MONITOR vom 30.04.2020

Dax-Konzerne in der Corona-Krise: Staatshilfen für Steuervermeider?

Bericht: Achim Pollmeier, Niklas Schenk

Dax-Konzerne in der Corona-Krise: Staatshilfen für Steuervermeider? Monitor 30.04.2020 06:58 Min. UT Verfügbar bis 30.04.2099 Das Erste Von Achim Pollmeier, Niklas Schenk

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Detlef Scheele, Vorstandsvorsitzender Bundesagentur für Arbeit: „Man kann nicht daran vorbei, es ist die größte Rezession, die die Bundesrepublik erlebt hat, schlimmer war es nie. Und so umfassend war sie auch nie.“

Georg Restle: „Sagt der Chef der Bundesagentur für Arbeit heute. Klingt dramatisch, sehr dramatisch. Guten Abend und willkommen bei MONITOR. Eine nie gekannte Rezession und nie gekannte Milliardenhilfen des Staates. Von BASF bis VW. Es gibt kaum ein größeres Unternehmen, das jetzt keine Unterstützung vom Staat beantragt. Die Solidarität der Steuerzahler ist plötzlich sehr gefragt. Auch von solchen Unternehmen, die es mit der Solidarität selbst nicht immer so ernst nehmen. Die mitten in der Krise noch Dividenden an Aktionäre ausschütten wollen und einen Teil ihrer Gewinne an Orten wie diesen parken – in Steueroasen, um möglichst wenig Steuern zahlen zu müssen. Geld, das sie dem Staat vorenthalten haben, von dem sie jetzt aber Hilfe fordern. Achim Pollmeier und Niklas Schenk.“

Diverse Sprecher: „Der Bundestag hat am Nachmittag ein beispielloses Hilfspaket zur Bewältigung der Corona-Krise verabschiedet.“ „Wir werden alles tun, was notwendig ist.“ „Dieses Mal machen wir eine unbegrenzte Zusage.“

Eine Neuverschuldung von 156 Milliarden Euro. Unbegrenzte Kredite, Hilfsgelder, Neuverschuldung. Insgesamt sollen Hunderte Milliarde der Wirtschaft helfen, die Folgen der Corona-Krise zu überstehen. adidas bekommt einen Kredit von über zwei Milliarden, Lufthansa verhandelt aktuell über Nothilfen von mehreren Milliarden Euro. Die Autoindustrie fordert neue Kaufprämien und schickt Zehntausende in Kurzarbeit – auch hier drohen Milliardenkosten.

Marcel Fratzscher, Präsident Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): „Die Staatsverschuldung wird massiv steigen. Das heißt, auch in der Zukunft wird der deutsche Staat die Steuern erhöhen müssen, um diese Schulden wieder abzubauen. Und die Frage ist, wer zahlt dafür?“

Wer zahlt dafür? Es geht um Steuergelder, die dem Staat hier vorenthalten werden. Die Kaimaninseln gehören zu den berüchtigtsten Steueroasen weltweit. Sie stehen auf der so genannten schwarzen Liste der EU. Trotzdem haben selbst Dax-Konzerne hier noch Beteiligungen oder Tochterunternehmen – ebenso wie zum Beispiel in Panama. Das zeigt eine Auswertung der Geschäftsberichte durch die Linksfraktion im Bundestag. Zusammen halten die Unternehmen Tausende Beteiligungen in Steueroasen, darunter auch jene Konzerne, die jetzt Kurzarbeit anmelden, nach Konjunkturprogrammen rufen oder Staatshilfen brauchen.

Fabio De Masi, stellvertretender Fraktionssprecher DIE LINKE: „Wer Hilfe vom Staat will, der darf eben den Staat nicht permanent an der Nase herumführen. Und genau dies passiert ja, wenn alle 30 deutsche Dax-Konzerne stark in Steueroasen präsent sind, heißt das, dass sie eben versuchen, hier ihre Steuern nicht zu zahlen und diese Unternehmen kassieren dann gleichzeitig Staatshilfen. Das heißt, der Steuerzahler unterstützt sie, wenn die anderen das Geld rausziehen. Das ist natürlich absolut unappetitlich.“

Ergebnis der Untersuchung: Fast 4.000 Beteiligungen oder Tochterunternehmen haben die Dax-Unternehmen weltweit in Ländern, in denen sich aggressiv Steuern sparen lässt. Rund ein Drittel davon in Europa, zum Beispiel in den Niederlanden, Luxemburg oder der Schweiz. Mehr als die Hälfte aller Firmenbeteiligungen liegen im US-amerikanischen Delaware – ein Mekka für Steuervermeider. Und selbst in Ländern, die als Steueroasen auf der schwarzen Liste der EU stehen, haben Dax-Unternehmen demnach noch mehr als 100 Beteiligungen, zum Beispiel in Panama und den Kaimaninseln. BASF zum Beispiel hält Beteiligungen und Tochterunternehmen vor allem in den Niederlanden und der Schweiz, aber auch in Panama und Bermuda. 2016 warf eine detaillierte Studie dem Unternehmen massive Steuervermeidung vor. Der Konzern bestreitet das und teilt auf Anfrage von MONITOR mit, bei den Gesellschaften handele es sich um lokale Unternehmen, die lokale Märkte bedienen. Und: „BASF legt großen Wert auf die weltweite Einhaltung von Steuergesetzen.”

BMW hat Finanzgesellschaften zum Beispiel in Irland, Luxemburg oder Malta. Aus steuerlichen Gründen? BMW teilt dazu mit: „Insbesondere in Krisenzeiten ist es wichtig, auf ein global agierendes Liquiditätsmanagement zugreifen zu können.”

Lufthansa machte in den letzten Jahren Milliardengewinne, jetzt braucht der Konzern Milliardenhilfen. Zum Firmennetz gehören Töchter in der Schweiz, Malta, aber auch Hongkong und Panama. Der Konzern teilt uns mit: „Bei Standortentscheidungen der Lufthansa Group spielen verschiedenste Parameter eine Rolle.”

Legale Steuertricks? Wirtschaftsexperten fordern jedenfalls, die Finanzhilfen in der Corona-Krise zu nutzen, um Steuervermeidung stärker zu bekämpfen.

Marcel Fratzscher, Präsident Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): „Da sollte der Staat sehr klar sagen, dass solche Steuervermeidung in der Zukunft nicht mehr toleriert wird. Dass gerade Unternehmen, die jetzt massive Hilfe vom Staat bekommen, auch nach der Krise ihre gesamte Steuerlast in Deutschland zahlen sollten.“

Doch es geht nicht nur um Kredite. Längst fordern Autohersteller von der Politik milliardenschwere Konjunkturprogramme und eine andere Hilfe scheint für sie fast selbstverständlich.

Olaf Scholz, Bundesfinanzminister: „Wir sorgen dafür, dass durch Kurzarbeit Arbeitsplätze gesichert werden können. Auch das kostet viele zusätzliche Milliarden.“

Detlef Scheele, Vorstandsvorsitzender Bundesagentur für Arbeit: „Das Kurzarbeitergeld steigt exponentiell auf ungeahnte Höhen.“

10,1 Millionen Menschen. Nie zuvor wurde für so viele Menschen Kurzarbeit beantragt. Zum Beispiel beim Chemieriesen BASF, bei BMW oder Volkswagen. Allein hier geht es um 70.000 Mitarbeiter. Trotzdem will der Konzern 3,3 Milliarden Euro an die Aktionäre auszuschütten. Für den VW-Chef kein Widerspruch. Kurzarbeitergeld sei keine Staatshilfe, sondern eine Versicherungsleistung.

Herbert Diess, Vorstandsvorsitzender Volkswagen AG: „Das sind Beiträge, die wir eingezahlt haben, die Mitarbeiter und das Unternehmen jeweils hälftig. Und ich glaub schon, dass es in so einer Krisensituation auch erlaubt sein muss, auch Kurzarbeitergeld zu beanspruchen.“

Richtig ist: Kurzarbeitergeld wird von der Arbeitslosenversicherung gezahlt. Das Forschungsinstitut der Arbeitsagentur geht davon aus, dass deren Rücklage aber nicht reichen wird. Dann muss der Staat zuschießen – bis zu 15 Milliarden Euro, Steuergelder.

Marcel Fratzscher, Präsident Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): „Auch da sollte der Staat sehr klar sagen, das ist eine staatliche Unterstützung. Es kann nicht sein, dass dann die Unternehmen gleichzeitig Dividenden an die Eigentümer ausschütten. Das sind die Steuerzahler letztlich, die dahinterstehen.“

Milliardenhilfen, aber kaum Auflagen? Der Druck auf die Bundesregierung nimmt zu, Experten aber fordern ohnehin weit mehr: Die Finanzhilfen in der Krise zu nutzen, um das Wirtschaftssystem umzubauen – weniger Profit, mehr Gemeinwohl.

Kommentare zum Thema

  • Squareman 17.05.2020, 22:39 Uhr

    So läuft das in Deutschland. Gewinne werden privatisiert, Verluste werden sozialisiert. Die Banken haben schließlich nach der Rettung durch den Staat selbigen mit Cum/Cum/Ex Geschäften betrogen. Was die Banken können können die Großkonzerne schon lange. Die Reichen werden von der Krise profitieren und die Armen werden die Rechnung bezahlen.

    • Geiger 26.05.2020, 12:42 Uhr

      Ja, es wurde und wird viel betrogen im wirtschaftlichen Leben. Es sollte jeder Betrug unterbunden werden. Deswegen müssten wirtschaftliche Grundregeln zugunsten der Menschen verändert werden. Weil einige Manager ein gestörtes Rechtsempfinden haben den gesamten Konzern, den Betrieb oder die Bank platt machen, das halte ich für den falschen Weg. Die Manager sollten für ihre Missetaten persönlich verantwortlich gemacht werden, nicht der Konzern. Wer den Konzern, den Betrieb, die Bank bestraft weil deren Manager betrügerisch arbeiten der bestraft hunderttausendfach die Arbeitnehmer mit Arbeitslosigkeit und einem Zusammenbruch seines privatwirtschaftlichen Lebens.

  • J. 12.05.2020, 21:02 Uhr

    Es kommt mir fast so vor als würden die Grün-68er sich über die Corona-Pandemie, besser: über den dadurch bedingten Stillstand des Wirtschaftsleben freuen. Die das soziale Leben und somit auch die das Wirtschaftsleben total einschränkenden Corona-Regelungen verursachen Millionen von Arbeitslose. Nicht nur, es besteht die große Gefahr dass aufgrund Nebenwirkungen der strengen Regelungen mehr Menschen sterben werden als durch das Corona-Virus selbst. Die Räder der Wirtschaft stehen still und die Grün-68er fordern weitere produktionseinschränkende, arbeitsplatzzerstörende Regelungen, auch von der Autoindustrie eine Umstellung auf Akkuautos. Zum Beispiel: Aus einigen Gründen heraus wurden Akkuautos nur schleppend verkauft. Nun noch per Zwang Verbrennungsmotoren verbieten zu wollen, das wird das Wirtschaftsleben weiter „die Luft zum Atmen“ nehmen. Bei Grün-68ern zählt meiner Meinung nach fast immer zuerst derer Ideologie, erst folgend das allgemeine Leben.

  • Gert Spötter 12.05.2020, 12:00 Uhr

    Warum soll man, warum sollen Konzerne, ausgerechnet in Deutschland Steuern zahlen ? Ist doch egal wo sie zahlen. Schlimm wie hier ganz ungeniert völkisch, nationalistisches Gedankengut verbreitet wird.

    • Squareman 17.05.2020, 22:42 Uhr

      Wer vom deutschen Staat Hilfen erwartet sollte auch in Deutschland Steuern zahlen. Ansonsten können sie die Hilfen gerne in den Steueroasen beantragen.

    • H. Beck 20.05.2020, 13:23 Uhr

      Deutschland ? Ich kann mit Deutschland nichts anfangen.