Wie Renate Nowak gleich zweimal Opfer von Trickbetrug wurde
Landkreis Heinsberg | Verbrechen
Stand: 24.10.2024, 16:26 Uhr
Seniorin Renate Nowak aus Erkelenz ist nach einer Operation auf Unterstützung im Haushalt angewiesen. Doch die neue Putzkraft wird sie weit mehr als nur einen Monatslohn kosten.
Von Yunus Gündüz (Text), Daniel Engstler (Multimedia)
Renate Nowak ist erleichtert. Die 79-jährige Seniorin aus Erkelenz sitzt wegen einer Operation im Rollstuhl. Sie sucht eine Putzkraft, die sie entlastet. In Patricia Rado (Name von der Redaktion geändert) findet sie endlich eine geeignete Kandidatin. Rado wirkt sympathisch und bringt zum Kennenlernen sogar Kuchen mit. Beim Probetag hinterlässt sie die Wohnung blitzblank und kriegt den Job. Bald kommt Rado zu ihrem ersten richtigen Arbeitstag. Viel Zeit widmet sie dem Esszimmerschrank. Dort liegt allerdings auch der Tresorschlüssel - jener Tresor, der am nächsten Tag leer sein sollte.
So beschreibt Renate Nowak die Trickbetrügerin
00:33 Min.. Verfügbar bis 24.10.2026.
Kein Einzelfall
Renate Nowak ist Opfer eines perfiden Trickbetrugs geworden. Weder die Seniorin noch ihre Tochter hatten einen Verdacht. 16.500 Euro samt Schmuck, teilweise wertvolle Familienerbstücke, wurden ihr geklaut. Das Geld wurde ihr aus Portemonnaie und aus einer Schublade gestohlen. Im Tresor lagerte der wertvolle Schmuck. Gemeinsam mit den Wertsachen sind auch die Haustürschlüssel verschwunden. All das hat Rado an ihrem ersten Arbeitstag erbeutet.
Kein Einzelfall, sagt die Polizei Heinsberg. Der Fall "Patricia Rado" hat Überschneidungen mit einem weiteren Fall in Heinsberg. Auch hier sucht ein älteres Ehepaar per Online-Annonce eine Putzkraft. Danach fehlen wieder Geld und Wertgegenstände. Die Täterbeschreibungen ähneln sich - schlank, lange dunkle Haare zum Zopf zusammengebunden, circa 1,70 Meter groß. Wie sie wirklich heißt, weiß niemand. Beide Fälle ereignen sich Anfang September und liegen nur wenige Tage auseinander.
Professionell und unauffällig
Als Renate Nowak feststellt, dass nach dem Geld und Schmuck fehlen, ruft sie wutentbrannt bei Patricia Rado an. Es antwortet nur die Mailbox. "Netterweise hat sie mir die Fünf-Euro-Scheine dagelassen", sagt Nowak, "aber dass die Hausschlüssel weg waren. Das war mir zu viel". Auf die Idee, dass sowas passieren könnte, wäre Nowak nicht gekommen. Nur eine Sache machte sie stutzig. Auf die Frage, woher Rado komme, stockt und stammelt die Betrügerin: "Es klang vernuschelt nach Hückelhoven, aber da hat man gemerkt, dass sie nicht von hier kommt", sagt Rado. Außer ihrer Nummer und dem vermutlich falschen Vornamen weiß Renate Nowak nichts über ihre Putzkraft.
Dass Renate Nowak einmal auf Trickbetrüger reinfallen würde, hätte sie nicht gedacht
Die Kreispolizeibehörde Heinsberg empfiehlt Backgroundchecks, sich an seriöse Agenturen für Putzkräfte wenden, Personalausweis zeigen lassen sowie das Wichtigste darauf aufschreiben oder ganz klassisch Wertgegenstände und Geld sicher wegsperren. "Den Tresor- und Hausschlüssel im Esszimmerschrank liegenzulassen – das war leichtsinnig", sagt Nowak retrospektiv.
Nicht zum ersten Mal
Laut Polizei Heinsberg ist die Masche nicht neu. Im Gegensatz zum Enkeltrick, zu Schockanrufen oder vermeintlichen Handwerkern ist sie jedoch weniger bekannt. Nowak kennt zu ihrem Leidwesen auch diese Maschen schon: Mit der wurde sie schon vor dem Fall Patricia Rado Opfer eines Trickbetrugs. Zwei Männer gaben sich als Fernsehtechniker aus, passend zur Baustelle auf ihrer Straße. Unter dem Vorwand, man müsse die Programme überprüfen, sollte die Seniorin vor dem Fernseher warten. Als sie stutzig wurde, ergriffen die Täter die Flucht - zusammen mit 3.000 Euro aus dem Portemonnaie.
Senioren im Visier
Laut dem Land NRW gingen zwar die Betrugsfälle gegen ältere Menschen im Jahr 2023 um knapp 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück und generell sind Menschen über 60 im Vergleich zu anderen Altersgruppen seltener Opfer von Straftaten. Das könnte sich aber mit dem demografischen Wandel wieder ändern. Außerdem sind laut Gewerkschaft der Polizei psychische und physische sowie wirtschaftliche Folgen bei Rentnern oft gravierend. Nicht selten handele es sich um lebenslange Ersparnisse und hohe Summen. 2023 wurden bundesweit 117 Millionen Euro in rund 99.000 Fällen von Trickbetrug gegen ältere Menschen erbeutet.
Verschwundene Familienschätze
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Renate Nowak ist allerdings das Gegenbeispiel. Selbstverständlich ärgere sie sich über die geerbten Schmuckstücke, "aber andererseits habe ich noch zwei, drei Jahre zu leben und jeder Tag, an dem ich mich ärgere, ist ein verlorener Tag". Renate Nowaks Tochter sei überrascht gewesen, dass sie ihre Mutter nicht schluchzend vorgefunden habe. "Ich habe ein glückliches Naturell", entgegnet sie dazu. Renate Nowak möchte, dass ihre Geschichte als warnendes Beispiel dient. Sie zumindest konnte sich ihr Naturell bewahren: Mit ihrer neuen Putzkraft kommt sie gut aus.
Über dieses Thema haben wir auch am 02.10.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Aachen, 19.30 Uhr.