Aus dem dunkelgrünen Wasser neben Ulrich Averberg steigen Blasen an die Oberfläche. Die Luft riecht ein bisschen wie in einem Tropenhaus. Der 49-jährige Landwirt aus Ahlen-Vorhelm steht neben einem der zehn großen Becken. Keines davon ist zum Schwimmen oder als Wasservorrat gedacht. Es sind Anbaubecken, in denen Averberg die Alge Spirulina anbaut. Mit bloßem Auge sieht man von der Mikroalge nichts.
Averberg führt einen traditionellen Ackerbaubetrieb mit Schweinemast in Ahlen. Seit drei Jahren produziert er zusätzlich Algen: "Ich habe in einem Vortrag davon gehört. Wir sind hier nah am Dorf und da ist es schwierig, sich mit der klassischen Schweinehaltung weiterzuentwickeln. Auch das Denken der Bevölkerung hat sich geändert. Insofern passte das mit den Algen gut."
Mit der Spirulina-Alge in die Zukunft
Averberg überprüft eine Art großen Rechen, der durch die flachen Becken pflügt und die Algen umwälzt. Der sogenannte Blubber sorgt dafür, dass die Spirulina-Alge gut mit Licht und Stickstoff versorgt wird. In die Algenproduktion einzusteigen, für ihn auch eine Investition in die Zukunft.
Der sinkende Fleischkonsum, steigende Produktionskosten und mehr staatliche Vorgaben machen den Schweinebetrieben in NRW zu schaffen. Nach Informationen des Landesbetriebs IT.NRW lag die Zahl der Betriebe Ende 2022 bei 5.700, zehn Jahre zuvor waren es noch 8.500. Der Schweinebestand schrumpfte in dieser Zeit von 7,1 auf 5,8 Millionen Tiere. Betriebe geben auf oder suchen nach Alternativen. (Mehr zum Thema Landwirtschaft ohne Tiere gibt es bei Lokalzeit Land.Schafft. auf YouTube oder hier)
Im Wasserbecken pumpt derweil eine Pumpe das tiefgrüne Algenwasser aus dem Becken in eine Erntemaschine. Sie trennt über ein Förderband die Algen vom Wasser. Zurück bleibt eine zähe grüne Pampe, die in eine Erntewanne tropft und ein wenig aussieht wie Spinat. Beim Vorbereiten für das Trocknen packt auch Ehefrau Judith Averberg mit an. Die 44-Jährige ist eigentlich Sozialwissenschafts- und Chemielehrerin.
Spirulina: Wirklich ein Superfood?
Bis zu zwei Tonnen Spirulina produziert Averberg im Jahr inzwischen. Den Algenbetrieb hat er auf Bioproduktion umgestellt. Vermarktet wird vor allem online und zwar: Chips, Granulat, Pulver oder auch Nudeln.
Im Kontext von Nahrungsergänzungsmitteln wird die Mikroalge regelrecht als Superfood vermarktet und soll sogar vor Krankheiten schüzten. Die Verbraucherzentrale warnt allerdings vor übertriebenen Heilsversprechen. Ein weiteres Superfood, was gerade in aller Munde ist, sind aufgrund ihres hohen Eiweißgehaltes Lupinen. Warum sie als regional erzeugte Proteinquelle immer interessanter für viele Menschen werden, liest du hier.
Superfood Spirulina
Die Alge Spirulina ist ein Nahrungsergänzungsmittel und gilt als "Superfood". Spirulina enthält mehr als 60 Prozent pflanzliches Eiweiß, die Vitamine B1, B2 und B3 und Eisen. Es ist in Form von Pulver, Tabletten oder Presslingen erhältlich. Die Mikroalge soll etwa den Blutzuckerspiegel oder auch Cholesterinwerte senken, laut Bundesverbraucherzentrale ist das aber nicht bewiesen.
Allein von der Algenproduktion kann die Familie in Ahlen aber noch nicht leben. "Das Interesse ist zwar riesig, aber die Vermarktung lässt noch zu wünschen übrig," sagt Averberg.
Der Landwirt ist Vorsitzender einer Algengenossenschaft in der Region. Viele Kollegen hätten ebenfalls Absatzschwierigkeiten. Averberg kooperiert inzwischen mit zahlreichen Versuchsküchen, ein Bäcker vor Ort backt ein Algenbrot. Der 49-Jährige ist fest überzeugt, dass irgendwann nicht sein traditioneller Schweinemastbetrieb, sondern die Algen das Familieneinkommen sichern werden.
Über dieses Thema berichten wir auch im WDR-Fernsehen am 30.05.2023: Lokalzeit Münsterland, 19.30 Uhr.