Ein Porträt einer Frau.

Kriminalfälle aus NRW: Wo ist die Leiche von Doris Seyffarth?

Oberhausen | Verbrechen

Stand: 15.07.2024, 17:05 Uhr

Der Fall Doris Seyffarth aus dem Mai 2013 ist mysteriös. Erst wird die Oberhausenerin als vermisst gemeldet. Fünf Wochen später ist sie noch immer verschwunden. Trotzdem ist die Polizei sich sicher: Seyffarth wurde in ihrer Wohnung getötet. Von ihrer Leiche fehlt aber jede Spur.

Von Hamzi Ismail

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Doris Seyffarth verschwindet

Doris Seyffarth war laut Polizei 57 Jahre alt, als sie starb. 1,62 Meter groß, schlank, langes schwarzes Haar. Sie war unverheiratet und hatte keine Kinder. Ihre Freundin Heike Heinrich, 60 Jahre alt, erinnert sich an sie: "Doris war ein sehr sympathischer und empathischer Mensch. Sie war sehr lebenslustig, eine attraktive Frau, hat gerne gelebt, viel getanzt und gefeiert."

WDR-Autor Hamzi Ismail hat sich für das Doku-Format "Lokalzeit MordOrte" der WDR Lokalzeit intensiv mit dem Fall Doris Seyffarth beschäftigt. Er hat dafür auch mit Seyffarths Freundin Heike Heinrich gesprochen:

Es ist der Freitag vor Pfingsten 2013, da ist Heike Heinrich mit Doris Seyffarth verabredet. Doch die alleinstehende Frau kommt nicht, sagt das Treffen auch nicht ab. Heinrich macht das stutzig, Unzuverlässigkeit kenne sie von ihrer Freundin nicht.

"Ich bin zu ihrer Wohnung nach Oberhausen-Osterfeld gefahren. Das ist zehn Minuten von mir entfernt. Ich habe an der Tür geklingelt und mich gewundert, dass vorne und hinten die Rollos runter waren. Das war ungewöhnlich um 13 Uhr. Auch ihr Nachbar wusste nichts", erzählt Heinrich. Am Abend fährt sie erneut zu Seyffarths Wohnung und findet die gleiche Situation vor.

Am Tag darauf bittet sie Seyffarths Ex-Mann sowie den Vermieter um Hilfe. Gemeinsam gehen sie in die Wohnung. Vielleicht hat sich Seyffarth verletzt, liegt auf dem Boden und braucht Hilfe, denken sie sich. Doch die Räume sind leer, es ist niemand da.

Die Situation in der Wohnung sei merkwürdig gewesen, erinnert sich Heinrich: "Die Wohnung war komplett dunkel, weil die Rollläden runter waren. Außerdem war es sehr warm in der Wohnung, alle Heizungen waren maximal aufgedreht, was im Mai außergewöhnlich war." Sie sieht persönliche Gegenstände wie Haustürschlüssel, Portemonnaie, Papiere, Handtasche auf einem Tischchen im Flur liegen. Auch das findet sie verdächtig.

Zu sehen sind eine Frau und ein Mann, die an einem Tisch sitzen und miteinander reden.

Freundin Heike Heinrich fiel das Verschwinden von Doris Seyffarth als Erste auf

War Doris Seyffarth freiwillig weggegangen, um ein neues Leben anzufangen? Das jedenfalls war die erste Theorie der Polizei Essen, als die 57-Jährige von ihrem Ex-Mann als vermisst gemeldet wird. "Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Mensch freiwillig seinen aktuellen Lebenskreis, sein Lebensumfeld verlässt. Vielleicht im Streit mit dem Partner", erklärt der frühere Chef der Essener Mordkommission Michael Weskamp 2014 gegenüber dem WDR.

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Blutspuren

Doch weshalb sollte Seyffarth all ihre persönlichen Wertsachen zurücklassen, wenn sie weggegangen sein soll? Für Heike Heinrich klang diese Theorie unrealistisch. Vor allem, weil auch Seyffarths Auto verschwunden war.

Fünf Wochen lang passiert nichts. Dann wird Doris Seyffarths Auto, ein schwarzer Fiat Panda, am Bahnhof des Oberhausener Stadtteils Osterfeld gefunden. Etwa zwei Kilometer sind es von hier zu Seyffarths Wohnung. Im Auto werden Blutspritzer gefunden. Aus dem Vermisstenfall wird eine Mordermittlung der Essener Kriminalpolizei.

Daraufhin durchsuchen die Ermittler Seyffarths Wohnung noch einmal genau. Ihnen fällt auf, dass einige Gegenstände fehlen: Der Computer, ein Messerset, auch Seyffarths Katze ist weg. Sie setzen eine Chemikalie ein, die Blutflecken sichtbar macht. In der kompletten Wohnung gibt es Blutspuren: Auf dem Boden im Wohnzimmer, vor allem aber im Badezimmer und in der Badewanne. Untersuchungen ergeben, dass das Blut von Doris Seyffarth stammt.

Aufgrund der großen Mengen ist sich die Polizei sicher, dass Seyffarth den Angriff in ihrer Wohnung nicht überlebt haben kann. Mehrfach müssen ein oder mehrere Täter brutal mit einem Messer auf sie eingestochen und die Wohnung anschließend gereinigt haben. Dann könnten sie Seyffarths Leiche eingewickelt und in ihrem Auto an einen fremden Ort gebracht haben. Aber wer hatte ein Motiv, Doris Seyffarth zu töten?

Zu sehen sind weiße Flecken in einer Badewanne, die von einem bläulichen Licht angeleuchtet werden.

Ermittler finden Blutspuren in der Wohnung von Doris Seyffarth (Symbolbild)

Die Ermittler fahnden im Umfeld des Opfers. Schnell stoßen sie auf Seyffarths neuen Freund Thomas* (*Name geändert). Ihn hatte die arbeitssuchende Frau erst wenige Wochen zuvor in einer Kneipe kennengelernt. Thomas arbeitete als LKW-Fahrer und war hilfsbereit. Er besorgte Doris Seyffarth eine neue Wohnung, als ihre aktuelle ihr wegen Eigenbedarfs gekündigt wurde.

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Wer hatte ein Motiv?

Kurz vor ihrem Verschwinden berichtete die 57-Jährige ihrer Freundin Heike Heinrich davon, dass sie bereits einige Umzugskisten gemeinsam mit Thomas in dessen Garage gefahren hat. Laut Heike Heinrich seien Seyffarths gepackte Kisten später jedoch nicht mehr auffindbar gewesen: "Die Kartons waren nicht in der Garage und auch nicht mehr in ihrer Wohnung. Ihr neuer Freund hat bei der Polizei ausgesagt, es seien nie Kisten von Doris in seiner Garage gewesen. Warum sollte mir Doris davon berichtet haben? Sie hatten keinen Grund, mich anzulügen." Die Polizei befragt Thomas erst als Zeugen, später auch als Tatverdächtigen. Er war eine der letzten Personen, die Seyffarth lebend gesehen haben.

Er streitet ab, etwas mit dem Tod seiner Freundin zu tun zu haben. Die Polizei kann ihm keine Tatbeteiligung nachweisen. Thomas präsentiert den Beamten vielmehr einen neuen Verdächtigen. Bei seinem letzten Besuch in Seyffarths Wohnung sei noch ein weiterer Mann anwesend gewesen. Er soll Karsten heißen. Mithilfe seiner Beschreibungen erstellt die Polizei ein Phantombild, fahndet nun öffentlich nach ihm - mit Erfolg.

Karsten wohnt nur wenige Minuten von Doris Seyffarth entfernt. Die Beamten vernehmen ihn auf dem Revier, doch er weist die Vorwürfe von sich. Er kenne Doris Seyffarth nicht einmal. Untersuchungen der Polizei bestätigen: Der Mann hat ein Alibi für die Tatzeit.

War es Zufall, dass die Beschreibung von Thomas so gut auf diese Person passte? Gibt es da draußen einen weiteren Karsten, der optisch zum Fahndungsbild passen könnte? Oder hatte Thomas die Geschichte nur erfunden und einen Sündenbock gesucht, um von sich selbst abzulenken? Auf diese Fragen gibt es bis heute keine Antworten.

Laut der Essener Polizei wird der Fall Doris Seyffarth aktuell durch die Ermittlungsgruppe Cold Cases bearbeitet. Akten würden derzeit analysiert und neu bewertet. Denkbare Maßnahmen seien die Auswertung von Spuren mit modernen Analyseverfahren oder auch erneute Zeugenbefragungen, heißt es auf Anfrage des WDR.

Zu sehen ist das Schwarz-Weiß-Bild einer Frau, die in die Kamera guckt und lächelt.

Was mit Doris Seyffarth passiert ist, konnte bis heute nicht geklärt werden

Seit elf Jahren ist Doris Seyffarth inzwischen tot. Die Hintergründe sind nach wie vor ungeklärt. Für ihre Freundin Heike Heinrich ist das nur schwer zu verkraften, doch sie gibt die Hoffnung nicht auf: "Vielleicht gibt es da draußen Menschen, die sich auch Jahre später noch melden. Sei es, weil der Täter sich ihnen anvertraut hat, sie was gehört haben oder vor elf Jahren noch nicht so weit waren, sich mitzuteilen. Das bringt Doris zwar nicht zurück, aber mir wäre es wichtig, dass ihre Überreste in Würde begraben werden können."