Schon beim ersten Blick in das noch dunkle Schieferbergwerk ist Anja Kuschel begeistert. Gleichzeitig steigt ihre Nervosität. Die erfahrene Tauchlehrerin geht, wie sie selbst sagt, normalerweise in warmen, lichtdurchfluteten Revieren auf Entdeckungstour. Im Sauerland erwartet sie sieben bis acht Grad kaltes Wasser. Das Gestein schluckt etwa 80 Prozent des Lichts, auch starke Lampen können hier keine sonnige Südsee-Stimmung herbeizaubern. "Und ich kann nicht einfach auftauchen, wo ich will, die Gänge stehen bis zur Decke voll Wasser", sagt die 32-Jährige.
Das Schieferbergwerk Nuttlar ist eines von ganz wenigen Bergwerken in Deutschland, in dem Tauchen erlaubt ist. In NRW gibt es nur in Porta Westfalica ein ähnliches Angebot. Seit Januar ist das Bergwerk Nuttlar sogar ausgezeichnet. Zum Jahresbeginn wurden auf der "boot"-Messe in Düsseldorf zum zweiten Mal überhaupt die "boot"-Dive Awards in verschiedenen Kategorien vergeben. Die beste Destination: Das Tauchbergwerk in Bestwig-Nuttlar. 3000 Euro gab es dafür.
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Anja Kuschel hatte von der Untertage-Tauchmöglichkeit zum ersten Mal gehört, als sie mit Matthias Richter eine Folge für ihren Tauch-Podcast "tauchen2go" aufzeichnete. Richter ist Betreiber des Bergwerks. In der Sommersaison sind die angebotenen Touren schnell ausgebucht. Dabei dürfen nur Tauchende ins Bergwerk, die einen Schein für technisches Tauchen haben und zusätzlich eine Qualifikation für das Höhlen- oder Bergwerktauchen. Im Winter ist der Spot stillgelegt, da Fledermäuse die nicht gefluteten Gänge als Winterquartier nutzen. Die Tiere reagieren empfindlich auf Menschen und dürfen nicht gestört werden.
Nicht nur die Temperatur ist eine Herausforderung
Eine halbe Stunde später geht Kuschel in einen dicken Trockentauchanzug eingepackt ins Wasser. Sie lächelt. Respekt vor den dunklen Tunneln hat sie weiterhin, aber auch Vorfreude. Bergwerk-Betreiber Richter begleitet sie auf ihrer Entdeckungstour. Das sogenannte "Briefing" vor dem Start ist deutlich länger und ausführlicher, als Kuschel es gewohnt ist. "Wir müssen genau absprechen, welche Strecke wir tauchen werden und was zu tun ist, wenn es technische Schwierigkeiten gibt", sagt sie. "Matthias hat mehrfach gesagt, dass ich lieber zu früh signalisieren soll, wenn ich mich unwohl fühle, als zu spät."
Die Gänge im seit 1985 stillgelegten Schieferbergwerk entschädigen für den Aufwand und lassen Kuschel das kalte Wasser schnell vergessen. Überall sind noch Werkzeuge, Loren oder Schubkarren. Genau da, wo sie nach der letzten Schicht vor fast 40 Jahren liegen geblieben sind. Als der letzte Bergmann Feierabend damals machte, schaltete er nicht nur das Licht aus, er stellte auch die Pumpen ab. Sieben Jahre dauerte es, bis das Bergwerk mit Grundwasser volllief. Jetzt steht der Wasserspiegel so hoch wie die Ruhr, die wenige Meter am Eingang vorbeifließt.
Für Freiwassertauchende wie Kuschel ist die Geräuschkulisse unter Wasser ungewohnt. Die Blasen ihrer Atemluft sammeln sich unter den Decken der Gänge und steigen von da aus langsam aber lautstark in Richtung Ausgang. Alle müssen aufpassen, dass sie kein Sediment mit ihren Flossen aufwirbeln. Sonst ist innerhalb weniger Sekunden die Sicht auf ein paar Zentimeter beschränkt. "Die Sicherungsleinen, an denen wir auch in völliger Dunkelheit wieder nach draußen finden, sollte man normalerweise nicht loslassen, oder zumindest sofort wieder greifen können", erklärt die Taucherin.
Nach einer knappen Stunde tauchen Kuschel und Richter wieder auf. Der Podcasterin ist die Begeisterung anzusehen und anzuhören. "Das war grandios. Ich bin mir sicher, ich komme noch mal wieder", sagt sie und ist angenehm überrascht, dass der dicke Tauchanzug sie warm gehalten hat. Lediglich das Gesicht und die Finger sind eiskalt geworden. "Meine Handschuhe sind neu und für diese Verhältnisse etwas zu groß", sagt sie. "Das ist beim nächsten Mal anders."
Über dieses Thema haben wir auch am 31.05.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Südwestfalen, 19.30 Uhr.