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Die Wirtschaft lahmt: Wie wird Deutschland wieder Spitze?

Der Faktencheck zur Sendung vom 21.08.2023

In vielen Ländern geht es bergauf, aber Deutschlands Wirtschaft kriselt. Ist der Standort wirklich so schlecht, wie Wirtschaftsbosse und Experten sagen? Was hilft: Billigstrom für die Industrie? Steuern runter für Unternehmen? Oder etwas Geduld, weil das Land doch besser ist als sein Ruf?

Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt hartaberfair nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Jens Spahn über den Strompreis im Jahr 2042

Katharina Dröge sagt, es werde extrem viel dafür getan, um den Strompreis in Zukunft zu senken. Jens Spahn nimmt ihr das nicht ab. Schließlich sei es das “grüne Wirtschaftsministerium“ selbst, das für das Jahr 2042 einen Strompreis von 40 Cent pro Kilowattstunde prognostiziert.

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Jens Spahn

Anlässlich der Debatte über das Gebäudeenergiegesetz im Frühjahr hatte die Unionsfraktion des Deutschen Bundestages großen Klärungsbedarf. In einer kleinen Anfrage schickte sie einen Fragenkatalog mit 101 Fragen an die Bundesregierung. Unter anderem wollte die Union wissen, mit welchen Strompreisen das Bundeswirtschaftsministerium in den nächsten 20 Jahren rechnet. Wenn die Prognose des Bundeswirtschaftsministeriums eintreten sollte, bleibt der Strompreis im Grundtarif (Normaltarif) auch in den kommenden 20 Jahren auf einem hohen Niveau. Tatsächlich prognostiziert das Ministerium in seiner Antwort auf die Unions-Anfrage für das Jahr 2042 einen Strompreis von 40,27 Cent je Kilowattstunde. Zum Zeitpunkt der Antwort des Ministeriums (Ende Mai 23) lag der durchschnittliche Preis für Haushaltsstrom demnach mit 41,94 Cent etwas höher und soll in den kommenden beiden Jahren auf 37 Cent fallen. Danach, so die Vorhersage, soll er allerdings Jahr für Jahr schrittweise wieder ansteigen.

Ob langfristige Prognosen wie diese am Ende tatsächlich eintreffen, lasst sich heute schwer einschätzen. So könnten in Zukunft noch viele Variablen, die Einfluss auf den Strompreis haben können, auftauchen, an die heute noch niemand denkt.

Die Preisprognosen des Ministeriums für 2023 decken sich in etwa mit dem Strompreisindex für private Verbraucher des Vergleichsportals Verivox (Daten bis August 23). Etwas höher - zumindest für das erste Halbjahr 23 - lagen die durchschnittlichen Strompreise für Haushalte nach Brerechnungen des Bundesverbands für Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) mit 46,27 Cent je KWh. Allerdings verzeichnete auch das BDEW bereits zu Beginn des 2. Quartals sinkende Preise, so dass für das Gesamtjahr 23 mit einem niedrigeren Wert zu rechnen sein dürfte. Die Durchschnittspreise beinhalten laut BDEW Bestandskundentarife ebenso wie Neukundentarife.

Christian Kullmann über Olaf Scholz und sein Versprechen

Christian Kullmann wirft Bundeskanzler Olaf Scholz vor, sein Wahlkampfversprechen, für einen Industriestrompreis von vier Cent je Kilowattstunde zu sorgen, gebrochen zu haben.

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Christian Kullmann

Christian Kullmann spielt auf die Rede von Olaf Scholz beim Tag der Industrie im Sommer 2021 an, als Scholz noch Kanzlerkandidat der SPD war. In seiner etwa 20-minütigen Rede warb Scholz für einen drastischen Ausbau der erneuerbaren Energien. Er verwies auf den steigenden Energiebedarf der deutschen Industrie bis zum Jahr 2030 und darüber hinaus. Damit die Industrie im internationalen Wettbewerb bestehen könne, müsse Strom in Deutschland günstiger werden. “Mein Ziel ist ein Industriestrompreis von vier Cent“, sagte Scholz vor den Vertretern der deutschen Industrie. Scholz spricht also von einem Ziel. Streng genommen gab der heutige Kanzler kein Versprechen ab. Vorwerfen könnte man ihm, dass er dieses Ziel nicht erreicht hat. Allerdings waren zum Zeitpunkt seiner Rede die Umbrüche auf dem Energiemarkt als Folge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine auch für Olaf Scholz nicht vorhersehbar. Außerdem sagte Scholz in seiner Rede nichts darüber, ob sein Ziel eines billigen Industriestrompreises mit staatlichen Subventionen erreicht werden sollte, so wie es Wirtschaftsminister Habeck aktuell vorschlägt und in Teilen der Koalition und auch Union auf offene Ohren stößt. Einen vom Staat subventionierten Industriestrompreis lehnt Olaf Scholz heute jedenfalls ab. Noch vor wenigen Tagen bezeichnete er ihn auf dem Unternehmertag NRW als “ökonomisch falsch“ und “fiskalisch unsolide“.

Jens Südekum über Reallöhne

Jens Südekum sagt, die Reallöhne seien im letzten Jahr um fünfeinhalb Prozent gesunken.

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Jens Südekum

Das ist nach Angaben des statistischen Bundesamtes nur für das 4. Quartal des vergangenen Jahres richtig. In diesem Zeitraum sanken die Reallöhne um 5,4 Prozent im Vergleich zum 4. Quartal 2021. Betrachtet man das gesamte Jahr 2022, sanken die Reallöhne demnach um 4,0 Prozent im Vergleich zum Jahr 2021. Ein wesentlicher Grund für die gesunkenen Reallöhne war die hohe Inflation. Als eine Folge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine erhöhten sich die Verbraucherpreise im letzten Jahr um 6,9 Prozent. Die hohe Inflation zehrte die im Jahresschnitt um 2,6 Prozent gestiegenen Nominallöhne – also die tatsächlich ausgezahlten Löhne – mehr als auf.

Stand: 22.08.2023, 08:12 Uhr