Putins Aufbauhelfer: Deutsche Firmen in Russland

Monitor 25.04.2024 07:13 Min. UT Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste Von Véronique Gantenberg, Andreas Maus

MONITOR vom 25.04.2024

Putins Aufbauhelfer: Deutsche Firmen in Russland

MONITOR-Recherchen hatten aufgedeckt, dass Produkte deutscher Unternehmen bei russischen Bauarbeiten in der von Russland besetzten Stadt Mariupol eingesetzt werden. Infolge der Berichterstattung will sich der Baustoffhersteller Knauf jetzt von seiner russischen Tochter trennen. Das Problem aber bleibt: Viele Aktivitäten deutscher Firmen in von Russland besetzten Gebieten der Ukraine werden nach wie vor nicht sanktioniert.

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Georg Restle: "Wohin Putins neue Weltordnung führt, das zeigt dieses Bild der ukrainischen Stadt Mariupol - bis auf die Grundmauern zerbombt von Russlands Armee. Jetzt wird diese Stadt als russische Stadt wiederaufgebaut, vom gleichen Präsidenten, der sie vorher zerstörten ließ - und das mit Hilfe deutscher Unternehmen. Darüber hatten wir in unserer letzten Sendung ausführlich und exklusiv berichtet. International hat die Geschichte ziemlich große Wellen geschlagen, seitdem ist jede Menge passiert. Nur eine Frage bleibt bis heute offen: Warum werden diese Unternehmen bis heute nicht sanktioniert? Und warum drückt sich die zuständige Außenministerin Annalena Baerbock um diese Frage so herum? Ausgerechnet die Frau, die sonst keine Gelegenheit auslässt, sich öffentlich voll und ganz an die Seite der Ukraine zu stellen. Veronique Gantenberg und Andreas Maus."

Wladimir Putin vor einem Jahr in Mariupol - höchstpersönlich verschaffte der russische Machthaber sich einen Überblick über die Bauarbeiten, die seine Besatzung vollenden sollen. Putins russisches Mariupol - errichtet auf den Trümmern der Stadt, die er brutal zerstören ließ - wochenlanger Bombenhagel, Zehntausende getötet, Hunderttausende vertrieben. Die Ruinen von damals, sie werden überbaut von der russischen Besatzungsmacht. Auch mit deutscher Hilfe, das hatte MONITOR vor einigen Wochen aufgedeckt. Dafür hatten wir umfassendes Videomaterial und Dokumente ausgewertet und dabei auch solche Gipssäcke entdeckt, mit der Aufschrift "Knauf”, dem deutschen Weltmarktführer in der Gipsherstellung. Ein deutscher Baustoffhersteller in Mariupol? Unsere Recherchen sorgten international für Aufsehen, ob in Polen, in Frankreich oder im ukrainischen Fernsehen. Auch die ukrainische Regierung war empört. Im Interview mit MONITOR macht der ukrainische Botschafter deutlich, was die Beteiligung deutscher Firmen in Mariupol bedeutet.

Oleksii Makeiev, Ukrainischer Botschafter in Deutschland: "Das heißt, für mich und für jeden Ukrainer heißt es, dass so ein deutsches Unternehmen an der Seite der Besatzungsmacht steht. Und dass dieser Kampf von den deutschen Unternehmen unterstützt wird."

Deutsche Unternehmen an der Seite der Besatzungsmacht? Auch die Bundesregierung reagierte auf unsere Recherchen - und verurteilte solche Geschäfte.

Sebastian Fischer, Sprecher Auswärtiges Amt, 05.04.2024: "Dieser Wiederaufbau - in Anführungsstrichen - dient lediglich der russischen Propaganda und jede Firma, die sich daran beteiligt, muss sich fragen, in wessen Dienst sie sich damit stellt."

Nach der Veröffentlichung fragen wir mehrfach die zuständigen Ministerien an, möchten nach den politischen Konsequenzen fragen - ein Interview bekommen wir nicht. Und Knauf? Das Unternehmen wies die Vorwürfe "aufs Schärfste zurück”. Und schrieb:

Zitat: "Wir haben keinen Einfluss darauf, wie und wo die Endkunden unsere Produkte verwenden."

Dabei hatten unsere Recherchen gezeigt, offizielle Händler von Knauf in Russland arbeiten sogar für russische Ministerien, etwa dieser: Everest. Der Knauf-Händler war beteiligt an einem Wohnkomplex in Mariupol, errichtet im Auftrag des russischen Verteidigungsministeriums - und mit Produkten von Knauf. Und Everest warb noch mit einem weiteren Objekt, und zwar im besetzten Donezk: Ein russisches Krankenhaus, vor allem für Soldaten. Nachdem wir darüber berichtet hatten, verschwanden genau diese beiden Objekte von der Website des Händlers. Der Politikwissenschaftler David Lewis beschäftigt sich seit Kriegsbeginn mit Putins Besatzungsplänen - auch in Mariupol.

David Lewis, Politikwissenschaftler Universität Exeter (Übersetzung Monitor): "Viele solcher Bauprojekte sind nicht für zivile, sondern militärische Zwecke. Sie sind also in vielerlei Hinsicht ein enorm wichtiger Teil des russischen Krieges."

Der Wiederaufbau Mariupols - Teil von Putins Kriegsstrategie. Vergangenen Montag kam bei Knauf dann die Kehrtwende - die Firma kündigte an, sich…

Zitat: "nach mehr als 30 Jahren in Russland von ihrem dortigen Geschäft zu trennen."

Die Ankündigung kommt kurz nach unserer Berichterstattung und über zwei Jahre nach Kriegsbeginn. Gründe oder Details nennt der Baustoffhersteller nicht. Doch es geht nicht nur um Knauf. Auch andere Unternehmen spielen bei der Bebauung von Mariupol eine Rolle. Der ukrainische Botschafter fordert Konsequenzen.

Oleksii Makeiev, Ukrainischer Botschafter in Deutschland  "Es gibt Industriezweige, es gibt Stoffe, die sanktioniert werden können, nicht nur Export - Import. (...) Wenn wir sehen, was Russland jetzt sehr viel mit Baustoffen und Baumaschinen da treibt, muss man das auch sanktionieren und das zu verbieten."

Neue Sanktionen? Die müsste das Außenministerium bei der EU vorschlagen. Dort könnten sie dann von den Mitgliedstaaten beschlossen werden. Wir fragen erneut nach Interviews, wollen über die Forderungen der ukrainischen Regierung reden - erfolglos. Stattdessen eine knappe Stellungnahme:

Zitat: "Eine mögliche Sanktionierung wird auf Basis der in den EU-Sanktionen gegen Russland niedergelegten Kriterien geprüft."

Nur eine Prüfung? Die Besatzung sei eine Kriegshandlung und die daran beteiligten Unternehmen könnten schon jetzt sanktioniert werden, sagt der Jurist Till Steinvorth.

Till Steinvorth, Sanktionsrechtsexperte: "Es gibt in der Vergangenheit Beispiele dafür, dass russische Gesellschaften wegen Bauprojekten auf der Krim - ja, oder in den besetzten Gebieten - sanktioniert worden sind. Und genau das Gleiche könnte die EU machen, mit Blick hier auf die russischen Tochtergesellschaften eines deutschen Konzerns."

Der grüne Bundestagsabgeordnete Anton Hofreiter fordert jetzt weitreichende neue Maßnahmen - ein generelles Verbot für alle Geschäfte in den besetzten Gebieten der Ukraine.

Anton Hofreiter (B'90/Grüne), Mitglied des Bundestags: "Die Erwartungshaltung ist, dass wir ein weiteres EU-Sanktionspaket bekommen in der ökonomische Tätigkeit, wirtschaftliche Tätigkeit in den besetzten Gebieten, egal über welche Konstruktion, sanktioniert wird. Und da ist auch die Erwartung an unsere eigene Bundesregierung, dass sie Druck macht. Dass das nicht nur gesagt wird, sondern auch real wird."

Währenddessen wird in Mariupol weitergebaut - um Putins Besatzung zu vollenden und die Spuren seiner Zerstörung zu verwischen.

Georg Restle: "Kein Interview vor der Kamera. Keine klare Stellungnahme. Dabei sollte es doch eigentlich im Interesse dieser Außenministerin sein, nicht den Eindruck zu erwecken, man würde vor Sanktionen ausgerechnet gegen deutsche Unternehmen zurückschrecken."

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7 Kommentare

  • 7 Anonym 25.04.2024, 14:33 Uhr

    Die deutsche Wirtschaft wird vernichtet. Von allen Seiten hört man über Kurzarbeit bzw. Insolvenzen deutscher Unternehmen. Womit beschäftigt sich der Monitor? Mit Wiederaufbau von Mariupol! Es ist mir, als einer DEUTSCHEN Bürgerin, doch komplett egal, wer Mariupol wiederaufbaut.

  • 6 R. Mertens 25.04.2024, 12:21 Uhr

    Tod und Zerstörung durch geschenkte Waffen ist gut? Bezahlter Wiederaufbau ist schlecht? Unsere Wertvorstellungen bei diesem Krieg sind wohl mächtig durcheinander geraten.

  • 4 Beendet den Krieg 24.04.2024, 15:09 Uhr

    Die Führer unserer unter US-Führung stehende NATO-Gemeinschaft will erkennbar den Krieg in der Ukraine nicht beenden. Der Krieg wäre beendet wenn die ukrainische Regierung keine Waffen, keine Militär-Ausrüstungen, keine Steuergelder mehr von unseren Regierungen überwiesen bekäme. Die Verteidigung des Amtssitzes der ukrainischen Regierung, die Verteidigung der seit dem Maidan-Staatsstreich 2014 bestehende „US-Interessensphäre Ukraine“ kostet jeden Tag vielen Menschen ihr Leben, zerstört Land und die Umwelt. Es muss endlich ein durch Diplomaten verhandelter Frieden entstehen. Am besten mit dem Vertragsergebnis dass die Ukraine mit neu verhandelten Landesgrenzen ein neutraler, blockfreier souveräner Staat gleich wie vor dem von vielen unserer Westlichen Staatengemeinschaft unterstützten völkerrechtswidrigen Maidan-Staatsstreich leben kann. Lasst die Ukraine als „Brückenstaat“ zwischen den Blöcken NATO - Russische Föderation incl. beidseitigen Zollerleichterungen wieder in Frieden leben

  • 2 August Pimmelmann 24.04.2024, 07:47 Uhr

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