Martin Kieczka sitzt in einem kargen Konferenzraum. Auf dem Tisch liegen mehrere Aktenordner und zugeklebte Pappkartons. Kieczka beugt sich über ein paar alte Fotos. Sie zeigen einen Mann, der tot im Bett liegt. Er wurde ermordet. Fast 25 Jahre ist das her.
Der Mord an dem Solinger Rentner ist Kieczka erster Cold Case in seiner Rolle als Rentner-Cop. Er hofft, mittels aktueller DNA-Analysen und weiterentwickelter Untersuchungsmethoden in dem Fall neue Ermittlungsansätze zu finden. Kleinste Partikel reichen aus, um Ergebnisse zu erzielen.
16 Jahre leitete Martin Kieczka das KK 11, das Kriminalkommissariat für Kapitaldelikte, Todes- und Brandermittlungen. Ende Oktober 2023 hatte er mit 62 Jahren das Pensionsalter eines Polizisten erreicht. Statt sich in Rente zu verabschieden, geht er als einziger Rentner-Cop in Wuppertal auf Verbrecherjagd. Mehr über das Projekt Renter-Cops gibt es hier zu lesen.
Der erste Cold Case als Rentner-Cop
Kieczkas erster Cold Case ist die Suche nach dem Mörder von Rudi Mistele. Er war das Opfer auf den Fotos, die sich der Ermittler eben angeschaut hatte. Mistele, 79 Jahre alt und alleinstehend, wurde am 18. Januar 1999 von Nachbarn tot in seiner Wohnung entdeckt.
Schubladen und Schränke waren durchwühlt. Kieczka geht von Raubmord aus. Wie genau der Rentner ums Leben kam, will er nicht verraten. Dabei handelt es sich um Täterwissen. Fest steht, es gab einen Kampf.
Welche Aufgaben hat ein Renter-Cop?
Kieczka kann sich auf die alten Fälle einlassen, ohne ständig vom Tagesgeschehen unterbrochen zu werden. Er liest sich in Akten ein, guckt sich Fotos und Asservate an. "Meine Aufgabe ist es, die alten Fälle aufzugreifen. Zu schauen, ob wir mit den neuen Methoden der Spurenerkennung noch Spuren finden, die letztendlich zum Täter führen." Durchsuchungen anordnen oder Haftbefehle vollstrecken darf er als pensionierter Polizeibeamter nicht mehr. Unterstützung bekommt er deswegen von einer jungen Kollegin.
Cold Cases gehören zwar auch zum Alltag eines normalen Mordermittlers, doch aktuelle Fälle haben immer Vorrang. Das Kriminalkommissariat 11 im Bergischen Städtedreieck ermittelt jährlich in etwa fünf bis zehn Mord- und Tötungsdelikten sowie 20 bis 25 versuchten Tötungsdelikten. Hinzu kommen ungeklärte Todesfälle, bei denen ein Arzt nicht unmittelbar einen natürlichen Tod bescheinigen konnte.
Hoffnung auf den Durchbruch
Kieczka hat sich inzwischen durch einige der alten Akten im Fall Mistele gearbeitet. Er hat erfahren, dass der Solinger Rentner ein zurückgezogenes Leben führte, sich aber laut Bekannten nach einer Partnerin sehnte. Über ein Zeitungsinserat hatte er kurz vor seinem Tod eine Haushälterin gesucht.
Doch alle Spuren, die Kieczka und seine Kollegen damals und bis heute verfolgten, liefen ins Leere. Dennoch ist der 62-Jährige optimistisch, den Täter auch fast 25 Jahre später noch zu ermitteln: "Als die Tat passiert ist, waren die Spurensicherungsmaßnahmen natürlich ganz andere. Die Methoden sind viel feiner geworden, insbesondere bei der DNA-Analyse. Wir können heute ganz andere Spuren auswerten als damals."
Erfolg der Kollegen als Motivation
Kieczka denkt zum Beispiel an seine Kollegen aus Köln. Sie sind sich sicher, nach 35 Jahren den Karnevalsmörder gefunden zu haben. Oder an den Fall der getöteten Claudia Knapp aus der Nachbarstadt Velbert. Die Stewardess war 2007 von ihrem damals 14-jährigen Sohn ermordet aufgefunden worden. Im Spätsommer 2023 wurde ein neuer Tatverdächtiger überführt.
So einen Ermittlungserfolg würde auch Kieczka gern erleben: "Vielleicht finden wir Zeugen von damals, die mehr über das Geschehen wissen. Gemeinsam mit den neuen Spurensicherungsmethoden ist das meine größte Hoffnung."
Über das Thema berichten wir am 30.11.2023 auch im WDR-Fernsehen in der Lokalzeit Bergisches Land um 19.30 Uhr.