Heute ist Markttag. In wenigen Stunden kommen die Kunden und holen das Gemüse ab, das sie im Abo-Modell bestellt haben. Noch schneidet Sandra Kreft vorsichtig Blätter aus dem Meer an Salbeipflanzen, das sich vor ihr ausbreitet. Bei jeder Bewegung umgibt sie der kräftige Duft der Pflanze.
Aktuell reichen Mangold, Blattsalate und Salbei für 25 Kisten pro Woche. Schon bald sollen es mehr werden. "Das Ziel ist, den Garten so herzurichten, dass er 50 Familien versorgen kann mit seinen 500 Quadratmetern", sagt die 51-Jährige. In fünf Jahren wollen sie 300 Menschen mit ihrem Gemüse ernähren können.
Mikro Farming: auf kleiner Fläche viel Ertrag
Das Prinzip, nachdem die Krefts ihr Gemüse anbauen, nennt sich Mikro Farming. Schon im 19. Jahrhundert haben Landwirte in Frankreich auf diese Weise große Mengen an Gemüse produziert, erklärt der BUND. Dabei stehen meist saisonale Gemüsepflanzen dicht beieinander auf kleinen Hügelbeeten aus Kompost. Das reduziert Unkraut, weil weniger Licht an den Boden kommt.
Inzwischen hat Sandra Kreft genügend Salbei für die Marktkisten gesammelt. Mit ihrer Tochter Lilli schüttet sie frischen Kompost auf ein abgeerntetes Beet. Hier soll einmal Spinat wachsen. Die 18-jährige Tochter von Sandra Kreft macht seit diesem Jahr eine Ausbildung zur Landwirtin. "Zu sehen, wie alles wächst und ganz nah dabei zu sein, wie Lebensmittel entstehen, ist einfach toll", erzählt sie.
Während auf immer mehr Betrieben KI und Roboter auf dem Acker zum Einsatz kommen, reichen für die Beetpflege beim Mikro Farming kleine Maschinen, die per Hand bedient werden können. Normalerweise ist bei Mikro Farming der Ertrag pro Quadratmeter zudem wesentlich höher als bei konventioneller Landwirtschaft.
- Wie es bei dir Zuhause mit dem Gemüseanbau klappt, liest du hier
Das Gemüse und die Kräuter verkauft die Familie nach der Ernte ohne Zwischenhändler direkt an die Verbraucher. In Deutschland wird Mikro Farming nicht nur bei Hobbygärtnern immer beliebter. Auch Landwirte steigen neu ein oder strukturieren ihren Betrieb um. Das hat auch mit dem Siegeszug der solidarischen Landwirtschaft zu tun. Wie viele es tatsächlich sind, lässt sich nicht genau sagen. Denn Betriebe mit Mikro Farming werden in NRW oder Deutschland nicht zentral erfasst.
Vom Schulbauernhof zur Vollzeit-Landwirtschaft
Familie Kreft lebt seit mehr als 15 Jahren auf dem Bauernhof in Bünde-Muckum. Eigentlich sind Sandra Kreft und ihr Mann Jens Pädagogen. Sie nutzen den Hof für Bildungsangebote und haben eine Reitschule.
2020 haben sie entschieden, zusätzlich Landwirtschaft zu betreiben. Tochter Lilli soll den Hof einmal übernehmen und auch davon leben können. "Es ist wahnsinnig schwer, hier in der Region Flächen zu bekommen, um wirtschaftlich überhaupt Erträge einzufahren und als landwirtschaftlicher Betrieb überleben zu können. Mikro Farming braucht einfach weniger Fläche. Da haben wir gedacht, das ist eine tolle Möglichkeit", sagt Sandra Kreft. Auch, wenn nicht immer alles glattläuft.
Der Regen und die niedrigen Temperaturen im Frühjahr und Sommer haben es Familie Kreft und ihrem Team dieses Jahr nicht leicht gemacht. Eigentlich wollten sie schon die Sommerkisten mit Zucchini, Tomaten und Gurken verkaufen, aber das Gemüse braucht noch ein paar Wochen zum Reifen. In den vier Jahren, in denen sie sich intensiv mit Landwirtschaft beschäftigen, hätten sie ständig dazugelernt und immer wieder Rückschläge hinnehmen müssen.
Jeden Freitag ernten Mutter und Tochter die Früchte ihrer Arbeit und bieten sie später gemeinsam am Markttag auf ihrem Hof an. Der Kontakt mit den Kunden ist der Familie wichtig. Und den Kunden offenbar auch. Viele von ihnen kommen mit ihren Kindern zum Hof und nutzen den Besuch für eine kleine Tour, erzählt Sandra Kreft.
Über dieses Thema haben wir auch am 17.07.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Bielefeld, 19.30 Uhr.