuerfrei. Wenn mehrere Kinder das Haus erben, dann ist es eh nicht realistisch, dass die da gemeinsam eine Wohngemeinschaft bilden. Und in diesem Fall bleibt Ihnen aber natürlich der Freibetrag von 400.000,- Euro pro Kind pro Elternteil."
Das heißt, die meisten Menschen müssen sich um eine Erbschaftsteuer gar keine Sorgen machen, so der Experte. Für Gerhard Schick von der "Bürgerbewegung Finanzwende" sind alle Forderungen nach weniger Erbschaftsteuer deshalb völlig unverständlich. Das eigentliche Problem liege ganz woanders.
Gerhard Schick, Bürgerbewegung Finanzwende e.V.: "Skurrilerweise ist das Hauptmitleid offenbar in unserer Gesellschaft nicht mit den Menschen, die gar keine Wohnung finanzieren können, die gar keine Chance haben, Eigentum zu bilden, weil die Preise so verrückt hoch sind, sondern das Hauptaugenmerk scheint bei denen zu sein, die Immobilien im Millionenwert vererbt bekommen. Dabei sind die eigentlich die Glücklichen."
Zu den Glücklichen werden auch die Kinder von Josef Rick gehören: Der Unternehmer aus Düsseldorf ist Multi-Millionär. Er kauft Grundstücke, bebaut sie oder saniert Bestandswohnungen – wie hier, mitten in der Düsseldorfer Innenstadt. Der 67-Jährige hat viel zu vererben: und zwar sein Unternehmen. Es wird irgendwann an seine Kinder übergehen. Aber wieviel Erbschaftssteuer werden die zahlen?
Josef Rick, Immobilienunternehmer: "Also wenn sich die steuerlichen Regeln nicht ändern, wenn wir von den heutigen ausgehen, dann keine nennenswerte, oder werden meine Kinder keine nennenswerte Erbschafts- und Schenkungssteuer zahlen müssen. Ich würde sagen, gar nichts bis ein Prozent, das wäre meine Schätzung."
Josef Rick auf dem Weg zu seinem Geschäftspartner, sie planen schon das nächste Großprojekt. Dass Rick sein Unternehmen quasi steuerfrei an seine Kinder übergeben kann, ist durchaus gewollt. Für Unternehmenserben sieht das Gesetz viele Ausnahmen vor. In der Praxis heißt das, viele von ihnen zahlen keine oder nur wenig Steuern aufs Erbe. Doch auch, wenn Josef Rick selbst davon profitiert – richtig findet er das nicht!
Josef Rick, Immobilienunternehmer: "Ich finde, das ist skandalös. Ich bezeichne sowas ja immer gern als Steuerfeudalismus. Es ist eine politische Aufgabe, dafür zu sorgen, dass wir eine wirtschaftliche Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft haben. Breite Schultern tragen mehr als schmalere Schultern. Und da weichen wir völlig von ab. Und warum lässt die Gesellschaft das zu? Ich kann das nicht nachvollziehen."
In ihrem aktuellen Subventionsbericht schreibt die Bundesregierung:
Zitat: "Die größte Steuervergünstigung ist die Vergünstigung für Erwerber von Betrieben und Anteilen an Kapitalgesellschaften im Erb- oder Schenkungsfall…"
Jahr für Jahr entgehen dem Staat auf diese Weise rund 4,5 Milliarden Euro. Geld, das den Ländern zusteht und das sie gut gebrauchen könnten: für die Sanierung von maroden Schulen, maroden Schwimmbädern oder kaputten Straßen.
Gerhard Schick, Bürgerbewegung Finanzwende e.V.: "Seit 2009 sind über 77 Milliarden Euro an Erbschaftssteuer nicht gezahlt worden. Unser Land sähe heute anders aus, wenn die Milliardärs-Familien in ihrem Land ihren fairen Anteil an der Finanzierung des Gemeinwesens geleistet hätten."
Finanzminister Lindner will Unternehmenserbschaften trotzdem auch weiter begünstigen.
Christian Lindner (FDP), Bundesfinanzminister, 16.06.2023: "Für mich ist diese Diskussion über, überhaupt die Erhöhung der Erbschaftssteuer oder die Erhebung einer Vermögenssteuer auf unternehmerische Substanz schädlich."
Hier hört man das gerne. Lindner spricht auf einer Veranstaltung der Stiftung Familienunternehmen und Politik. Eine der wichtigsten Lobbyorganisationen für Familienunternehmen in Deutschland. Der Sitz direkt im Regierungsviertel in Berlin am Brandenburger Tor. Der Name der Stiftung klingt wie eine Vertretung von Handwerksbetrieben, doch tatsächlich stehen dahinter viele, oft milliardenschwere Unternehmen: Henkel etwa, dm, Stihl, Dr. Oetker – kurz gesagt: viele der größten deutschen Familienunternehmen. Rainer Kirchdörfer ist Vorstand der Stiftung. Seit Jahren kämpft er für die Steuerprivilegien für Firmenerben. Warum?
Prof. Rainer Kirchdörfer, Stiftung Familienunternehmen und Politik: "Um die Wettbewerbsfähigkeit von Familienunternehmen in Deutschland zu erhalten, um dieses System von Familienunternehmen in Deutschland zu erhalten, was auch der Gesetzgeber mehrfach geäußert hat, dass er es möchte und dass wir auch alle für uns optimal halten, brauchen wir eine Vergünstigung von Betriebsvermögen."
Steuerprivilegien, damit Unternehmen – und damit Arbeitsplätze – nicht bedroht werden? Führende Ökonominnen in Deutschland halten dieses Argument für falsch.
Prof. Monika Schnitzer, Vorsitzende Sachverständigenrat der Bundesregierung: "Die Unternehmen behaupten oft, wenn man sie besteuern würde im Falle eines Erbfalles, dann würde das die Existenz des Unternehmens gefährden. Die Evidenz zeigt, dass das mitnichten der Fall ist. Denn zunächst wird ja oft nicht nur das Betriebsvermögen an sich vererbt, sondern durchaus auch Finanzvermögen. Was dann herangezogen werden könnte, um diese Erbschaftsteuer zu begleichen."
Selbst einer der wichtigsten Berater des Finanzministers – der Ökonom Lars Feld – sieht die Steuerprivilegien der Unternehmenserben als Problem. Er findet, alle Arten von Vermögen sollten gleich besteuert werden.
Prof. Lars Feld, Wirtschaftswissenschaftler, Universität Freiburg: "Das wäre eine Steuer mit einem einheitlichen Steuersatz, der nicht höher sein sollte als 10 % auf alle Vermögensarten. Und wenn ein Unternehmen aus Liquiditätsgründen dann Schwierigkeiten hätte, das auf einmal zu bezahlen beim Übergang auf die Erben, dann hätte man die Möglichkeit, mit großzügigen Stundungsregeln zu operieren."
Zehn Prozent statt null Prozent – für Unternehmer Rick die richtige Richtung. Grundsätzlich fordert er aber noch mehr.
Josef Rick, Immobilienunternehmer: "Es sollten die Reichen und Superreichen einen größeren Beitrag zahlen und die, die durch Arbeit etwas erwerben, viel stärker entlasten. Dann hätten wir eine viel gerechtere Gesellschaft."
Das Problem, sagt Rick, seien nicht die Reichen, die Steuerprivilegien nutzen. Das Problem seien Gesetze, die das überhaupt ermöglichen.
Georg Restle: "Nahezu null Prozent Erbschaftssteuer für milliardenschwere Familienunternehmen. Und dann gibt es auch noch Parteien wie die AfD, die die Erbschaftssteuer gleich ganz abschaffen wollen. Daran sieht man, wie verquer manche Diskussionen in diesem Land geführt werden."
Stand: 21.09.2023, 22:15 Uhr
8 Kommentare
Kommentar 8: Trueteam schreibt am 23.09.2023, 20:55 Uhr :
Es ist richtig, dass Großerben ( insbesondere ab 20 Mio. € ) zuwendig Erbschafts-Schenkungssteuer zahlen. Ich würde sagen, hier gehört deutlich höher besteuert, unabhängig ob Privat- oder Betriebsvermögen. Ich würde sagen, dass auf jede Erbschaft- oder Schenkung ab 20 Mio. ein Mindessatz von 35 % fällig werden soll. In der Bayerischen Verfassung wird die Erbschaftssteuer ja auch auf Riesenvermögen bezogen. Im Gegenzug muss aber die Erbschafts- Schenkunggsteuer auf Erbschaften oder Schenkungen bis 10 Mio. Euro verringert werden. Private soziale Vermieter sind hier ganz zu befreien ebenso Betriebsvermögen. Außerdem soll bis 1 Mio. Euro egal welcher Verwandtschaftsgrad zwischen Erben und Erblasser besteht, keine Steuer anfallen. Im Gegenzug soll, aber jeder der ein Haus verkauft eine Pauschalsteuer von 30 % zahlen.
Kommentar 7: Swoboda schreibt am 23.09.2023, 14:39 Uhr :
Schon vergessen ,daß Großunternehmen Millionen Arbeitsplätze schaffen , wenn es mal einen gerechten ÖRR gäbe könnte Restle stempeln gehen
Kommentar 6: Bond-007 schreibt am 22.09.2023, 00:35 Uhr :
Warum werden solche Erkenntnisse weitgehend von Medien verschwiegen? Weil die Medienbesitzer selber zu den Milliardären zählen? Wieso benennt die Partei Die Linke all das nicht intensiv und immer wieder in Presseerklärungen?
Kommentar 5: Aga Bellwald schreibt am 21.09.2023, 22:33 Uhr :
Immerhin gibt es Immobilienhändler, die einsehen, das es sozial ungerecht ist, dass Erb*innen von grossen Immobilienfirmen kaum bis keine Erbschaftssteuern zahlen müssen. Hoffentlich setzt sich diese Erkenntnis endlich durch, es wäre damit allen geholfen, dem Staat und der Gesellschaft.
Kommentar 4: Silke Hörning schreibt am 21.09.2023, 22:11 Uhr :
Es geht nicht darum Familienunternehmen zu schädigen. Es geht darum, dass "Jeder "seinen gerechten Beitrag zahlen muss.
Kommentar 3: Volker Kraus schreibt am 21.09.2023, 22:09 Uhr :
Wozu überhaupt Erbschaftssteuer? Welchen Beitrag hat der Staat, die Länder am Vermögensaufbau, welches vererbt wird. Es ist zu unterstellen, dass beim Aufbau jeglichen Vermögens bereits eine ausreichende Versteuerung stattgefunden hat (Einkommensteuer, Mehrwertsteuer, Abgeltungssteuer, Grunderwerbssteuer (die ebenfalls Mehrfach bei privatem Wiederverkauf erhoben wird) usw.)?
Kommentar 2: Holm schreibt am 21.09.2023, 20:33 Uhr :
So wie ich als Rentner nicht einsehe warum ich meine Rente versteuern muß würde ich es als "Reicher" auch nicht einsehen warum meine Hinterlassenschaft versteuert werden sollte, denn beides wurde bereits versteuert. Was unsere Regierung mit dem Geld macht wissen wir alle. Ggf. würde ich sagen das ich mit Deutschland nichts anfangen kann und mich absetzen. Sonst würde ich übrigens viel Kunst vererben und dann dem Finanzamt viel Spaß bei der Bewertung und wenig Spaß bei den folgenden Prozessen wünschen.
Kommentar 1: Herbert Runde schreibt am 20.09.2023, 11:38 Uhr :
Dann müssen „Kritiker“ auch dazu sagen, wie Familien bei Erbschaft die Familienunternehmen halten können. Ein Ausverkauf an große multinationale Konzerne bei Generationswechsel ist bestimmt nicht die bessere Lösung. Der Wirtschaftsstandort Deutschland wackelt ohnehin.
Antwort von Josef Rick , geschrieben am 21.09.2023, 21:03 Uhr :
Ganz einfach: aus dem laufenden Cash Flow, gern auch verteilt über drei bis fünf Jahre Denn merke: bei 10% Wertsteigerung p.a. Sogt das Vermögen in einer Generation auf das 17fache(!!!). Da sind 20% Erbschaftsteuer leicht finanzierbar
Antwort von Paula Hoffmann , geschrieben am 21.09.2023, 22:35 Uhr :
Wenn es klare Gesetze und Regelungen für die Erbschaftssteuer gibt, dann müssen Unternehmen (kleine wie große) diese einplanen wie jede andere Steuer (bspw. Umsatzsteuer, Gewerbesteuer) auch eingeplant wird. Denkbar wäre auch, dass die Erbschaftssteuer verstetigt gezahlt werden kann also gestundet werden kann.