Damit dein Bus auch morgen fährt: Was einen Azubi im Nahverkehr antreibt

Solingen | Unterwegs

Stand: 01.10.2024, 16:51 Uhr

Menschen wie Serhat Yeschil werden dringend gesucht. Der 28-Jährige ist als Busfahrer-Azubi auf den Straßen in Solingen unterwegs. Warum der Job hart, aber Yeschil trotzdem zufrieden ist.

Von Julian Piepkorn

Das himmelblaue Hemd sitzt, der Rollkoffer ist gepackt. Gleich geht es für Serhat Yeschil auf Tour durch Solingen. Heute fährt der 28-Jährige im Schülerverkehr. Sein Arbeitstag startet um 6.30 Uhr. Dienstbeginn um 3.30 Uhr musste heute mal nicht sein, sagt er. Yeschil macht eine Ausbildung in einem Job, den immer weniger Menschen machen wollen: Busfahrer. 

Der Bedarf an neuen Bus- und Straßenbahnfahrern hat sich im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt. Rund 3600 Stellen im Fahrbetrieb konnten in Deutschland nicht nachbesetzt werden. Das zeigt der aktuelle Fachkräftereport im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums. In ganz NRW werben die Nahverkehrsunternehmen händeringend um neues Personal.

Hat sich Serhat Yeschil schon einmal verfahren? 00:13 Min. Verfügbar bis 01.10.2026

Yeschil ist deswegen ein gefragter Mann. An Menschen wie ihm wird sich entscheiden, ob die Mobilitätswende gelingen wird. Seit zwei Jahren lässt sich der 28-Jährige bei den Stadtwerken Solingen zur Fachkraft im Fahrbetrieb ausbilden. Er machte seinen Busführerschein, fährt schon allein auf Linie. Weil Yeschil in seinem Job so gut ist, will er seine Ausbildung verkürzen. Mehr Geld verdienen. Denn der Job ist hart. Aggressive Fahrgäste gehören zum Alltag dazu.

Mittagspause. Erstmal in die Cafeteria. Pläuschchen mit Kollegen halten. Auch der Fahrermangel ist Thema zwischen Jung und Alt: "Ihr wollt ja in den Ruhestand gehen." Nach einer kühlen Cola geht es raus auf den Betriebshof. Yeschil weiß sofort, wo sein großer Gelenkbus steht. Etwas wehmütig schaut er zu den Oberleitungsbussen. Die elektrischen Busse fahren wie Straßenbahnen mit Strom aus Oberleitungen, nur ohne Schienen. Sie sind der Grund, warum er hierher nach Solingen gekommen ist.

Ein Kindheitstraum

"Als Kind war ich mit meiner Familie oft bei Verwandten in Solingen zu Besuch. Mich haben die Oberleitungsbusse schon damals fasziniert", erzählt er. Nach der Schule probiert sich Yeschil aus, wechselt einige Male die Ausbildung und den Wohnort. Schließlich entscheidet er sich für die Ausbildung zum Busfahrer. "Mein Vater hat als Fahrer bei der KVB in Köln gearbeitet", sagt Yeschil und dreht den Schlüssel im Zündschloss. "In den Ferien hat er mich immer mitgenommen."

Busfahrer-Azubi Serhat Yeschil gefällt es vorne am Steuer | Bildquelle: WDR

Behäbig rumpelt der 18-Meter-Wagen durch die Straßen von Solingen. Yeschil ist jetzt wieder gefordert: Feierabendverkehr, Verspätung, lärmende Schüler. Davon lässt sich der Azubi nicht mehr aus der Ruhe bringen. Doch manchmal muss er eine Ansage machen. "Bitte durchgehen, dann haben alle Platz", ruft er durch den Bus zur Schülerhorde. Danach kann er sich ein Grinsen nicht mehr verkneifen. "Klar", sagt er, "das war jetzt das pure Klischee eines Busfahrers."

Schichtdienst und Tischkicker: Lohnt sich der Job?

Junge und ausgebildete Fahrer wie Yeschil sind rar. Und der Fachkräftemangel wird sich noch weiter verschärfen. Allein in Solingen gehen in den nächsten zehn Jahren mehr als die Hälfte der Fahrer in den Ruhestand. Gleichzeitig setzt die Politik im Bund und in NRW auf den Ausbau des Nahverkehrs als umweltfreundliche und günstige Alternative. Doch ohne Fahrer fährt eben nichts.

In Solingen erhalten die Azubis für ihre Ausbildung zwischen 1218 und 1314 Euro. Als angestellte Fachkraft beginnt der Einstiegslohn bei 2700 Euro brutto. Dazu kommen Schicht- und Wochenenddienste. Zwar gibt es eine Kantine, kleine Benefits und auch der obligatorische Tischkicker steht auf dem Busbetriebshof in Solingen. Doch reicht das, um den Job attraktiv zu machen?

Wie Serhat Yeschil mit den Arbeitszeiten zurechtkommt 00:23 Min. Verfügbar bis 01.10.2026

Serhat Yeschil ist grundsätzlich zufrieden. Vier junge Kollegen sind in seinem Ausbildungsjahrgang. Sie lernen nicht nur Busfahren, sondern schnuppern auch in den Kundenservice, die Werkstatt oder die Verwaltung. Später können sie auch in andere Abteilungen wechseln oder sich auf ein duales Studium bewerben. Das will auch Yeschil in ein paar Jahren. Doch noch gefällt es ihm vorne am Steuer.

Über dieses Thema haben wir auch am 09.07.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Bergisches Land, 19.30 Uhr.