Bruch der Waffenruhe: Was Ärzte aus Gaza berichten

Monitor 27.03.2025 04:43 Min. UT Verfügbar bis 27.03.2099 Das Erste Von Julia Regis, Lara Straatmann

MONITOR am 27.03.2025

Bruch der Waffenruhe: Was Ärzte aus Gaza berichten

Der Krieg ist zurück im Gazastreifen. Nach einigen Wochen der Waffenruhe, gibt es nun wieder fast täglich neue Luftschläge des israelischen Militärs – mit hunderten Toten und Verletzten. Auch die wenigen noch funktionsfähigen Krankenhäuser werden erneut zum Ziel. Ein deutscher Arzt hat für die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen in einem dieser Krankenhäuser im Gazastreifen gearbeitet und berichtet von der Situation vor Ort.

Von Lara Straatmann, Julia Regis

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Georg Restle: "Die Politik von Donald Trump, sie betrifft die ganze Welt, ob in der Ukraine oder im Gaza-Streifen, wo Israels Ministerpräsident Netanjahu - mit Billigung der US-Regierung - die Waffenruhe beendet hat. Seit Mitte März treffen Israels Raketen auch wieder zivile Einrichtungen, darunter Krankenhäuser, Krankenwagen. Für die Menschen im Gazastreifen ist das ein einziger, nicht enden wollender Albtraum. Aber nicht nur für sie; auch für die Helfer vor Ort, die versuchen, die Not der Menschen zu lindern. Darunter auch dieser Arzt aus Krefeld, der bis heute für die Organisation Ärzte ohne Grenzen im Süden des Gazastreifens unterwegs war. Wir haben ihn gebeten, uns seine Eindrücke per Video zu schildern - mitten aus dem Krieg."

Vor laufender Kamera trifft ein israelischer Luftschlag am Sonntag das Al Nasser Krankenhaus im Süden von Gaza - das größte noch arbeitsfähige Krankenhaus hier. Ziel des Angriffs war offenbar ein Hamas-Funktionär, der sich im Krankenhaus aufhielt. Getroffen wurde die chirurgische Abteilung, es gab Tote und Verletzte. Tag und Nacht hatten Ärzte zuvor hier operiert.

Dr. Michael Fendler, Chirurg, Ärzte ohne Grenzen e.V.: "In den OP oder ins Nasser Hospital kann ich heute natürlich nicht, weil's einfach viel zu gefährlich ist und ich weiß auch nicht, ob es morgen oder übermorgen so sein wird."

Michael Fendler arbeitet als Chirurg in diesem Krankenhaus. Er kommt aus Krefeld und ist für die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen in Gaza. Fendler hat miterlebt, wie die israelischen Angriffe wieder begannen. Mitte März brach die israelische Regierung die Waffenruhe. Jetzt ist der Krieg zurück in Gaza. Fast täglich gibt es neue Luftschläge. Nach palästinensischen Angaben sind seitdem Hunderte Menschen gestorben, viele wurden schwer verletzt.

Dr. Michael Fendler, Chirurg, Ärzte ohne Grenzen e.V.: "Vielleicht hört man sogar jetzt im Hintergrund gerade - also ich höre es jedenfalls sehr deutlich - Maschinengewehrfeuer oder Artilleriefeuer. Also draußen ist es einfach katastrophal. Und … in der Nacht wurden oder am frühen Morgen wurden im Nasser Hospital … ungefähr - also ich kann keine Zahlen nennen - jedenfalls sehr viele Schwer-, Schwerstverletzte, auch Tote eingeliefert. Ja. Ich weiß nicht, wie die Situation im übrigen Rest des Gazastreifens ist - ich muss gerade ein bisschen zum Himmel gucken, weil, … ja."

Über 600 Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen und Rettungswagen gab es laut Weltgesundheitsorganisation seit Beginn des Krieges. Viele Krankenhäuser sind gar nicht mehr oder nur noch teilweise funktionsfähig. Die Einfuhr von Hilfsgütern nach Gaza wird von der israelischen Regierung seit Anfang März blockiert. Auch Stromlieferungen sind gestoppt, Nahrungsmittel knapp.

Dr. Michael Fendler, Chirurg, Ärzte ohne Grenzen e.V.: "Das Leben vor Ort hier ist für uns als NGO, Ärzte ohne Grenzen, noch halbwegs erträglich, für die Zivilbevölkerung hier ist es schlicht und ergreifend katastrophal, unerträglich. Es gibt nichts mehr, keinen Strom, kein Wasser bzw. nur Salzwasser oder Wasser, was bereit gestellt wird aus Entsalzungsanlagen, das die Menschen sich dann aus Tanklastern oder sonst wie irgendwo abzapfen."

Michael Fendlers Einsatz endet nach mehr als drei Wochen. Er kann dem täglichen Schrecken in Gaza entkommen. Die Menschen, die er hier behandelt, können das nicht.

Dr. Michael Fendler, Chirurg, Ärzte ohne Grenzen e.V.: "Insgesamt ist alles, wirklich alles, was ich hier jeden Tag sehe, es ist unfassbar. Also es ist unbeschreiblich, empörend und niederschmetternd - unbegreiflich."

Georg Restle: "Ja, worum geht es der israelischen Regierung eigentlich gerade? Um die Freilassung der Geiseln? Um Selbstverteidigung? Oder doch um die Vertreibung der Palästinenser aus dem Gazastreifen? Diese Woche hat Israels Regierung jedenfalls eine neue Behörde gegründet. Ziel: Die so genannte "freiwillige Ausreise" möglichst vieler Palästinenser in Drittstaaten."

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