Bericht: Herbert Kordes, Victoria Just, Marco Müller
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Georg Restle: "Klar, ohne die niedergelassenen Ärzte wäre die Impfkampagne der Bundesregierung wohl ziemlich baden gegangen. Und doch muss die Frage erlaubt sein, ist das wirklich nötig? Dass Ärzte so gut an dieser Pandemie verdienen. Vor allem, wenn man sich anschaut, wie es dem Pflegepersonal in Krankenhäusern und anderen Menschen im Land geht, die durch die Corona-Krise an den Rand ihrer Existenz gebracht wurden. Gerecht finden muss man das alles nicht. Aber offensichtlich wurde da sehr gut verhandelt und offenbar waren der alte und der neue Bundesgesundheitsminister bereit, der Ärztelobby praktisch jeden Wunsch zu erfüllen. Herbert Kordes und Victoria Just."
Es ist Freitagnachmittag. In dieser Impfpraxis in Köln geht es zu, wie im Taubenschlag. Unten stehen die Leute Schlange, oben impft Dr. Christian Hinzmann im Minutentakt. Nebenan zieht eine Medizinische Fachangestellte eine Spritze nach der anderen auf. Zehn Impfkabinen gibt es hier – alle sind fast durchgängig besetzt. Eigentlich ist das hier ein Hostel – seit einigen Wochen aber eine offensichtlich gut laufende Impfpraxis. Dr. Hans-Christian Meyer hat sie mit aufgebaut. Er ist Hausarzt mit eigener Praxis und kümmert sich hier vor allem um die Logistik – etwa die Beschaffung der Impfstoffe.
Reporter: "Läuft bei Ihnen, oder?"
Dr. Hans-Christian Meyer: "Das läuft richtig gut. Wir sind sehr zufrieden."
Reporter: "Mal Hand aufs Herz, Sie machen gerade mit Ihren Kollegen hier das Geschäft Ihres Lebens?"
Dr. Hans-Christian Meyer: "Ohne Frage. Aber wir machen es ja auch nicht nur für uns, sondern für die Menschen, ne, im Kampf gegen die Pandemie."
Meyer ist ehrlich genug zuzugeben, worüber viele Ärztinnen und Ärzte nicht so gern sprechen: dass Impfen – bei allem Aufwand – auch ein einträgliches Geschäft ist. In Stoßzeiten arbeiten hier sieben Leute, darunter zwei Impfärzte. Zehn Stunden täglich, sieben Tage die Woche, im Schnitt etwa 300 Impfungen am Tag. In der Woche gibt es für jede Impfung 28,- Euro, am Wochenende 36,- Euro. Das macht bei durchschnittlich 300 Impfungen täglich rund 64.000 Euro Honorar pro Woche – und pro Monat über eine Viertelmillion – abzüglich der Kosten für Personal oder Miete.
Reporter: "Was sagen Sie denn Leuten, die sagen, da wird momentan einer Klientel, die sowieso schon ganz gut verdient, noch Geld hinterher geschmissen?"
Dr. Hans-Christian Meyer: "Wem wollen Sie es sonst hinterher werfen. Es geht ja letztendlich wirklich um die Bekämpfung der Pandemie und ich denke, da stehen die Ärzte im Fokus. Und wir machen unseren Job, wie wir das schon immer gemacht haben, sind voll drauf fokussiert und ich finde auch, dass wir in die vorderste Front gehören."
Kein Zweifel – die Ärzte leisten einen entscheidenden Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie. Die Frage ist aber, ob die Vergütungen vom Staat auch wirklich angemessen sind, denn immerhin verdienten niedergelassene Ärztinnen und Ärzte schon vor Corona im Schnitt rund 215.000,- Euro jährlich nach Abzug der Praxiskosten vor Steuern. Trotzdem trommelte Ärztevertreter Andreas Gassen von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung über Monate für eine aus seiner Sicht "angemessene Vergütung" und "Wochenendzuschläge". Im vergangenen November schließlich – die Infektionszahlen stiegen dramatisch, die Booster-Kampagne lief nur schleppend an – war er am Ziel. Der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn erhöhte die Impf-Vergütung in den Praxen unter der Woche schlagartig von 20,- auf 28,- Euro, und an den Wochenenden sogar auf 36,- Euro. Aus dem Gesundheitsministerium heißt es, man habe finanzielle "Anreize” schaffen wollen. Ärztevertreter sprechen von einem hohen Beratungsaufwand. Aber gibt es den wirklich noch?
Patient: "Dies ist die dritte Impfung – da habe ich keine Fragen mehr."
Selbst Mediziner wie der Hausarzt Michael Janßen vom Verein Demokratischer Ärzt*innen räumt ein:
Michael Janßen, Allgemeinmediziner, Verein Demokratischer Ärzt*innen: "Sachlich wäre es eher geboten, das Honorar gleich zu behalten, gleich zu belassen oder sogar abzusenken, weil der Aufwand durch die Booster-Impfungen bei den Patientinnen und Patienten, die man schon zweimal gesehen hat, deutlich geringer ist."
Honorare absenken? Im Gegenteil: Der neue Gesundheitsminister legte sogar noch was drauf. Kurz vor Weihnachten verkündete Karl Lauterbach, dass es von Heiligabend bis zum 9. Januar täglich Feiertagshonorare gibt:
Karl Lauterbach (SPD), Bundesgesundheitsminister, 22.12.21: "Das heißt, es gibt pro Impfung dann 36,- Euro und nicht die 28,- Euro."
Wir wollen mit Minister Lauterbach darüber sprechen. Doch eine Interview-Anfrage von MONITOR lehnt er – der sonst ständig im TV zu sehen ist – ab. Lukrative Vergütungen, nicht nur ein Thema in den Arztpraxen, sondern auch in den staatlichen Impfzentren. Wir sind im Impfzentrum in Mainz – heute ist Kinderimpftag. Die Impfungen werden von Pflegekräften verabreicht. Die anwesenden Ärztinnen und Ärzte hier werden pro Stunde bezahlt. Wenn gewünscht, beraten sie. Eine wichtige Aufgabe, aber in vielen Bundesländern auch sehr gut bezahlt. Auf die Stunde heruntergerechnet verdienen niedergelassene Ärztinnen und Ärzte im Schnitt bei – angenommen monatlich etwa 200 Arbeitsstunden – normalerweise knapp 90,- Euro pro Stunde vor Steuern. In Impfstellen in Niedersachsen, Baden-Württemberg oder Bayern bekommen Ärzte und Ärztinnen 130,- Euro pro Stunde, in Rheinland-Pfalz 140,- Euro, in Nordrhein-Westfalen 150,- und in Thüringen sogar 175,- Euro pro Stunde.
Michael Janßen, Allgemeinmediziner, Verein Demokratischer Ärzt*innen: "Ich persönlich halte es für überzogen. Ich denke, hier hat man Honorare ausgehandelt, insbesondere die Kassenärztlichen Vereinigungen. Ja, wo sie doch mit der Not das Geschäft gemacht haben."
Erstaunlich, in anderen Bundesländern wird teils deutlich weniger gezahlt. In Bremen beispielsweise lediglich 80,- Euro pro Stunde. Impfzentren und mobile Impfteams in den Ländern werden übrigens zur Hälfte vom Bund bezahlt. In der Impfverordnung heißt es deshalb ausdrücklich:
Zitat: "Die Impfzentren und die mobilen Impfteams sind wirtschaftlich zu betreiben …"
Prof. Stefan Greß, Gesundheitsökonom, Hochschule Fulda: "Wenn Sätze über 100,-, 150,- Euro gezahlt werden, da stand – glaube ich – das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht im Vordergrund. Diese unterschiedlichen Vergütungen in den Bundesländern kann ich mir überhaupt nicht erklären. Der Aufwand ist ja identisch, ist ja ein Stundensatz, der da gezahlt wird. Das Tätigkeitsspektrum ist vielleicht ein bisschen unterschiedlich, aber im Prinzip impfen die."
Diesem Mann ist die ständige Diskussion über mehr Geld für Ärzte schon lange ein Dorn im Auge, der Sozialmediziner Gerhard Trabert – vor kurzem von der Linkspartei als Bundespräsidentschaftskandidat nominiert – kümmert sich seit Jahren um die medizinische Versorgung von Obdachlosen.
Prof. Gerhard Trabert, Sozialmediziner, Hochschule RheinMain: "Es regt mich auf, wenn in dieser Pandemiezeit immer über das Geld gesprochen wird, gerade im Kontext der Ärzte, was ihre Leistungen angeht, denn es ist ein Akt der Solidarität, es hat sehr viel mit der ärztlichen Ethik zu tun, hier zu helfen. Und wir dürfen dabei niemals vergessen, dass es andere Berufsstände gibt – gerade die Pflege – die hier wirklich unterbezahlt wird."
Keine Frage: Ohne Arztpraxen wie diese wäre die Impfkampagne wohl nie derart ins Rollen gekommen. Ob die hohen Vergütungen auch gerecht und angemessen sind, ist allerdings eine ganz andere Frage.
Kommentare zum Thema
Guten Tag, erstmal fordert der Arzt die Menge an. Und da aus einer Ampulle 4 Impfdosen entnommen werden, weiß ich nicht was Sie genau meinen??? Und sich an der Zahl 300 aufzuhängen, ich weiß nicht. Ich bin 2 mal geimpft, einem Arzt habe ich nicht gesehen, vielmehr er mich. Der Praxisbetrieb lief sonst normal weiter. Frage nach Nebenwirkungen Fehlanzeige. Und wenn Ärzte an Testung und Impfung das verdienen, was es sonst an Pauschale im Vierteljahr für Pflichtversicherte gibt. Da lohnt sich nur noch der Privatpatient, z. B. auch viele Studenten. Immer mehr Geld, für immer weniger Leistung ist das Motto. Das Geldverdienen steht an 1. Stelle. Und die armen Ärzte tun mir leid. Das ist zum Fremdschämen Und dabei bleib ich. Aufgrund langjähriger Erfahrung, incl. Todesfälle, aufgrund falscher Diagnosen.
Zahnärzte/ Aärzte bekommen den Hals nicht voll ,es geht schon lange nicht mehr um den Menschen/Patienten es geht nur um den schnellen Profit unterstützt von der Politik Lobbyismus
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