Noura Belhandbel lenkt das erste Mal selbst eine Diesellok
00:15 Min.. Verfügbar bis 24.11.2025.
Abstellgleis ade: Wie eine 51-Jährige ihr Leben selbst in die Hand nimmt
Stand: 24.11.2023, 10:50 Uhr
Bis vor zwei Monaten war Noura Belhandbel noch Hausfrau und pflegte ihre Schwiegermutter. Heute steckt sie mitten in ihrer Umschulung zur Lokführerin. Mit 51 Jahren erkämpft sie sich als Quereinsteigerin damit ein Stück Unabhängigkeit.
Von Marc-André Schröter
Mit zitternden Knien steigt Noura Belhandbel in das Führerhaus einer alten Diesellok. In wenigen Minuten wird sie das erste Mal selbständig eine Lok fahren. "Ich bin aufgeregt, sehr aufgeregt", sagt sie und schaut nervös aus dem ovalen Fenster. Durch ein Video in den sozialen Medien kam die 51-Jährige auf die Idee, ihr Leben komplett zu verändern und als Lokführerin auf eigenen Beinen zu stehen.
Ausbilder Zakaria Ouahabi zeigt Noura Belhandbel den Job der Lokführerin
Belhandbel macht gerade ihre Ausbildung als Lokführerin bei der privaten Firma LokSpace. Schon nach einem Jahr Ausbildung, so das Versprechen, winkt eine unbefristete Festanstellung mit einem Einstiegsgehalt von 3.800 Euro brutto. Möglich macht das der enorme Bedarf an Lokführern in NRW. Zwischen den Bahnunternehmen ist ein regelrechter Wettkampf um die Mitarbeitenden entbrannt. Erst im September hatte das Land sechs Millionen Euro bereitgestellt, um damit Fachkräfte für den regionalen Zugverkehr zu gewinnen. Bis 2025 werden jährlich 400 neue Lokführer benötigt.
Ein glücklicher Zufall
Auf dem Übungsgelände des Eisenbahnmuseums in Gummersbach muss Belhandbel das erste Mal Wagons abkuppeln und schwere Bremsklötze auf die Schienen setzten. Die 51-Jährige kommt ins Schwitzen, aber schafft jede Aufgabe im ersten Versuch. Dann geht es in die Lok. Nach kurzer Einweisung legt sie das große Steuerlenkrad um und fährt das erste Mal. Die zitternde Nadel im Tacho zeigt zwar nur zehn Kilometer pro Stunde an, trotzdem strahlt Belhandbel.
Wie Noura Belhandbel mit den Aufgaben der Lokführerin zurecht kommt
00:24 Min.. Verfügbar bis 24.11.2025.
Wenn alles gut geht, wird sie schon im nächsten Sommer die ersten Passagiere durch NRW fahren und als Quereinsteigerin helfen, die Lokführer-Lücke zu stopfen. Und sie wird finanziell auf eigenen Beinen stehen. Wie lukrativ der Lokführer-Job sein kann, wusste Belhandbel gar nicht. Sie war nie eine romantische Eisenbahn-Närrin. Auf die Idee gebracht haben sie TikTok-Videos eines Lokführers, der seine Fahrstrecken abfilmt. Sie schreibt ihn an, erhält aber nie eine Antwort. Wenig später spricht sie einen Lokführer am Bahnhof an, der gerade an ihr vorbei geht. "Ich habe ihn gefragt, wie man Lokführer wird und er gab mir direkt seinen Kontakt", sagt Belhandbel. Der Lokführer von damals heißt Zakaria Ouahabi – und ist heute einer ihrer Ausbilder.
Mit Eigendisziplin und logischem Denken zum Erfolg
Mit ihm trainierte Belhandbel noch wenige Tage vor der ersten echten Fahrt im Simulator. "Ich muss auf alles aufpassen und das Gelernte direkt in der Praxis anwenden", sagt Belhandbel und zieht mit ihrer Hand einen der Hebel auf dem Schaltpult zu sich. "Sie macht das super", lobt Ausbilder Ouahabi. Ohne Simulatortraining und Theorieunterricht darf niemand in das Fahrerhaus der Diesellok.
Wie sich Noura Belhandbel bei ihrer ersten Zugfahrt im Fahrsimulator schlägt
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LokSpace hat sich auf die Ausbildung und den späteren Verleih von Lokführern spezialisiert. Die Ausbildung kostet bis zu 12.500 Euro. Bei Belhandbel übernimmt das Jobcenter die Kosten als Umschulung. Beim Arbeitsamt sagte man ihr zuerst, der Job der Lokführerin wäre für eine 51-Jährige zu schwer. Stimmt nicht, sagt sie. Normalerweise dauert die Ausbildung drei Jahre. Bei LokSpace hingegen nur ein Jahr. Sechs Monate Theorie und rund vier Monate Praxis. Weniger Zeit bedeutet auch ein höheres Pensum.
"Ohne viel Eigendisziplin, logisches Denken und Verständnis für Regeln geht es nicht", sagt Belhandbels Ausbilder Patrick Braun. Er hatte ihr im Theorieteil beispielsweise die richtige Sicherung der Zug-Wagons erklärt. Große Zweifel, dass die 51-Jährige Schwierigkeiten bei ihrer Ausbildung haben wird, hat er nicht.
Über dieses Thema haben wir am 08.11.2023 auch im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Bonn, 19.30 Uhr.