Katharina Wolff und zwei weitere Bergungstaucher vom THW Düren in ihren Tauchanzügen

Bergungstauchen in Extremsituationen: Eine Ehrenamtliche erzählt ihre Geschichte

Bonn | Ehrenamt

Stand: 09.11.2023, 14:11 Uhr

Hochwasser abwehren, Pistolen und Autos aus dem Wasser holen oder Leichen bergen - die Aufgaben von Bergungstauchern sind komplex. Katharina Wolff macht den Job ehrenamtlich für das THW in Bonn-Beuel. Sie hat viel erlebt und gesehen, doch auf ein Erlebnis wartet sie bislang vergeblich.

Von Florian Vitello

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Bergungstaucher-Stufe 1 – Menschen häufig suchen, selten retten

An einem heißen Sommertag, während einer Übung, werden die Bergungstaucher des THW Düren voralarmiert: Im Eiserbachsee in Rurberg ist ein Nichtschwimmer ins Wasser geschubst worden. Während sie ihre Pressluftflaschen befüllen, wissen sie noch nicht, dass der junge Mann in der Eifel bereits verstorben ist. In diesem Moment erreicht sie ein weiterer Notruf. "Das ist ein Scherz", denkt Katharina Wolff. Die 33-Jährige ist seit 2002 ehrenamtlich beim Technischen Hilfswerk, 2011 begann sie mit ihrer Ausbildung zur Bergungstaucherin.

Wolff hat noch nie zuvor erlebt, dass gleich zwei Personensuchen am selben Tag in zwei unterschiedlichen Gewässern durchgeführt werden müssen, obwohl im letzten Jahr laut DLRG 355 Personen in Deutschland ertranken. Leider handelt es sich nicht um einen Scherz. Am Blausteinsee nördlich von Eschweiler wird ein weiterer junger Mann vermisst. Wolff und ihr Team rücken aus, bilden eine Suchkette, doch sie kommen zu spät. An einer flachen Stelle in Ufernähe finden sie die Leiche. Der Verunglückte hatte mit Freunden getrunken, bevor sie um die Wette schwammen. Auf halber Strecke klagte er über Übelkeit und kehrte um.

Ein Taucher an der Wasseroberfläche

Die Ausrüstung ist sehr schwer, denn die Bergungstaucher müssen für vielfältige Einsätze gewappnet sein

Wolff kann unter Wasser erkennen, dass die Person keinen Widerstand geleistet hat: „Ein Nichtschwimmer, der um sein Leben gekämpft hat, schaut erschrocken drein. Bei dem jungen Mann im Blausteinsee konnte ich sehen, dass er wohl angetrunken einigermaßen friedlich die Augen geschlossen hat“, berichtet sie.

Im Gegensatz zum Rettungstauchen liegt beim Bergungstauchen schon in der Begrifflichkeit, dass Wolff sich anders auf einen Einsatz einstellen muss. In der ersten von drei Bergungstaucher-Stufen lernen die Anwärterinnen und Anwärter sowohl das Suchen als auch das Retten von vermissten Personen, doch in der Realität ist letzteres der Ausnahmefall. "Ich weiß, wenn ich reingehe: Die Wahrscheinlichkeit, dass derjenige überlebt hat, geht gegen Null", sagt Wolff nüchtern. Ihre Kolleginnen und Kollegen sind immer wieder erstaunt, aber auch dankbar ob ihrer Ruhe in Extremsituationen. "Kalt lassen mich Einsätze mit Menschen aber nie", sagt sie.

Wie die Arbeit der Bergungstaucher unter Wasser aussieht

00:53 Min. Verfügbar bis 09.11.2025

Ihre erste Personensuche kam für Wolff plötzlich. Sie war auf dem Weg zu einem Trainingseinsatz, als sie von der Polizei abgefangen wurde. Ein Kind mit Trisomie 21 war in die Rur gefallen. "Ist das nicht etwas für euch?", fragte einer der Beamten. Die Bergungstaucherin und ihr Team eilten sofort zur Stelle des Geschehens. "Ich schalte da um. Dann funktioniere ich", sagt sie. In unzähligen Lehrgängen hat sie geübt, ihre Belastung zu steuern. Eine emotionale Distanz während des Einsatzes ist dafür unerlässlich.

Es grenzt an ein kleines Wunder, dass das Kind 900 Meter flussabwärts eigenständig aus der Rur klettern konnte. Aber Notsituationen mit Kindern haben im Nachhinein auch bei erfahrenen Einsatzkräften wie Wolff eine andere Schlagkraft. Nach einem solchen Tag freut sie sich auf Freunde und Familie zuhause. Am besten erholt sie sich aber bei ihrem Pferd Blümchen. Hauptberuflich arbeitet sie als Erzieherin in einem Naturkindergarten.

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Bergungstaucher-Stufe 2 – Das Heben von Waffen, PKW, Bier und Booten

Viel mehr als mit Menschen, hat das Bergungstauchen mit Umweltschutz zu tun. Ein großer Teil des Aufgabengebiets liegt darin, Gegenstände zu bergen, die im Wasser Schadstoffe freisetzen. Dazu gehören Schwermetalle von Rost, Kraftstoffe oder auslaufende Batterien. Einmal musste Wolff, die heute bei der Fachgruppe Örtliche Gefahrenabwehr Bergungstauchen des THW Beuel tätig ist, im Zulauf eines Tümpels einen Tresor bergen. Es waren 40 Grad, das Wasser war derart flach, dass es kaum Abkühlung bot und die Tauchausrüstung tat ihr Übriges zur Hitze. Der Tresor wurde an die Polizei übergeben. Wolff erfuhr nie, was sich darin verbarg.

Fotogalerie: Die Bergung eines gesunkenen Boots

Im Gremberghovener See in Köln holen die Bergungstaucher des THW ein gesunkenes Ruderboot an die Oberfläche. Bei der Bergung bildet Katharina Wolff gleichzeitig einen Anwärter für die Bergungstaucherstufe 2 aus.

Ein Kollege erstattet Bergungstaucherin Katharina Wolff Bericht

Wolffs Anwärter für Bergungstaucherstufe 2 hat ein Wrack im Gremberhovener See ausgekundschaftet

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Wolffs Anwärter für Bergungstaucherstufe 2 hat ein Wrack im Gremberhovener See ausgekundschaftet

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Auf dem Sonar sieht man deutlich ein im Sturm gekentertes Boot und einen Steg, der ebenfalls untergegangen ist

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Der Anwärter geht ins Wasser mit Rundschlingen und Hebesäcken

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Katharina Wolff hält ihren Schützling aus Sicherheitsgründen an der langen Leine

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Unter Wasser muss der Anwärter Rundschlingen und Hebesäcke trotz trüber Sichtverhältnisse an Steg und Boot anbringen

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Die Hebesäcke werden dann vom Boot aus mit Pressluft befüllt und lassen das Wrack an die Oberfläche treiben

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Auch wenn es an Land klein aussieht, am Boden des Sees wog das Boot samt Sand und Wasser knapp 650 Kilogramm

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Doch diese Enttäuschung gehört ebenfalls zum Job: "Man ist ein kleiner Schatzsucher, aber meistens ohne Erfolg." Dafür verbergen sich unter den Stegen oft wahre Schätze, scherzt Wolff: Nicht selten sind Angler, die ihre Bar gerne im kühlen Wasser lagern, so dankbar für die Rückgewinnung abtrünniger Flaschen, dass sie die Taucher im Gegenzug auf ein Feierabendbier und Forelle vom Grill einladen. "Segler verlieren gerne auch noch teurere Spirituosen, da lohnen sich dann Verhandlungen für die Spendenkasse des Helfervereins des OV Beuel".

Häufig müssen Gegenstände geborgen werden, weil sie im Zusammenhang mit einer Straftat stehen. "Gewässer nahe der Autobahn sind besonders beliebte Stellen dafür", sagt die Bergungstaucherin. Wolff hat schon Pistolen und sogar ein Maschinengewehr entdeckt. Am ehesten jedoch finden sie PKW. "Die werden gerne in Seen versenkt, nachdem sie zum Beispiel als Diebesgut-Transporter verwendet wurden".

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Wenn Autos geborgen werden müssen, sind Bergungstaucher der Stufe zwei gefragt. Sie haben die Befugnis, Gegenstände ab 250 Kilo zu heben. Im Gremberghovener See hatte Wolff einmal einen besonderen Suchauftrag. Die Einsatzbeschreibung: "Im See liegt ein PKW, im Kofferraum wird eine Person vermutet". Das Auto ortete Wolff mit ihrem Team relativ zügig, doch eine Leiche wurde niemals gefunden. "Darum geistert das hier noch als Mythos herum, dass es noch einen zweiten PKW gibt, in dem diese Person liegt", sagt Wolff. Ein weiteres Fahrzeug konnte allerdings auch per Suche mit Sonar nicht gefunden werden.

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Bergungstaucher-Stufe 3 – Arbeiten mit Kettensäge und Bohrhammer unter Wasser

Nicht immer können schwere Gegenstände einfach geborgen werden. In diesem Fall müssen Bergungstaucher der Stufe drei mit schwerem Gerät anrücken. Unter Wasser durchtrennen sie mit einem Prime Cut, einer sauerstoffbetriebenen Schneidlanze, die an der heißesten Stelle 5000 Grad Celsius erreicht, beispielsweise verkantete Schleusen. Oder sie zertrümmern massive Steine und Betonklötze mit dem hydraulischen Bohrhammer.

THW-Taucherin Katharina Wolff arbeitet unter Wasser mit einer pneumatischen Kettensäge

Katharina Wolff schneidet mit einer pneumatischen Kettensäge unter Wasser

Selbst Katharina Wolff, die alle Bergungstaucher-Stufen absolviert hat und die als Ausbilderin und Gruppenführerin einen Jahresumfang von circa 1000 gebuchten Stunden ehrenamtlicher Arbeit absolviert, muss regelmäßig an Schulungen teilnehmen. Dafür fährt sie ins Pioniers-Ausbildungszentrum der Bundeswehr nach Percha am Starnberger See. Dort übt sie unter vollständiger Schlauch-Versorgung, das heißt mit schwerem Helmtauchgerät, unter Wasser mit der Kettensäge zu schneiden oder mit einem übergroßen Staubsauger Schadstoffe zu entfernen.

Das Training ist anstrengend. Aber im Notfall ist es überlebenswichtig, dass jeder Handgriff sitzt. Wolff machte diese Erfahrung etwa als Zugführerin beim Unwetter Bernd im Erfttal: "Ich war heilfroh darum, nicht selbst ins Wasser gehen zu müssen. Gleichzeitig haben sich meine Kollegen blind auf mich verlassen. Da muss man die Abläufe und Risiken vor Ort genau kennen."

Es gibt nur noch eine Sache, die Wolff unbedingt dazu lernen will: unter Wasser zu sprengen. Beim letzten Hochwasser in Magdeburg saßen sie und ihre Kollegen auf gepackten Taschen, wurden aber schlussendlich nicht eingesetzt. Wolff musste im Fernsehen mit ansehen, wie der Krisenstab einen Damm brechen ließ und schließlich das Loch mit gesprengten Schiffen stopfte. "Es hat mir in den Fingern gekribbelt, eine schönere Lösung zu finden".

Sollte sie eines Tages solcherlei Entscheidungen als Sprengmeisterin eigenständig unter Wasser treffen dürfen, möchte sie aber trotzdem hauptberuflich weiter ihren Traumjob Erzieherin ausüben. So anspruchsvoll es auch ist, Bergungstauchen soll immer ihr liebstes Ehrenamt bleiben.