Flüchtlingsunterkünfte: Traum-Renditen mit Geflüchteten
Monitor. 14.11.2024. 09:03 Min.. UT. Verfügbar bis 14.11.2099. Das Erste. Von Till Uebelacker, Andreas Spinrath.
MONITOR am 14.11.2024
Flüchtlingsunterkünfte: Traum-Renditen mit Geflüchteten
Die Unterbringung von Geflüchteten liegt in Deutschland immer häufiger bei privaten Unternehmen: Billiganbieter, die daraus ein Geschäft machen – zulasten der Schutzsuchenden und der Gesellschaft. Das lohnt sich: Exklusive MONITOR-Recherchen mit dem „ZDF-Magazin Royale“ und der SZ zeigen massive Unterversorgungen – während die Unternehmen mit den Einrichtungen hohe Gewinne machen.
Von Till Uebelacker, Andreas Spinrath
Dialogbox
Kommentieren [9]Georg Restle: "Und jetzt zu einer ganz anderen Frage, die uns in den letzten Wochen in der Redaktion intensiv beschäftigt hat: Warum betreibt ein großer Konzern, der weltweit Militäraufträge hat und im Rüstungsbereich tätig ist in Deutschland Flüchtlingsunterkünfte wie diese? Warum machen das überhaupt Privatunternehmen, und was für ein Geschäftsmodell steckt da eigentlich dahinter? Seit Wochen recherchieren wir zu diesem Thema, gemeinsam mit dem ZDF-Magazin Royale und der Süddeutschen Zeitung. Unterwegs in einem Umfeld, in dem nur wenige Menschen sich trauen, offen mit Journalisten zu sprechen - und wo die zuständigen Stellen schweigen. Obwohl es um eine Frage geht, die für die deutsche Flüchtlingspolitik von ganz entscheidender Bedeutung ist: nämlich, ob wir Flüchtlinge, die wir hier aufnehmen, sich selbst überlassen - mit allen Folgen für diese Menschen - und für diese Gesellschaft. Till Uebelacker und Andreas Spinrath."
Manchmal wird man auf Recherchen gestoßen. Vor allem, wenn es um Geschichten wie diese geht, um Geschäfte eines global agierenden Konzerns, um Geschäfte mit Geflüchteten. Und um traumhafte Gewinne. Dafür braucht man einen Hinweis - Informationen aus dem Inneren des Konzerns: Informationen über Serco. Interne Dokumente, die ein Geschäftsmodell erklären. Die zeigen, wie viel der Konzern Serco mit deutschen Geflüchteten-Unterkünften verdient. Aber bevor wir in die Zahlen gehen, einmal ganz kurz, wer ist Serco?
Imagevideo: "We are Serco!"
So präsentiert sich die Firma in Imagevideos, 50.000 Mitarbeiter, ein Dienstleister für Regierungen, die staatliche Aufgaben privatisieren. Global agierend zwischen Saudi-Arabien, Australien und Großbritannien, spezialisiert auf Grenzschutz, Gefängnisse, und Militäraufträge. Warum investiert ein solcher Konzern ausgerechnet in deutsche Unterkünfte für Geflüchtete? Und warum kann man damit Geld verdienen? Und wieviel? Ein Blick in die internen Dokumente zeigt, es lohnt sich. Hier das Beispiel Hahn: Wir sehen den Umsatz. Abzüge für Personalaufwand, für Materialaufwand. Übrig bleibt die Bruttomarge: 66,8 Prozent - erwirtschaftet mit Steuergeldern für die Betreuung von Geflüchteten. Wie macht Serco das?
Wir fahren hin. Tief im Hunsrück, in Rheinland-Pfalz, am Flughafen Hahn. Hier ist die Unterkunft, gerne würden wir den Ort von innen sehen, wo so sagenhafte Renditen locken. Wir dürfen aber nicht rein, einen Dreh zu organisieren sei sehr aufwändig und nicht kurzfristig möglich, teilt Serco mit. 530 Plätze hat die Einrichtung, eine ehemalige amerikanische Kaserne. Hier arbeiten viele Menschen. Wir telefonieren - und treffen schließlich drei ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Langes Zögern, große Angst, aber dann wollen sie doch reden: verdeckt. Über die Firma, die hier so sagenhafte Gewinne erwirtschaftet.
Erster Mitarbeiter: "Die Motivation ist reich werden mit Flüchtlingen. Also der Flüchtling wird ja gar nicht als Mensch wahrgenommen, der wird ja eigentlich nur als abrechenbarer Posten wahrgenommen."
Zweiter Mitarbeiter: "Geld, Geld, Geld ist das Interesse, der Geschäftsführer sieht einfach nur den Profit. Profitabel muss es sein!"
Mitarbeiterin: "Ich habe gesagt, wir können solches Essen nicht anbieten. Die sind Menschen, die sind keine Tiere. Und da wurde gesagt, och, die gewöhnen sich dran."
Die gewöhnen sich daran. Ist das die Art und Weise, wie man bei Serco auf Geflüchtete blickt? Ein Sprecher schreibt uns, ein anderer Dienstleister sei für das Catering verantwortlich. Fest steht, das Geschäft mit den Unterkünften lohnt sich für die Unternehmen. Denn Geld vom Staat fließt immer verlässlich - an vielen Orten. Serco besitzt ORS und EHC, zwei der größten privaten Unternehmen für Geflüchteten-Unterkünfte. In 130 Unterkünften in Deutschland ist Serco aktiv. Gemeinsam mit dem „ZDF Magazin Royale“ und der „Süddeutschen Zeitung“ wollten wir wissen, wie hoch ist Sercos Anteil an landeseigenen Unterkünften? In NRW ist es jede Dritte, in Hessen jede Zweite, und in Rheinland-Pfalz sogar sechs von sieben. Wir treffen Werner Nienhüser. Der Wirtschaftswissenschaftler beobachtet den Konzern und seine deutschen Aktivitäten seit Jahren. Wie hat Serco diese Marktmacht erlangt?
Prof. Werner Nienhüser, Universität Duisburg-Essen: "Zunächst mal, Serco ist ein Dienstleister, der alles das macht, was staatliche Einrichtungen nicht mehr machen wollen, nicht mehr machen sollen, nicht mehr machen können."
Und Serco wisse, dass die Politik zunehmend auf den Preis statt auf die Qualität schaue.
Prof. Werner Nienhüser, Universität Duisburg-Essen: "Und das bedeutet, wenn der Preis bei Vergaben eine große Rolle spielt, dass Serco - beziehungsweise die Unternehmen, die zu Serco gehören - die Aufträge bekommt."
Aufträge, mit denen Serco Gewinne für seine Aktionäre erwirtschaftet. Für Finanzverwalter wie Blackrock oder JPMorgan. Serco verdient also Geld für Pensionäre in Florida, für kanadische Kapitalanleger, für britische Millionäre - mit Geflüchteten-Unterkünften in Deutschland. Ist das überhaupt ein Problem? Der Preis stimmt ja offenbar, für die Politik, für Serco und die Tochterunternehmen. Ja, sagen die Menschen, die in der Unterkunft in Hahn gearbeitet haben. Sie berichten von massivem Kostendruck. Serco spare an allen Ecken und Enden, auch an der Qualität.
Erster Mitarbeiter: "Der Schlüssel der Sozialarbeiter wird definitiv nicht erfüllt."
Mitarbeiterin: "Kein Fachpersonal. Einfach Leute, die nichts damit zu tun haben, die arbeiten dort. Die haben null Erfahrung und keine Ahnung davon. Und die arbeiten einfach da."
Zweiter Mitarbeiter: "Ganz klarer Fall, Lohnkosten - das sagt jeder Unternehmer - sind die größten Kosten im Betrieb."
Erster Mitarbeiter: "Wenn man anfängt zu arbeiten in Unterbesetzung, hat man für jeden Flüchtling natürlich viel weniger Zeit. Es bilden sich Schlangen, es bildet sich Unzufriedenheit, Frustration und dann wird man leider indirekt oder direkt auch Ziel dieser Frustration. Teilweise empfinden die Leute das wie ein Gefängnis."
Fehlende Sozialarbeiter? Fehlende Betreuung? Zustände wie im Gefängnis? Damit konfrontiert schreibt Serco uns:
Zitat: "Wir sind stolz auf den Service, den wir gemäß den Anforderungen unserer Auftraggeber erbringen."
Die Realität ist oft eine andere: Geflüchtete, die sich selbst überlassen werden. Um die sich keiner kümmert, selbst wenn jemand tot in seinem Zimmer liegt. MONITOR hat vor kurzem schon einmal über Serco berichtet. Anlass: ein toter Geflüchteter in Berlin.
Rückblick: "Tot in einer Flüchtlingsunterkunft? ... Keine Vermisstenanzeige - keine Meldung. … Entdeckt wurde Mamadou Diallo erst nach vier Wochen, sein Leichnam war da schon stark verwest."
Im März zog die Stadt Berlin die Reißleine und kündigte den Vertrag mit der ORS-Tochter Serco für drei Unterkünfte außerordentlich. Man habe "gravierende Mängel" und "umfangreiche strukturelle Probleme" festgestellt. ORS weist das zurück. Unsere Recherchen zeigen, das Modell rechnet sich für den Konzern - auch in vielen anderen Unterkünften. 21,4 Prozent Gewinn in Berlin, 45,1 Prozent in Meßstetten, 49,8 Prozent in Bernkastel-Kues.
Prof. Werner Nienhüser, Universität Duisburg-Essen: "Die Gewinnmargen sind sehr hoch, das heißt in diesem Geschäftsfeld - Unterbringung von Geflüchteten - lassen sich außerordentlich hohe Renditen oder Gewinnmargen erzielen."
Warum aber bekommt Serco immer wieder den Zuschlag von Landesregierungen - trotz wachsender Kritik. Wir hätten das alles gerne mit dem zuständigen Ministerium besprochen. Und mit Serco und seinen Tochterfirmen auch. Aber niemand wollte vor der Kamera reden. Das Ministerium erklärt in einer Mail:
Zitat: "Externe Dienstleister (...) unterliegen (...) einer fortwährenden Aufsicht und Kontrolle vor Ort."
Und:
Zitat: "Über die Gewinnmargen der Dienstleister haben wir keine Kenntnis."
Aus dem Serco-Konzern heißt es schriftlich:
Zitat: "Wir nehmen unsere Verantwortung sehr ernst und gewährleisten hohe Standards (...)."
Die hohen Gewinne in Deutschland kommentiert man nicht. Nur so viel:
Zitat: "Im Jahr 2023 liegt unsere Nettomarge für den Bereich Immigration in ganz Europa im einstelligen Bereich."
Rheinland-Pfalz sucht übrigens gerade neue Betreiber für drei Unterkünfte. Die Serco-Tochter ORS hat sich nicht beworben. Aber eine andere Firma. Und auch diese Firma gehört: Serco.
9 Kommentare
Kommentar 9: Holm schreibt am 15.11.2024, 11:50 Uhr :
.Warum übernehmen die Kirchen nicht die Unterbringung der Geflüchteten ? Wir erinnern uns ? Wir sind reich....wir haben Platz....das Boot kann nicht voll sein...usw., usw..
Kommentar 8: Anonym schreibt am 15.11.2024, 00:59 Uhr :
Bei dem ganzen Thema Migration gehts generell immer nur darum, daß sog. Flüchtlinge besser formuliert ; Wirtschaftsmigranten und die ganze damit verbundene Asylindustrie ,Asylinfrastruktur , Immobilieneigentümer davon profitieren und die breite autochthone Bevölkerung, Arbeitnehmer, Rentner , die Leistungsträger der Gesellschaft diesen ganzen Duselzauber, der ihnen ausschließlich nur Stress und Kosten verursacht,finanzieren müssen, so daß die Steuern in D OECD- weit auch am höchsten sind. Die dafür verantwortlichen Parteien werden daher jetzt völlig zu Recht mit den BRD-historisch miesesten Wahlvoten abgestraft . Besonders die grüne Gummibärchensekte hat sich dadurch allgemein so verhaßt gemacht, daß sie lange Zeit politisch in der Versenkung abtauchen wird. Eine Koalition der Union mit ihr wäre ein sicheres Himmelfahrtskommando für sie.Es werden noch Generationen damit befasst sein, die Trümmer der Politik von Grünen, Sozis und Merkelianer abzuräumen .
Kommentar 7: Hans-Heinrich schreibt am 14.11.2024, 23:45 Uhr :
So ist es halt. Wenn die Regierung Fakten schafft, leicht Geld zu verdienen, muß sie sich nicht wundern, wenn es nicht so läuft, wie sie es gerne hätte. Gibt es Ähnliches in Österreich, Italien, Dänemark und Ungarn? Die Frage sollte eher sein, warum Deutschland immer noch neue Asylunterkünfte braucht, wenn das Migrantenproblem verringert werden soll. Vielleicht bekommt Deutschland ja auch etwas vom neuen Geist mit, der in den USA am Aufsteigen ist.
Kommentar 6: AD schreibt am 14.11.2024, 22:58 Uhr :
WWie toll es doch sein kann, als reicher US Rentner (und wahrscheinlich Trump Unterstützer) sich die Taschen vollstopfen zu können, auf Kosten der deutschen Steuerzahler und wie es den Flüchtlingen in den Unterkünften ergeht, spielt auch absolut keine Rolle. Man kann nur noch mit dem Kopf schütteln.
Kommentar 5: Aga Bellwald schreibt am 14.11.2024, 22:44 Uhr :
Dazu kann man nichts mehr sagen. Einfach nur schändlich. Alles wird zum "Geschäftsmodell" verdreht, zur War gemacht. Doch Menschen sind KEINE Ware. Daß das mal klar gesagt sei. 🤔 Danke Euch für diesen eindrücklichen Bericht.
Kommentar 4: Anonym schreibt am 14.11.2024, 19:40 Uhr :
Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er diskriminierend ist. (die Redaktion)
Kommentar 3: Robi-Wahnsinn schreibt am 14.11.2024, 17:37 Uhr :
Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er gegen unsere Netiquette verstößt. (die Redaktion)
Kommentar 2: Vermieter schreibt am 14.11.2024, 16:59 Uhr :
Angebot und Nachfrage; ungebremste Zuwanderung und stark gebremster sozialer Wohnungsbau führt zu höheren "Unterbringunskosten" für alle.
Kommentar 1: Blöd-Michel for ever schreibt am 14.11.2024, 16:42 Uhr :
Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er diskriminierend ist. (die Redaktion)