MONITOR vom 20.08.2020

Erdogans Drohnenkriege: Auch dank deutscher Technologie?

Bericht: Jochen Taßler, Nikolaus Steiner, Otfried Nassauer

Erdogans Drohnenkriege: Auch dank deutscher Technologie? Monitor 20.08.2020 08:13 Min. UT Verfügbar bis 20.08.2099 Das Erste Von Jochen Taßler, Nikolaus Steiner, Otfried Nassauer

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Georg Restle: „Corona drängt andere wichtige Themen immer wieder in den Hintergrund, das hört man öfter. Und es gilt ganz sicher für die großen militärischen Konflikte unserer Zeit. Wie die in Libyen oder Syrien, wo zunehmend solche Waffen zum Einsatz kommen, in denen eine ganze Menge deutscher Technologie stecken dürfte. Es handelt sich um Gefechtsköpfe – gezielt abgefeuert von Drohnen. Der oberste Kriegsherr über genau diese Waffen sitzt in der Türkei und mischt kräftig mit in den aktuellen Konflikten, sei es in Syrien oder Libyen oder im eigenen Land. Wie wichtig dem türkischen Präsidenten Erdogan diese neuen Waffen dabei sind, kann man auf Bildern wie diesem sehen, wo er die Drohnen sogar per Hand signiert. Der Aufstieg der Türkei zur Drohnenmacht und welche Rolle deutsche Rüstungsexporte dabei spielen: Eine Recherche von Jochen Taßler, Nikolaus Steiner und Otfried Nassauer.“

Hier dürfte deutsche Technologie zum Einsatz kommen. Präzisionsmunition, abgeschossen von türkischen Drohnen gegen syrische Stellungen im März. Präsentiert in einem Video des türkischen Militärs.

Brian Castner, Waffenexperte Amnesty International (Übersetzung Monitor): „Die Türkei rüstet militärisch auf. Sie ist in immer mehr Ländern aktiv und fliegt ständig Luftangriffe.”

Syrien, Nordirak, Libyen. Es gibt kaum einen Konflikt in der Region, in dem der NATO-Partner Türkei nicht militärisch mitmischt.

Simone Wisotzki, Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung: „Also wenn man es vergleicht mit der früheren Politik der Türkei, ist es ein deutlich aggressiveres Auftreten.”

Und in Teilen völkerrechtswidrig, sagt der wissenschaftliche Dienst des Bundestages. Trotzdem hat die Bundesregierung jahrelang zugelassen, dass Technologie für Munition von türkischen Drohnen und Hubschraubern exportiert wurde. Munition, ohne die die Türkei ihre Kriege so wohl nicht führen könnte.

Simone Wisotzki, Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung: „Wenn die Türkei darüber nicht verfügt hätte, hätte sie vermutlich noch fünf bis zehn Jahre gebraucht, um selbstständig in der Lage gewesen zu sein, solche Technologie dann auch herzustellen und einzusetzen.”

Türkische Drohnenkriege – „made in Germany”? Der Reihe nach.

Unter Präsident Erdogan hat die Türkei in den vergangenen Jahren aufgerüstet. Drohnen spielten dabei eine wichtige Rolle. Seine Vorzeigemodelle signiert Erdogan gerne vor laufenden Kameras.

Samuel Brownsword, Drone Wars UK (Übersetzung Monitor): „Wie die Türkei ihre bewaffneten Drohnen in koordinierten Offensiven gegen andere Militärs einsetzt, ist einzigartig. Ich würde wirklich sagen, dass das Land zu den fortschrittlichsten neuen Nutzern bewaffneter Drohnen gehört.”

Es gehe um den „Kampf gegen Terroristen”, sagt die Türkei. Doch die Drohnen töten auch Zivilisten. Im Juni erst wurden in der Nähe von Kobane in Syrien drei Frauen getötet. Zwei von ihnen waren Frauenrechts-Aktivistinnen. Verbindungen zu terroristischen Gruppen hatten sie nicht. Meldungen dieser Art gibt es viele.

In offiziellen Berichten tauchen zivile Opfer nicht auf. Die Regierung veröffentlicht lieber Videos, die zeigen, wie angebliche Terroristen aus der Luft getötet werden. PKK-Führer Ismail Özden etwa 2018. Und auch in militärischen Offensiven werden Drohnen immer wichtiger. Allein beim groß angelegten Drohnenangriff im syrischen Idlib im März sollen laut Regierung in wenigen Tagen über 100 Panzer zerstört und über 2.000 syrische Kämpfer getötet worden sein.

Regierung und Hersteller betonen gerne, wie treffsicher ihre Drohnen sind. Auch wegen der modernen Waffen, mit denen die Drohnen – aber auch Hubschrauber – bewaffnet sind. Präzisionsraketen, produziert vor allem vom quasi staatlichen Hersteller Roketsan. Hergestellt würden Raketen und Munition im eigenen Land, betont die Türkei gerne. Doch MONITOR-Recherchen zeigen nun, bei ihrer Entwicklung hat Roketsan offenbar Hilfe aus Deutschland bekommen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen hervor. Darin heißt es, es seien Lieferungen von „Bauteilen, Gefechtsköpfen und Technologie” für die „Panzerabwehrlenkwaffen LRAT und MRAT” genehmigt worden. Was technisch klingt, heißt übersetzt: Es wurde offenbar Knowhow für eine ganze Reihe türkischer Raketen geliefert. Denn MRAT und LRAT sind Bezeichnungen für bestimmte Raketentypen. In der Türkei werden sie unter den Namen OMTAS und UMTAS hergestellt. Auf Basis der UMTAS wurde die sog. MAM-L entwickelt. Laut Roketsan baugleich bis auf den Antrieb. Sie gehört zur Standardbewaffnung türkischer Drohnen. In all diesen Raketen dürfte deutsches Knowhow stecken. Konkret geht es um „Tandem-Gefechtsköpfe”. Komplexe Sprengsysteme, speziell dafür konstruiert, gepanzerte Ziele zu zerstören. Für die Türkei dürfte dieser Technologietransfer ein großer Vorteil gewesen sein, vermuten Experten.

Brian Castner, Waffenexperte Amnesty International (Übersetzung Monitor): „Die Technologie, die Materialien und alle die Arbeitsschritte zu entwickeln, braucht einfach Zeit. Solche Technologietransfers geben eine Art Anleitung. Die Türkei kann damit sehen, wie deutsche Ingenieure verschiedene Probleme gelöst haben. Es ist eine Art Abkürzung.“

Die „Abkürzung” kam vom deutschen Gefechtskopf-Spezialisten TDW. Er wird explizit als Lieferant genannt. Und wirbt auch in einer firmeneigenen Präsentation damit, dass man Gefechtsköpfe für die Türkei produziert habe. Die Bundesregierung listet seit 2010 eine Reihe von Genehmigungen für Entwicklung und Technologie auf, bis ins Jahr 2018 hinein. Geringe Stückzahlen, aber regelmäßig.

Brian Castner, Waffenexperte Amnesty International (Übersetzung Monitor): „Das Wahrscheinlichste ist für mich, dass die Zahl der Gefechtsköpfe genau richtig war, um es den Ingenieuren in der Türkei zu ermöglichen, die Gefechtsköpfe zu verstehen und nachzubauen. Auf diese Art kann die Türkei lernen, ihre eigenen zu bauen.“

Inzwischen ist die Türkei dazu in der Lage. Dank der deutschen Technologie? Roketsan lässt eine MONITOR-Anfrage dazu unbeantwortet. Und auch TDW antwortet auf Fragen nicht konkret, sondern teilt lediglich mit, man halte sich

Zitat: „uneingeschränkt an die geltenden Exportregularien”.

In den vergangenen Jahren hat die Bundesregierung sich gleich mehrmals verpflichtet, keinen Export von Waffen oder Rüstungsgütern zu genehmigen, wenn absehbar ist, dass sie in völkerrechtswidrigen Konflikten eingesetzt werden. So steht es in den eigenen politischen Grundsätzen und auch im Waffenhandelsvertrag. Dass die Türkei Völkerrecht bricht, ist weitgehend unumstritten. Warum die Bundesregierung die Lieferungen all die Jahre trotzdem genehmigt hat – dazu nimmt sie auf Anfrage keine Stellung. Man beobachte die Entwicklungen in der Türkei genau, heißt es nur. Bei Rüstungsexporten gebe es seit 2016 eine vertiefte Einzelfallprüfung. Bei den Lieferungen für die Drohnen-Munition war das offenbar kein Hindernis. Sie gingen auch danach weiter. Für die Rüstungsexpertin der Grünen, Katja Keul, vollkommen unverständlich.

Katja Keul (B‘90/Grüne), Mitglied des Verteidigungsausschusses: „Innerhalb der Kriegswaffen sind halt gerade Gefechtsköpfe tödlich wirkende Mittel, die auf verschiedene Waffen aufgesetzt werden können und deswegen muss hier natürlich besonders hingucken. Und wenn man dann dafür auch noch die Technologie liefert, die dem Empfänger ermöglicht, das dann möglicherweise selber zu produzieren, hat man am Ende die Kontrolle aus der Hand gegeben, was sicherheitspolitisch unverantwortlich ist.“

Wie wurde die deutsche Technologie in der Türkei konkret genutzt? Wurde sie auch an andere weitergegeben? Wo kommt sie zum Einsatz? Zu all diesen Fragen liegen der Bundesregierung nach eigener Aussage keine Erkenntnisse vor. Vielleicht will sie es aber auch gar nicht so genau wissen.

Georg Restle: „Wahrscheinlich das.“

Kommentare zum Thema

  • N.Con 15.04.2022, 19:18 Uhr

    Hmm also völkerrechtswidrig ist die Türkei und Amerika und Russland und auch Deutschland wurde erlaubt da rein zu gehen... Die Türkei durfte nach Syrien ... Die haben einen Vertrag und je näher die Grenze von Terroristen besetzt wurde desto gefährlicher wurde es für das Land! Es wurden Mehrere Tunnel gefunden die unter der Grenze in die Türkei führten, Die professionell gebaut wurden. Die einzigsten die illegal in diese Länder sind, sind die westlichen Länder! Sie haben den nahen Osten zerstört haben Kurdisch stämmige Menschen benutzt und am Ende alleine gelassen.. Sowie auch Afganistan.. Es gab ncihts mehr zu holen. Der Irak wurde beklaut und wurde illegal angegriffen was hinterher bewiesen wurde. Niemand wurde dafür bestraft. Wenn ihr schreibt dann schreibt ehrlich. Und gebt nicht alleine einem Land die Schuld!!!

  • M.S.Dalli 01.02.2021, 22:39 Uhr

    Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er gegen unsere Netiquette verstößt. (die Redaktion)

  • AlexDie 18.12.2020, 19:09 Uhr

    DIE Türkei muss klar sanktioniert werden eu muss mit usa gegen die Türkei vorgehen viele Moschen unterstützen erdogan in Deutschland die menzil Sekte in adiyaman Unterstützt auch erdogan