Pressemeldung vom 27.05.2021
Unterstützung für Kinder aus einkommensschwachen Familien kommt nicht an
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Kommentieren [4]Viele Förderleistungen der Bundesregierung kommen trotz Rechtsanspruch bei der Mehrheit der Kinder und Jugendlichen aus einkommensschwachen Familien nicht an. So erhielten von rund zwei Millionen potentiell Leistungsberechtigten unter 15 Jahren im Corona-Jahr 2020 nur rund 55 % Mittel aus dem Bildungs- und Teilhabepaket. Nur rund 11 % der Kinder erhielten Unterstützung bei der Lernförderung.
Das zeigen Recherchen des ARD Magazins MONITOR nach Auswertung einer aktuellen Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Fachleute kritisieren das seit zehn Jahren geltende Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung (BuT) als “Bürokratiemonster”. In seiner jetzigen Form blieben Kindern und Jugendlichen gleiche Chancen bei Bildung und soziokultureller Teilhabe vorenthalten. Zugleich entstünden sehr hohe Verwaltungskosten.
Erstmals hat die Bundesagentur für Arbeit die Anzahl der Leistungsberechtigten und der BuT-Bewilligungen unter Hartz IV-Empfängern für ein gesamtes Jahr ausgewiesen. Demnach wurde im vergangenen Jahr nur bei 7,3 % aller leistungsberechtigten Schüler*innen Geld für einen eintägigen Schulausflug bewilligt. Lernförderung – also Nachhilfe – bekamen lediglich rund 11,1 Prozent – obwohl gerade sie für Kinder aus finanziell benachteiligten Familien besonders wichtig wäre. Leistungen zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben – darunter fallen z.B. Vereinsbeiträge - wurden 14,7 Prozent aller bezugsberechtigten Schüler*innen bewilligt.
Nicht enthalten in der Statistik der Bundesagentur sind u.a. Daten über leistungsberechtigte Kinder- und Jugendliche aus Familien, die Asylbewerberleistungen, Wohngeld oder den Kinderzuschlag erhalten. Die Bundesagentur für Arbeit weist zudem darauf hin, dass ihre Zahlen aus methodischen Gründen nicht geeignet seien, genaue Inanspruchnahme-Quoten des Bildungs- und Teilhabepaketes zu errechnen. Aus Sicht von Experten zeigen sie dennoch eindeutig, dass das Geld aus dem Bildungs- und Teilhabepaket zu viele Kinder nicht erreicht.
„Die Leistungen sind zu restriktiv ausgestattet, sie sind zu niedrig und zu schwer zu erreichen”, kritisiert etwa Joachim Rock vom Paritätischen Wohlfahrtsverband gegenüber „Monitor“. „Die Pandemie wirft Kinder und Jugendliche einfach nochmal zurück und es bräuchte ein viel stärkeres Maß an Unterstützung als diese immer noch nicht ausreichend in Anspruch genommene Leistung.”
Das gesetzlich vorgeschriebene „Hinwirkungsgebot“ fordert eigentlich eine aktive Information der Behörden über die gesetzlichen Leistungen. Genau daran hapere es aber, sagen Expert*innen. Der Staat habe hier eine „Bringschuld“, kritisiert die Soziologin Jutta Allmendinger vom Wissenschaftszentrum Berlin. „Deshalb müsste dieses Hinwirkungsgebot einfach verändert werden zu einem Sicherstellungsgebot“, so Allmendinger.
Bundesregierung und Bundesagentur für Arbeit weisen auf MONITOR-Anfrage darauf hin, dass die Verantwortung für die Umsetzung des Bildungspakets bei den Kommunen liege. Die rechtlichen Hürden für eine Inanspruchnahme der Leistungen seien in den letzten Jahren bereits abgesenkt worden. Im Rahmen des Corona-Aufholprogramms der Bundesregierung, das Anfang Mai vorgestellt wurde, hatte die kürzlich zurückgetretene Familienministerin Franziska Giffey zudem angekündigt, dass Lernförderung für die kommenden zwei Jahre nun einfacher zugänglich werden solle.
Stand: 27.05.2021, 06:00 Uhr
4 Kommentare
Kommentar 4: Lady Franziska schreibt am 28.05.2021, 14:39 Uhr :
Mit was soll sich die Regierung in der Corona -Krise noch beschäftigen? Der Beitrag und Hinweis von Monitor kommt in einer Zeit, wo diese Forderungen nicht erfüllt werden können, weder von den Eltern noch von den Kindern die zuhause bleiben mussten oder müssen bei Corona. Alles nur von der Politik abzuverlangen für Familien mit Kindern, dass dürfte bei Hartz 4 Einkommen schwer sein. Manche Eltern sind überfordert für Bildung und Kultur ihre Kinder dazu zu bewegen . Manche schweigen, weil sie nicht noch mehr abhängig vom Staat gemacht werden wollen. Übrigens, die Gendersprache die auch Monitor benützt, ist ein Zungenbrecher die keiner Bildung nutzt. Belastet die Jugend, die Kinder nicht mit diesen * Schmarr'n die völlig unsinnig ist. Wozu sollen sie dies in der Schule lernen- Frauen mit *Sternchen? Alles nur wegen unsichere , labile Frauen die kein Selbstbewusstsein haben?
Kommentar 3: Katharina Wind schreibt am 28.05.2021, 09:18 Uhr :
Genau so ist es. Ich bin Inhaberin von zwei Schülerhilfe Standorten, wir geben Nachhilfe auch für Kinder aus dem Bildungspaket. Ich habe vor ein paar Wochen in meinen Ort bereits an den Bürgermeister geschrieben um auf die Lage aufmerksam zu machen. Nu wird hin und her geschoben von Sozialamt auf den Kreis zurück zum Jobcenter... Es ist nun natürlich niemand dafür verantwortlich, dass die Beantragung zu kompliziert, die Bewilligungen viel zu knapp und die Abrechnung ein bürokratisches Unding ist. Erst gestern wurde wieder ein Antrag verzögert, es müssten neue Kostenvoranschläge eingereicht werden, die vorliegenden würden nicht akzeptiert. Die Schülerin ist in der 7. Klasse und kümmert sich um alles selbst, da die Eltern nicht ausreichend Deutsch sprechen. Die wichtigen Klausuren wurden nun bereits diese Woche geschrieben, Hilfe also wieder nicht rechtzeitig möglich gewesen. Ich hoffe sehr, dass sich da bald etwas dran ändert!
Kommentar 2: Bürgerauge schreibt am 27.05.2021, 20:27 Uhr :
Wenn die Zahlen von Monitor recherchiert wurden, bezweifle ich die Validität nicht. Es stellen sich trotzdem Fragen. Welche Quote sollte es beim Umfang für Nachhilfe denn sein? Wo sind die Eltern, wenn es um die Erlangung dieser Leistungen geht? Ist wirklich immer der Staat für nicht befiedigend erscheinende Zahlen verantwortlich? Wurde recherchiert, ob und wie häufig BuT-Anträge abgelehnt wurden? Welche Wirkung hätte es, wenn einkommenseingeschränkte Personenkreise ohne anspruchsbegründende Bedingungen und ohne konkret dargelegten Bedarf pauschal öffentliche Zusatzleistungen für BuT- Zwecke erhielten, ohne dass die Erforderlichkeit nachgewiesen ist? Wie denken die Familien darüber, die all diese Aufwendungen selbst bezahlen müssen und auch nicht zu den "Reichen " in diesem Land gehören? Also bitte objektiv und in ganzer Breite an dieses Thema gehen. Andernfalls könnte schnell ein Eindruck von Skandalisierung entstehen, der einer Versachlichung auch nicht zuträglich ist.
Kommentar 1: Thilo Jahn schreibt am 27.05.2021, 13:57 Uhr :
Die Recherchen aus Ihrem Bericht kann ich nur bestätigen. Ich betreibe vier Schülerhilfen in drei verschiedenen Landkreisen in Hessen. Während wir im Landkreis Offenbach recht viele Bewilligungen zur Nachhilfe haben (durchschnittlich 20 Schüler pro Niederlassung), ist es ein Landkreis Darmstadt-Dieburg und Main-Kinzig-Kreis sehr, sehr selten (durchschnittlich 1-2 Schüler pro Niederlassung). Zumal im Kreis Darmstadt-Dieburg nur ein Teilbetrag der Kosten übernommen wird. Die restlichen kosten bleiben dann bei den einkommensschwachen Eltern hängen. Da das Geld ja vom Bund kommt, ist mir diese sehr unterschiedliche und ungerechte Handhabung der Kreise absolut unverständlich. Gerade jetzt zu Corona-Zeiten wird die Unterstützung gerade von einkommensschwachen Familien besonders benötigt.
Antwort von Katharina Wind , geschrieben am 28.05.2021, 09:24 Uhr :
Kann ich nur bestätigen. Bei uns in Bonn werden relativ unkompliziert pro Schüler 35 Stunden Nachhilfe bewilligt, die wir als Anbieter mit pauschal 12,50 abrechnen dürfen. In Troisdorf hingegen ist es ein riesen Aufwand, es müssen Kostenvoranschläge eingereicht werden, die aber bei der Bewilligung oftmals keine Rolle spielen, es werden maximal 15 (!) Stunden beim ersten Antrag bewilligt mit teilweise nur 10€/Stunde für den Anbieter. Viel zu wenig für den riesen Aufwand, den wir dann auch noch für die Abrechnung haben, bei der Schüler, Eltern, unser Lehrer und wir als Inhaber jede einzelne Teilnahme gegenzeichnen müssen. Die meisten Anträge gehen daher dann gar nicht durch, da viele Familien die Hürden wegen sprachlicher Barrieren gar nicht schaffen. Die, die es schaffen, müssen nach wenigen Teilnahmen bereits einen neuen Antrag stellen. Den Kindern ist mit 15 Zeitstunden in den seltensten Fällen geholfen, gerade jetzt nach den ganzen Lockdowns...