Bericht: Jochen Taßler, Felix Stühlinger
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Georg Restle: „Der Terroranschlag von Halle hat uns wieder einmal daran erinnert, wie schnell aus rechtsextremen Ideologien Terrorismus wird und wie wichtig es deshalb ist, zivilgesellschaftliche, demokratische Einrichtungen und Projekte zu stärken. Sagt auch die Bundeskanzlerin.“
Angela Merkel: „Hass, Rassismus und Antisemitismus dürfen keinen Platz in unserem Land haben. Und hier mit der Konsequenz unseres Rechtsstaats kann diesem Ziel nichts besser dienen als ein vielfältiges, zivilgesellschaftliches Engagement.“
Georg Restle: „Die Wahrheit ist allerdings: Immer mehr zivilgesellschaftliche Projekte geben auf, engagierte Menschen ziehen sich zurück – vor allem auf dem Land, vor allem in Ostdeutschland. Weil sie sich alleingelassen fühlen von Staat und Politik, weil sie kaum oder keine finanzielle Unterstützung erhalten. Jochen Taßler und Felix Stühlinger.“
Tobias Burdukat ist Jugendsozialarbeiter. Mitten in Sachsen, in Grimma, hat er ein Jugendzentrum aufgebaut. Das „Dorf der Jugend“. Ein Raum, in dem Jugendliche kreativ sein können. Das Meiste machen und organisieren sie selbst, kümmern sich ums Gelände, veranstalten Konzerte. Für seine Arbeit hier hat Burdukat Preise bekommen, Hilfe von Staat und Politik dagegen kaum. Jahrelang hat er für dieses Projekt gelebt. Jetzt hat sich Burdukat aus der Sozialarbeit vor Ort zurückgezogen. Der tägliche Kampf um Geld und Unterstützung wurde ihm irgendwann zu viel.
Tobias Burdukat, Jugendsozialarbeiter: „Ich kann das aktuell nicht mehr, ich kann nicht noch mal zehn Jahre meines Lebens investieren, um die immer gleichen Debatten zu führen. Also, es ist wirklich so, es sind die immer gleichen Diskussionen, und es wird eigentlich trotz dessen, dass man diese Diskussionen führt, immer bescheidener.”
Dabei ist Burdukat Sozialarbeiter aus Überzeugung. Das „Dorf der Jugend“ sieht er auch als Projekt gegen rechts. Gerade in einer Region mit gefestigten, rechten Strukturen.
Tobias Burdukat, Jugendsozialarbeiter: „Du kannst hier in der Umgebung jedes zweite Wochenende, wenn du möchtest, auf ein Nazikonzert gehen. Es gibt hier krasse Hooligan-Strukturen von einschlägigen Fußballclubs. Und dort dockst du als junger Mensch, wenn du nichts anderes hast, halt irgendwann an.“
Auf das Projekt gäbe es regelmäßig Angriffe, erzählt uns Burdukat. Vor ein paar Wochen erst hätten Unbekannte den Außenbereich zerstört. Sonnenschirme seien herausgerissen, selbstgebaute Möbel demoliert worden.
Reporter: „Kommt das häufig vor?”
Tobias Burdukat, Jugendsozialarbeiter: „Ja, das kommt schon immer mal vor. Die Ausprägung ist immer unterschiedlich. Manchmal sind es bloß kleine Sachen, mal sind es Hakenkreuz-Schmierereien überall. Aber es kommt halt in regelmäßigen Abständen leider vor.”
Viel Gegenwind, kaum Unterstützung. Viele Projekte geben deshalb auf, gerade im Osten. Die Zivilgesellschaft müsse dagegenhalten, sagt Burdukat. Aber kontinuierliche Arbeit mit Jugendlichen sei unter den aktuellen Bedingungen kaum möglich.
Brandenburg – zwei Autostunden von Berlin entfernt. Ländlicher geht es kaum. Angebote für Jugendliche sind begrenzt. Der Jugendraum in Wittstock ist ziemlich in die Jahre gekommen. Weil Personal fehlt, ist er nur ein paar Tage in der Woche auf, für ein paar Stunden. Dabei sind solche Räume für die Jugendlichen wichtig.
Lea Sophie Hirschmüller: „Man kann hier nicht viel machen. Ich sag mal so, wenn du nicht 16 bist, kannst du nirgendwo feiern gehen, sag ich jetzt mal. Und hier kann man sich zusammen irgendwo treffen und kann was unternehmen. Weil man kann nicht immer zu irgendeinem nach Hause.”
Wenige Angebote, viel Frust. Auch um dagegen zu arbeiten organisieren Stadt und Bildungsträger hier sogenannte „Demokratiewerkstätten”. Jugendliche aus der Region treffen sich für ein Wochenende und diskutieren, wie sie ihre Stadt lebenswerter machen können. Ihre Ideen stellen sie der Kommune vor. Skatepark, Jugendclub – einiges ist umgesetzt worden.
Uta Lauterbach, Jugendsozialarbeiterin: „Wir sind das einzige Projekt in dieser Region, das versucht mit Kindern und Jugendlichen basisdemokratisch zu arbeiten. Das ist etwas, was sie hier in keinster Form irgendwoher kennen.”
Seit einigen Jahren werden die „Demokratiewerkstätten” auch mit Fördergeldern des Bundes unterstützt, über ein Modellprojekt. So konnten sie von Fachleuten pädagogisch begleitet werden. Jugendliche, Stadt, alle hätten profitiert, sagen sie hier. Vom Wissen und den Netzwerken, die entstanden seien. Der Träger wollte das Projekt deshalb ausweiten und auch mit anderen Städten in der Region arbeiten. Aber der Bund hat den Antrag abgelehnt. Statt mehr wird es nun wohl weniger „Demokratiewerkstätten” geben.
Sven Lippke, Jugendbeauftragter Wittstock: „Wenn man den Kindern jetzt diese Basis nimmt, wo sie sich alle treffen und darüber reden können und ihre Ideen mit einbringen können, wird das schon schwierig, die Kinder irgendwie in einem anderen Rahmen dazu zu begeistern.”
Robert Sprinzl, DGB-Jugendbildungsstätte Flecken Zechlin: „Man hat sich hier gerade was aufgebaut, und das wird jetzt wieder eingerissen. Was man hier machen müsste, ist ein konsequenter Aufbau von Infrastruktur und nicht ein weiterer Abbau.“
Modellprojekte wie das in Nordbrandenburg gibt es viele in Deutschland. Knapp 300 wurden bislang vom Bund gefördert. Sie gelten als wichtige Bausteine der Demokratiearbeit, weil sie innovative Ideen und Methoden entwickeln. So entsteht Fachkompetenz, die auch andere vor Ort nutzen können. Aber viel davon droht verloren zu gehen. Bundesweit bekommen gerade viele Modellprojekte Bescheid, dass sie künftig nicht gefördert werden. Krisentreffen in Berlin. Jeder, der hier sitzt, hat eine oder mehrere Absagen bekommen. Etwa für Modellprojekte von und für Migranten, gegen Diskriminierung oder gegen Ausgrenzung.
Edwin Greve, Migrationsrat Berlin e.V.: „Für uns ist das ein schwerer Schlag gegen unser Engagement, das wir für eine vielfältige Gesellschaft versuchen zu leisten.”
Timo Reinfrank, Amadeu Antonio Stiftung: „Wir versuchen, Antworten auf den Rechtsruck in dieser Gesellschaft zu finden und auf rechten Terror zu antworten. Und das ist offensichtlich gerade nicht die Agenda des Ministeriums.”
Gemeint ist das Familienministerium. Von dort kommen die Mittel für die Modellprojekte. Aus dem Programm „Demokratie leben!”, dem größten Programm des Bundes für Demokratie und Zivilgesellschaft. Gerade geht es in eine neue Förderperiode. Der Bedarf wächst, aber die Bundesregierung will nicht mehr Geld ausgeben. Stattdessen wird umstrukturiert. Das Budget von „Demokratie leben” liegt bei 115,5 Millionen Euro. Davon werden verschiedene Bereiche gefördert. Die innovativen Modellprojekte, aber auch Strukturförderung auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene. Das können Opferberatungen sein, oder kleine Dinge wie Aktionstage. Das Ministerium will künftig mehr Geld in diese Strukturförderung stecken. Geld, das dort gebraucht wird. Aber weil der Gesamtbetrag gleich bleibt, wird die Zahl der Modellprojekte dadurch deutlich sinken. Auf MONITOR-Anfrage sagt das Ministerium, man werde einen
Zitat: „stärkeren Fokus auf die Arbeit der Zivilgesellschaft vor Ort legen.”
Was das für die Zivilgesellschaft vor Ort heißt, kann man in Chemnitz sehen. Franz Knoppe arbeitet bei einem Kulturverein in Chemnitz. Der Verein macht unter anderem Kultur- und Theaterprojekte zum Thema Rechtspopulismus. Neue Erzählformen finden, den öffentlichen Raum nicht den Rechten überlassen – gerade in Chemnitz. Drei Viertel des Vereinsbudgets hingen an der Modellprojekt-Förderung, sagt Knoppe. Doch die wird es bald nicht mehr geben. Das Ministerium hat den Antrag abgelehnt.
Franz Knoppe, Verein ASA-FF: „Wir haben Preise bekommen, sieben Stück für diesen Ansatz, und die sagen, es ist ganz toll was ihr macht. Die Bundesministerin selbst war da und hat gesagt, wir stärken euch den Rücken, und dann fühlt sich das nicht gut an, wenn man eigentlich denkt, alle sagen hier ist super, und dann bekommt man keine Förderung. Dann fragt man sich, was ist das dann wert?”
In Chemnitz hat das Ministerium gleich mehrere Modellprojekte abgelehnt. Finanziell kann die Stadt das nicht kompensieren. Sie bekommt künftig pro Jahr 25.000 Euro mehr an Regelförderung. Ein einzelnes Modellprojekt kann bis zu 200.000 Euro pro Jahr kosten. Und auch inhaltlich sei der Wegfall der Modellprojekte ein Problem, sagt Ines Vorsatz von der Stadt Chemnitz. Die Kommune arbeite eng mit ihnen zusammen, in der Gewaltprävention etwa. Und auch dort stehe ein Modellprojekt vor dem Aus.
Ines Vorsatz, Stadt Chemnitz: „Wir haben dort eine einmalige Konstruktion geschaffen und erprobt, die Kinder, Eltern, Pädagogen betrifft. Also dass sozusagen das ganze System dort einbezogen wird in Gewalt und Radikalisierungsprävention, in Schaffung sozialer Kompetenzen. Und das würde dann wegfallen. Und das wäre wirklich, also, sehr, sehr schlecht.“
Ministerin Giffey will sich nun für ein Gesetz stark machen, das die dauerhafte Finanzierung von Demokratiearbeit sicherstellen soll. Aber darauf kann sich die Regierung schon seit Jahren nicht einigen. Die Modellprojekte werden nicht darauf warten können. Anfang des Jahres werden viele ihre Arbeit einstellen müssen. Bis die nächste Kurzzeit-Förderung kommt – vielleicht.
Georg Restle: „Eine Politik, die nicht ohne Folgen bleibt. Denn wo sich Demokraten zurückziehen, füllen andere die Lücke. Und diese Gefahr besteht überall – nicht nur in Ostdeutschland.“
Kommentare zum Thema
In der Zusammenfassung: Zumeist Nichteuropäer genannt Flüchtlinge müssen erst SEIT(!) dem Jahre 2015 ff urplötzlich vor Krieg, Bürgerkrieg, persönlicher Verfolgung, Armut, Hunger, wirtschaftliche Perspektivlosigkeit usw Richtung Mitteleuropa insbesondere jedoch Richtung Deutschland FLIEHEN, WEIL es dies ALLES VOR dem Jahre in DEREN jeweiligen Heimatländer in Wahrheit überhaupt NICHT gab! Denn wären zum Beispiel in Menschen in Schwarzafrika in dem letzten 1 Million Jahren VOR dem Jahre 2015 ff persönlich JEMALS arm gewesen, wären diese aus diesen einfachen Grund ja auch schon VOR dem Jahre 2015 nach Deutschland geflohen! Armut, Hunger und wirtschaftliche Perspektivlosigkeit kann es AUSNAHMSLOS NUR ausserhalb der EU- Staaten, aber NIEMALS innerhalb der EU Staaten geben, denn ansonsten wären auch ja mittellose EU- Bürger hier in Deutschland sogenannte "Flüchtlinge"! Sind diese Menschen jedoch aus dem Grunde einfach NICHT, da EU- Bürger in Wahrheit NIEMALS arm sein können!
Ja, heutzutage ALLES irgendwie total Fascho außer ICH und Mutti Merkel! Aber so was von Fascho!
Chronische Unterfinanzierung , aber nicht doch! Man könnte ein paar Millionen vom öffentlich rechtlichen Rundfunk abzweigen. Sozusagen für einen GUTEN!! Zweck. Merkt doch keiner, oder? Dann wäre diese aus dem Ruder gelaufene Arbeitsbeschaffungsmaßnahme doch noch für was gut. Demokratie statt Verblödung! Hurra!