Die Macht der Tech-Milliardäre: Angriff auf die Demokratie

Monitor 23.01.2025 11:59 Min. UT Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste Von Andreas Maus, Julius Baumeister

MONITOR vom 23.01.2025

Die Macht der Tech-Milliardäre: Angriff auf die Demokratie

Bei der Amtseinführung von Donald Trump demonstrierten die Chefs der Tech-Giganten X, Meta, Google und TikTok ihre Nähe zum US-Präsidenten. Fachleute sehen eine wachsende Bedrohung für liberale Demokratien, weil die Plattformen offenbar rechtspopulistische oder extreme Positionen bevorzugen – und Wahlen massiv beeinflussen können. Wie können sich Demokratien dagegen schützen – und was bedeutet das für die Bundestagswahl?

Von Andreas Maus, Julius Baumeister

Kommentieren [95]

Georg Restle: "Elon Musk und sein Hitlergruß. Sind wir schon wieder so weit oder ist das alles nur ein übler Scherz? Hallo und willkommen bei MONITOR! Ja, Donald Trumps rechte Hand nennen viele den Tech-Milliardär Elon Musk – und das kann man dann durchaus wörtlich verstehen. Denn wenn sich Musk mit seiner Plattform X weltweit in die Politik einmischt, dann meistens stramm auf der Seite von Rechtspopulisten und Rechtsextremisten. Und das dann gleich mit millionenfachen Reichweiten, die er sich – wie praktisch – selbst verschaffen kann. Das ist dann eben kein übler Scherz, sondern knallhartes politisches Kalkül mit Blick auf die rechtsextreme Anhängerschaft. Das gilt für Elon Musk und das gilt für Donald Trump erst recht. Zu beobachten direkt nach seiner Amtseinführung, als der frisch vereidigte US-Präsident per Dekret Hunderte Straftäter begnadigte, die am 6. Januar 2021 das US-Kapitol gestürmt hatten. Darunter jede Menge äußerst gewalttätiger Rechtsterroristen.

Donald Trump (Übersetzung MONITOR): "Kommen wir zum 6. Januar – das sind die Geiseln. Etwa 1.500 werde ich vollständig begnadigen."

Georg Restle: "Rechtsterroristen als "Geiseln", die befreit werden müssen – auch das kein Scherz. Dieser Mann hier zum Beispiel: Eric Tarrio; zu 22 Jahren Haft verurteilt, laut Gericht der "höchste Anführer der Verschwörung", bei der fünf Menschen starben. Jetzt schon ist der Mann auf freiem Fuß. Oder Steward Rhodes, Gründer der rechtsextremen Miliz "Oath Keepers"; 18 Jahre Haft wegen Terrorismus – auch er hat das Gefängnis bereits verlassen. Oder dieser Mann hier, an den sich viele von Ihnen sicher erinnern werden: Jacob Chansley, der Mann im Schamanenkostüm. Er bedankte sich sogar ausdrücklich bei Donald Trump: "Danke Präsident Trump. Ich werde mir jetzt erstmal ein paar "motherfucking Schusswaffen kaufen". Gepostet, na klar, auf der Plattform X, der Plattform von Elon Musk. Alles ganz ernst gemeint also: die Verbrüderung mit Terroristen, die Verbreitung rechtsextremer Gesten und Parolen im Internet. Und damit sind wir beim großen Thema: Wie gefährlich können Social-Media-Plattformen wie X oder TikTok für die Demokratie werden? Können über diese Plattformen Wahlen auch von außen beeinflusst werden? Kann man damit sogar Rechtsextremisten zum Sieg verhelfen? Auch hier in Deutschland? Ja, kann man, wenn nichts dagegen unternommen wird. Ist sogar schon gelungen, und das mitten in Europa – erst letztes Jahr. Andreas Maus, Petra Blum und Julius Baumeister."

Wir nennen sie "soziale" Medien. Milliarden Menschen nutzen sie als Informationsquelle – oft viele Stunden am Tag. Wer sie kontrolliert, hat Macht – viel Macht. Darüber, was Menschen erfahren, glauben, fühlen, wählen. Einer wie er. Elon Musk, der Boss von X, ehemals Twitter. Oder er, Mark Zuckerberg von Meta; mit Facebook, Whatsapp, Instagram. Sie haben diese Macht und wollen mehr davon – wirtschaftlich, politisch. Für ihre Agenda haben sie jetzt den passenden Präsidenten: Donald Trump. Bei seiner Amtseinführung sind sie alle da – die Tech-Milliardäre an der Seite des neuen US-Präsidenten.

Elon Musk: "This is what victory feels like … yeah!"

Es ist auch ihr Sieg – und eine Kampfansage.

Claus Leggewie, Politikwissenschaftler, Justus Liebig Universität Gießen:"Was wir beobachten, ist das Umkippen einer Demokratie in eine Plutokratie. Die Direktherrschaft der Superreichen, die nicht etwa nur Hintenrum ihren Einfluss geltend machen, sondern die tatsächlich direkt nach der Macht greifen."

Elon Musk gehört zu Trumps Team. Mit seiner milliardenschweren Plattform X will er sich keinen Regeln mehr unterwerfen. Stattdessen die eigenen Regeln durchsetzen. Mit X macht er Wahlkampf für rechte und rechtsextreme Parteien – in Italien, Großbritannien und in Deutschland. Spätestens jetzt sollten alle Alarmglocken schrillen, sagt Constanze Kurz.

Constanze Kurz, Chaos Computer Club, Hamburg: "Diese Plattformen sind Gefahren für die Demokratie, ja. Und sie sind mitschuldig an dem Rechtsruck in vielen Gesellschaften. Sie haben auch Wahlen aktiv mit beeinflusst, das ist bewiesen."

Plattformen, die Wahlen beeinflussen? Deren Algorithmen darüber mitbestimmen, von wem wir regiert werden? Antworten dazu finden wir in Rumänien. Wir sind unterwegs in Bukarest, zu einem Treffen mit Journalisten des investigativen Nachrichtenportals SNOOP. Iulia Rosu und Razvan Lutac. Sie arbeiten seit Wochen im Ausnahmezustand – seit die Präsidentschaftswahlen im November ein politisches Erdbeben auslösten. Ein extrem rechter, prorussischer Kandidat kam aus dem Nichts, wurde über Nacht Sieger bei der ersten Runde der Wahl. Einer, den niemand auf dem Zettel hatte. Calin Georgescu – eine riesige Überraschung. Wie war das möglich und welche Rolle spielte dabei eine der größten Social-Media-Plattformen der Welt: TikTok. Die Journalisten von Snoop recherchierten wochenlang. Und fanden heraus, wie sich Botschaften des rechtsextremen Kandidaten quasi über Nacht millionenfach verbreiteten. Über Tausende TikToK-Accounts.

Răzvan Luțac, Snoop, Bukarest (Übersetzung MONITOR): "Die rumänischen Sicherheitsbehörden haben dann veröffentlicht, dass 25.000 Konten genutzt wurden, die sozusagen eingefroren waren."

Iulia Roșu, Snoop, Bukarest (Übersetzung MONITOR): "Manche von ihnen wurden schon vor Jahren erstellt, sie wurden aber erst zwei Wochen vor der Wahl wieder aktiv. Und so startete es von Fake-Konten und erreichte aber dann echte Menschen."

Und so soll das abgelaufen sein: Inhalte und Botschaften des rechtsextremen Kandidaten wurden zuerst auf einigen Kanälen des Messenger-Dienstes Telegram koordiniert. Dann wurden die TikTok-Konten aktiviert bzw. reaktiviert. Diese spielten sich die Inhalte untereinander zu. Der TikTok-Algorithmus sprang darauf an. Die Botschaften gingen viral und kreierten millionenfache Klicks. Und das nicht nur bei TikTok, sondern auch auf anderen Social-Media-Plattformen. Und mehr noch, bei einer anderen Kampagne erstellten Influencer gegen Bezahlung solche TikTok-Videos. Diese wurden dann über einen Hashtag mit der Kampagne des rechtsextremen Kandidaten verbunden. Und auch millionenfach aufgerufen. Hat der Algorithmus einer Social-Media-Plattform tatsächlich geholfen, einen rechtsextremen Kandidaten an die Macht zu bringen? Fast – Anfang Januar wird die Wahl vom rumänischen Verfassungsgericht annulliert. Rumänische Geheimdienstunterlagen sprechen von ausländischer Einflussnahme – russischer Einflussnahme? Der Verdacht steht im Raum.

Iulia Roșu, Snoop, Bukarest (Übersetzung MONITOR): "Die TikTok-Kampagne gleicht einer Manipulationskampagne, die Russland vor dem Angriff auf die Ukraine durchgeführt hat. Sie wurde "Bruder zu Bruder" genannt."

Wahlbeeinflussung über Social-Media. Politische Einflussnahme von außen. TikTok sagt, man habe in Rumänien reagiert und Tausende gefälschter Konten wegen verdeckter Einflussnahme gelöscht. Aber ist das nur ein Problem in Rumänien? Und nur von TikTok? Was ist mit den anderen Social-Media-Plattformen?

Constanze Kurz, Chaos Computer Club: "Man muss sich immer klar machen, was der Geschäftszweck dieser Plattform ist. Und dieser Geschäftszweck – nämlich Werbung – hat natürlich das Manipulative schon einfach drin in der Software. Insofern ist die Software immer darauf optimiert, bestimmte Manipulationen durchzuführen. Dass das auch politische Akteure tun mit ein bisschen Geld, was sie in die Hand nehmen, ist eigentlich nur selbstverständlich."

Ist das, was in Rumänien beobachtet wurde, also auch in Deutschland möglich? Wo die AfD auf TiKTok so erfolgreich ist wie keine andere Partei? Wir starten einen Selbstversuch, wollen wissen, wie schnell man auf TikTok auf extrem rechte Inhalte stößt und hineingezogen wird in eine AfD-Blase. Wir bestücken verschiedene Handys mit neuen SIM-Karten und legen völlig neue TikTok-Konten an. Wir schauen uns die vorgeschlagenen Inhalte an – ohne Vorlieben, ohne zu suchen. Schon nach wenigen Minuten bekommen wir den ersten AfD-nahen Inhalt angezeigt, den wir nur ein paar Sekunden länger anschauen. Aber wir liken ihn nicht. Nur Minuten später zeigt uns der Algorithmus fast nur noch rechte Videos an.

Reporter: "Was wir sehen, ist, dass wir sehr viel von AfD-Content eingespielt bekommen und vergleichsweise sehr wenig von anderen Parteien beziehungsweise eigentlich gar keinen Inhalt anderer Parteien. Und das ist schon sehr auffällig – vor allen Dingen in der Kürze der Zeit."

Klar, es sind nur Selbstversuche, keine repräsentative Untersuchung. Dennoch, wie ist zu erklären, dass man den Inhalten der AfD auf TikTok kaum ausweichen kann? Julian Hohner forscht in München zu Social-Media-Plattformen. Wie bewertet er unsere Beobachtungen?

Julian Hohner, Ludwig-Maximilians Universität, München: "Es überrascht nicht, dass in dem fünften Video bereits ein Video über Alice Weidel ist. Denn die Werkzeuge, die Kommunikationswerkzeuge, die sie benutzen, populistische Darstellungsweisen für Simplifizierung von Inhalten, sehr emotional geladene Videos, Erzeugung von Furcht und Angst um Krisenwahrnehmungen zu steigern. Das alles wird vom Algorithmus bevorzugt und führt dazu, dass die Views und die Engagementzahlen auf TikTok für die AfD deutlich höher sind als die für die anderen Parteien."

Es ist also auch die Art der Inhalte, die die Präsenz der AfD auf TikTok befeuert. Aber in welcher Dimension? Wir sind unterwegs in Prag, zu einer Verabredung mit Josef Šlerka von der Charles Universität. Schon zur Europawahl wertete der Datenanalyst die Aktivitäten der AfD auf TikTok aus; warnte schon damals vor einer Flut von AfD-Inhalten, die bis heute noch einmal massiv angewachsen ist.

Josef Šlerka, Karls-Universität, Prag (Übersetzung MONITOR): "Es gibt einen enormen Zuwachs an Interaktion von Nutzern mit den AfD-Inhalten. Wegen dieser Interaktion spült der Algorithmus die Inhalte weiter nach oben. Heute sehen wir, dass viele der AfD-Konten und solche, die mit dem AfD-Netzwerk verbunden sind, ihr Publikum verdoppelt haben, ihre Reichweite verdoppelt haben."

Die Reichweite der AfD-Inhalte, sagt Šlerka, werde über ähnliche Mechanismen erhöht wie in Rumänien. Kann das sein? Jedenfalls bestätigt uns TikTok, dass auch hier mehrfach Netzwerke und Konten wegen verdeckter Einflussnahme für die AfD entfernt wurden. Und die AfD? Antwortet uns nicht. Die Umfragewerte der Partei steigen seit Monaten. Auch dank steigender Reichweiten auf den Social-Media-Plattformen – und ihrer Algorithmen.

Startseite Monitor

Stand: 24.01.2025, 12:00 Uhr

Kommentare zum Thema

Kommentar schreiben

Unsere Netiquette

*Pflichtfelder

Die Kommentartexte sind auf 1.000 Zeichen beschränkt!

95 Kommentare

  • 95 Kirchenmaus 12.02.2025, 11:08 Uhr

    Viele unserer sich immer wieder sich selbst lobend als Demokraten bezeichnende Politiker welche die USA für mich sichtbar anbeten sollten darüber n ...weiterlesen

  • 93 D. B. 10.02.2025, 18:40 Uhr

    „Angriffe auf die Demokratie“? Wie würden Sie denn die derzeitige Hetze im sogenannten „Wahlkampf“ bezeichnen? Jetzt vor der Wahl hetzt jeder gegen ...weiterlesen

  • 91 Berta 09.02.2025, 19:30 Uhr

    Die politische Führung der USA fordert von Dänemark das Grönland an die USA abzutreten, fordert von Kanada sich den USA anzuschließen. Panama „knebe ...weiterlesen