Andreas Engelke wandert mit Besuchern durch den Nationalpark

Unterwegs mit dem Eifelranger

Euskirchen | Unterwegs

Stand: 27.12.2023, 11:55 Uhr

Mehrmals pro Woche führt Ranger Andreas Engelke Besucher durch den Nationalpark Eifel - bei der Wanderung "Wilder Kermeter". Und das kostenlos. Warum diese Tour etwas für jeden ist und was den Wald besonders macht, zeigt ein Besuch in NRWs einzigem Nationalpark.

Von Hanna Makowka

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Nationalpark erleben - und das barrierefrei

Es ist kalt an diesem Sonntagmittag, dazu Regen, der nicht aufhören will. Und trotzdem wird es gegen 13 Uhr voll am "Rangertreffpunkt". 19 Erwachsene, acht Kinder und vier Hunde sind dabei. Die Menschen gekleidet in wetterfesten Outdoorjacken und Wanderschuhen, auch einer der Hunde trägt ein Regencape.

Sie alle sind hier, um die geführte Wandertour "Wilder Kermeter" im Nationalpark Eifel zu machen. Und dafür ist auch er hier: Andreas Engelke. Er ist Ranger und wird die Gruppe heute durch den Wald leiten. "Herzlich willkommen im Nationalpark Eifel", sagt der 61-Jährige. Dann erklärt er ein paar Regeln, die Wanderer dürfen beispielsweise die ausgeschilderten Wege nicht verlassen.

Was den Nationalpark so sehenswert macht, weiß Ranger Andreas Engelke

00:30 Min. Verfügbar bis 27.12.2025

"Wegen der Kinderwagen müssen Sie sich keine Sorgen machen. Das wird keine Probleme geben", meint Engelke. "Diese Wanderung ist nämlich eine ganz besondere: Sie ist barrierefrei. Der Nationalpark soll für alle Menschen erlebbar sein, das ist uns ganz wichtig."

Selbstverständlich sei das in einem Nationalpark nicht: "Es ist ein absolutes Alleinstellungsmerkmal, dass es im Nationalpark Eifel einen Wanderabschnitt gibt, der zu hundert Prozent barrierefrei ist - das gibt es nirgendwo anders in Deutschland." Heute sind nur die Eltern mit Kinderwagen auf die Barrierefreiheit angewiesen.

Alle Infos zur barrierefreien Wanderung "Wilder Kermeter"

  • Die Wanderung "Wilder Kermeter" findet jeden zweiten Sonntag statt. Teilnehmen kann jeder ohne vorherige Anmeldung. Nach vorheriger Absprache können die Ranger auch einen mobilen Hörverstärker mitbringen oder einen Gebärdendolmetscher organisieren.
  • Ausgangspunkt ist der Rastplatz "Wilder Kermeter". Es gibt aber auch die Möglichkeit, mit dem Bus zu kommen. Die entsprechende Haltestelle heißt ebenfalls "Wilder Kermeter" und ist barrierefrei.
  • Von der Haltestelle mit Blindenleitsystem führt ein barrierefreier Fußweg bis zum Rastplatz Kermeter. Von hier aus sind es nur wenige Meter zu Fuß zum ausgeschilderten "Rangertreffpunkt". Die Wanderung ist fünf Kilometer lang.
  • Die komplette Tour ist barrierefrei. Im Winter wird der Wanderweg geräumt, damit es für Menschen im Rollstuhl oder gehbehinderte Personen nicht zu rutschig wird. Abseits von den Wegen bleibt die Natur natürlich unberührt.
  • Am Treffpunkt stehen barrierefreie Toiletten zur Verfügung. Alle 250 Meter stehen Bänke am Wegesrand. Für Blinde und sehbehinderte Menschen gibt es an Kreuzungen ein taktiles Leitsystem auf dem Boden zum Orientieren und es gibt Beschilderung in Brailleschrift sowie in erhabener Schrift.

"Ungefähr drei Stunden wird die Wanderung dauern", sagt Engelke. "Aber wenn es länger dauert, auch egal. Wir wollen entschleunigen, wir gucken, was links und rechts vom Weg liegt." Dann schreitet er mit großen Schritten voran in Richtung Wald.

Zwischen den bunten Regenjacken der Wanderer ist er unschwer als Ranger zu erkennen: Er ist als einziger ganz in Braun gekleidet. Braune Wanderschuhe, braune Hose, bei der aus der Seitentasche eine Landkarte herausguckt, braune Jacke. Auf seinem linken Ärmel prangt ein Aufnäher mit der Aufschrift "Forstverwaltung".

Der Nationalpark liegt im Norden der Region Eifel. Mit seinen rund 11.000 Hektar ist er größer als die Stadt Gelsenkirchen - oder 15.000 Fußballfelder zusammen. Er ist einer von 16 Nationalparks in Deutschland, aber der einzige in ganz Nordrhein-Westfalen.

Genau wie die anderen Parks hat er eine zentrale Aufgabe: Hier darf die Natur ihren freien Lauf nehmen. Das funktioniert, indem sie vor Eingriffen durch Menschen geschützt wird. So soll die Natur erhalten werden - und das auch für viele zukünftige Generationen.

Langsam setzen sich auch die Teilnehmer der geführten Wanderung in Bewegung. Jetzt im Herbst ist der Waldboden mit Laub in buntem Gelb und Braun übersät. Bei jedem Schritt knirschen die Blätter unter den Füßen. Sonst sind keine Geräusche zu hören. Der Lärm der Zivilisation ist weit weg.

So hört sich ein Spaziergang im Nationalpark Eifel an

WDR Studios NRW 06.12.2023 00:19 Min. Verfügbar bis 27.12.2025 WDR Online


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Nur gucken, nicht anfassen

Nach wenigen Minuten hält der Ranger an. Es dauert ein bisschen, bis sich die Gruppe um ihn herum versammelt hat. Jeder kann in seinem eigenen Tempo gehen, Engelke wartet geduldig auf alle. Dann schauen ihn die Wanderer neugierig an. Der Ranger lässt sich nicht lange um eine Erklärung für den Stopp bitten. "Schaut mal, da am Rand. Seht ihr den Pilz? Das ist ein Großer Schirmling."

Die Gruppe steht in einem Halbkreis um ihn herum, eine Frau erkundigt sich, ob dieser Pilz essbar sei. "Also, Sie können jeden Pilz essen, gar kein Problem. Manche aber nur einmal." Die Wanderer lachen und der Ranger ergänzt: "Spaß beiseite. Der Große Schirmling ist essbar, aber hier im Nationalpark dürfen Sie keinen Pilz ernten. Hier gilt: Nur gucken, nicht anfassen! Außer, ein Ranger erlaubt es." In vielen Waldgebieten sieht das anders aus. Außer Trüffel dürfen die meisten Pilzarten für den Eigenbedarf gesammelt werden. Bei einer Pilzwanderung sollte man aber immer mit einem Experten unterwegs sein - sonst kann es schnell gefährlich werden.

Dass die Natur von Menschen unangetastet bleibt, ist für den Nationalpark wichtig. Denn aktuell gilt er noch als "Entwicklungs-Nationalpark" - wie die meisten Nationalparks in Deutschlands. Er wurde erst 2004 gegründet. Jetzt hat er 30 Jahre Zeit, um als bestehender Nationalpark anerkannt zu werden und muss dafür einige Kriterien erfüllen.

Dazu zählt zum Beispiel, dass mindestens drei Viertel der Fläche sich selbst überlassen sein muss. Das heißt, der Mensch darf in diese Gebiete nicht eingreifen, keine kranken Bäume fällen oder neue Bäume pflanzen. Erst dann sind die internationalen Kriterien eines Nationalparks erfüllt. Dieses Ziel wird im Nationalpark Eifel voraussichtlich aber sogar übertroffen werden. Dann setzt sich der Wandertrupp wieder in Bewegung.

Andreas Engelke wandert mit Teilnehmern durch den Wald

Die Wanderung führt im Herbst durch bunte Wälder

Weil es in den vergangenen Tagen und auch an diesem Tag viel geregnet hat, ist der Waldboden weich und matschig. Bei jedem Schritt sinken die Wanderer ein bisschen ein.

Doch dann hört der Regen plötzlich auf. Einige ziehen sich erleichtert die Kapuze vom Kopf und recken das Gesicht in Richtung Sonne, die sich zaghaft ihren Weg durch die bunten Blätter der Bäume bahnt. Ihre Strahlen sind zu dieser Jahreszeit zwar nicht besonders wärmend, tun aber trotzdem gut. Alle paar hundert Meter hält Ranger Engelke an, um etwas zu erklären. Mal ist es der Zweig einer Lärche, den er herumreicht und dessen Nadeln in hellem grün leuchten, dann weist er am Wegesrand auf eine 200 Jahre alte Buche hin.

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Highlight: Blick über den Rursee

"Jetzt geht es kurz ein bisschen bergauf", warnt Engelke. "Aber oben wartet eine Belohnung. Versprochen." Die Steigung ist nicht allzu stark und der Berg für alle gut machbar. Der Weg schlängelt sich noch ein paar Minuten zwischen den teils mehr als 30 Meter hohen Bäumen - vor allem Buchen - durch, bis sich der Wald öffnet und die Wanderer erahnen können, was sie jetzt erwartet: der Aussichtspunkt Hirschley.

Nach etwa anderthalb Stunden Wanderung hat die Gruppe das Highlight erreicht. Auf einer Höhe von 512 Metern bietet sich ein Blick über den Rursee. "Schön, oder?", fragt der Ranger. Viele der Wanderer stellen sich an das Geländer, um die Aussicht zu genießen. Einige halten die Erinnerung mit ein paar Fotos fest.

So schön ist der Ausblick über den Rursee

00:26 Min. Verfügbar bis 20.09.2026

Am Aussichtspunkt macht die Gruppe kurz Rast. Engelke, der den ganzen Weg über einen großen, braunen Rucksack getragen hat, hebt diesen von seinen Schultern und beginnt, darin herumzukramen. Die Kinder versammeln sich um ihn herum und staunen, was der Ranger hervorzaubert: den buschigen Schwanz einer Wildkatze, verschiedene Geweihe und die abgetrennten Pfoten eines Wildschweins. All diese Dinge reicht Engelke herum - wer mag, darf die tierischen Überbleibsel anfassen.

Ranger Andreas Engelke zeigt Kindern Bilder von Tieren

Ranger Andreas Engelke zeigt Bilder der Tiere, die im Wald leben

Außerdem hat er noch laminierte Karten mit Fotos von verschiedenen heimischen Tieren dabei. Und natürlich jede Menge Infos zu den einzelnen Arten. Er erklärt, dass im Nationalpark Eifel 16 Fledermausarten leben, dazu zweieinhalb Schlangenarten. "Die Schling- und die Ringelnatter. Und wisst ihr, wieso noch eine Halbe? Das ist die Blindschleiche. Aber die ist eigentlich gar keine richtige Schlange." Gefährlich sind diese Arten für den Menschen nicht, sie sind alle ungiftig.

Engelke ist schon seit Gründung des Nationalparks vor fast 20 Jahren dabei. Der 61-Jährige ist einer von zwölf Rangern, die beim Land NRW angestellt sind und im Nationalpark Eifel arbeiten. Im Sommer sind es sogar bis zu 20 Ranger, die durch das Gebiet patrouillieren oder Wanderungen anführen.

Der Nationalpark ist in sieben Bezirke aufgeteilt und jeden Monat wechseln die Ranger ihren Bereich - so wird es nicht langweilig. Bei ihrer Arbeit legen sie täglich Strecken zwischen fünf und 20 Kilometer zurück. "Es ist wirklich ein toller Beruf, ich möchte nichts anderes machen“, meint Engelke und stopft währenddessen seine Utensilien wieder in den Rucksack. Dann schultert er ihn und ruft: "So, weiter geht es! Wir nehmen den Weg da rechts."

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In der Natur über die Natur lernen

Zwischendurch hebt er ein Stück Baumrinde vom Boden auf. Darauf ist etwas Weißes zu sehen - eine Flechte, wie der Ranger erklärt. "Das ist eine Symbiose zwischen einer Alge und einem Pilz. Die ernähren sich gegenseitig. Übrigens: Flechten sind ein Indikator für reine Luft. Wir haben mal welche ins Ruhrgebiet gebracht, die sind direkt kaputtgegangen." Er reicht die Baumrinde mit der Flechte herum.

Nachdem alle aus der Gruppe sie einmal anfassen und von Nahem anschauen durften, wirft er die Rinde mit einer ausholenden Bewegung zurück ins Unterholz. Wenig später stößt er auf einen umgestürzten Baum, der zwar unversehrt aussieht, aber von außen mit Pilzen besetzt ist. "Seht ihr das? Das ist ein Zunderschwamm. Der zersetzt das Holz." Bis ein Baumstamm komplett zersetzt ist, kann es, je nach Dicke des Holzes, Jahre dauern. Bei einem dicken Stamm sogar bis zu 30 Jahre.

So sieht von Pilzen zersetztes Holz aus

00:25 Min. Verfügbar bis 27.12.2025

Jetzt ist es nicht mehr weit, der größte Teil des Weges ist geschafft. Nach einer Kurve ist schon der "Rangertreffpunkt" in Sicht. Die Gruppe bedankt sich bei "ihrem" Ranger und löst sich auf, nach und nach trotten alle zu ihren Autos. Engelke verabschiedet sich. Für heute verlässt auch er den Nationalpark - bis er morgen wieder seine Runden als Eifelranger dreht.