Baruer Christoph Köster steht auf einem Feld, im Hintergrund sind Häsuer zu sehen

Stadt, Land, Pflug: Als Bauer zwischen A3 und Wohnsiedlung

Oberhausen | Landwirtschaft

Stand: 09.03.2023, 13:30 Uhr

Christoph Köster baut Obst und Gemüse an, hält Rinder und Hühner - und das zwischen Autobahn und einer Reihenhaussiedlung, mitten im Ballungszentrum Ruhrgebiet. Das stellt ihn vor ganz eigene Herausforderungen.

Von Frank Wolters

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Einer von ganz wenigen

8411. Das ist die Zahl der Menschen, die rund um den Bauernhof von Christoph Köster wohnen. Es ist die Einwohnerzahl des Stadtteils Schmachtendorf in Oberhausen. Wer vom Himmel aus auf Kösters Hof blickt, sieht seine Äcker auf einer Seite flankiert von Reihenhäusern, direkt gegenüber ein Autohaus, auf den anderen beiden Seiten kurven Autos über eine Zufahrtsstraße und auch über die nur 100 Meter entfernte A3.

Wahrscheinlich bin ich einer der letzten Stadtbauern im Ruhrgebiet Christoph Köster, Landwirt

Köster hat Recht damit. Stadtbauern sind selten in NRW. Das statistische Bundesamt hat 2020 mehr als 15.000 landwirtschaftliche Betriebe im Land gezählt. Wie viele davon noch mitten in der Stadt sind, wird nicht extra erfasst. Die Landwirtschaftskammer NRW schätzt, dass es höchstens noch ein Dutzend ist. Einer davon ist der Hof von Christoph Köster. Fast überall, vor allem im Ruhrgebiet, sind die Städte im Lauf der Jahrzehnte um die Bauernhöfe herum gewachsen und haben sie so verdrängt.

Christoph Köster sortiert Eier

00:32 Min. Verfügbar bis 11.04.2025

Köster aber ist geblieben. Er und seine Familie kennen es nicht anders. Seit vier Generationen leben und wirtschaften sie hier, seit 1860 gibt es den Köstershof. Er selbst samt Frau und drei Kindern wohnt hier, außerdem seine Eltern und manchmal Saisonarbeitskräfte.

1500 Hektar groß ist sein Hof. Das Centro Oberhausen würde etwa 60 mal auf seine Äcker passen. Allerdings nur in vielen kleinen Teilen, sozusagen immer nur zwei oder drei Geschäfte auf einmal. Denn seine Flächen sind überall in der Stadt verteilt, mal am Rand von Reihenhäusern, andere hinter Spielstraßen oder neben einer Villensiedlung. 60 Felder, Äcker und Wiesen sind es. Das erfordert ganz genaue Organisation: Wann muss was auf welchem Feld erledigt werden? Muss der Trecker hin oder reicht ein Auto mit Schaufel und Harke im Kofferraum?

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Mit dem Trekker vorbei an der Grillparty

"Manchmal wird es ganz schön eng. Denn die Menschen, die dort wohnen, müssen ihre Autos auch auf der Straße parken. Ich versuche immer, rechtzeitig Bescheid zu sagen, aber manchmal muss ich auch bei den Nachbarn klingeln", sagt Köster. So ein Trecker ist mehr als zweieinhalb Meter breit, wenn da auch nur ein Auto vor der Einfahrt zum Feld steht, ist Schluss.

Was er auch immer wieder tun muss: Müll aufsammeln. Auch Anfang Februar findet er noch Reste von Silvesterböllern. Was ihn am meisten ärgert, ist das Verhalten einiger Kunden vom Schnellimbiss. "Da sind Burger und Pommes immer anscheinend genau hier aufgegessen, und dann fliegen die Verpackungen einfach aus dem Autofenster." Müll auf den Feldern, das kennen leider viele Landwirte. "Aber hier leben nun mal viel mehr Menschen, da ist es auch mehr Müll“, sagt Köster.

Nicht jeder hat Verständnis für den Stadtbauern. Denn seine Arbeit macht Dreck und manchmal ist sie laut, besonders in der Erntezeit, oder wenn er zum Düngen, Pflügen, Mähen auf die Felder fährt. Köster nimmt Rücksicht, so gut es eben geht.

"Ich versuche, nicht gerade am Wochenende auf die Felder zu fahren. Und auch nicht ganz früh morgens oder abends. Ich verstehe auch, dass es unangenehm für die Anwohner ist, wenn sie grillen wollen, und dann komme ich mit dem Güllewagen oder mähe und alles ist voller Staub." Es bleibt also eine seiner größten Herausforderungen: Die Nachbarn nicht verärgern. Größeren Streit gibt es zum Glück nur selten. Ganz vermeiden lässt sich das aber nicht. Die Natur richtet sich nicht nach der Freizeit der Menschen. Und zu tun hat Köster reichlich.

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Vom Acker in die Schulmensa

Denn als Stadtbauer mit so vielen Äckern, Wiesen und Flächen baut er auch Kartoffeln, Kürbisse, Spargel, Erdbeeren und Roggen an. Außerdem hält er Limousin-Rinder. In kleinen Gruppen und auf Stroh. Die schweren Tiere sind sehr genügsam, ihr Fleisch zart und kaum fettig. Mittags beim Hühnereier sortieren erzählt Köster, das er nur die Hälfte an den Supermarkt im selben Stadtteil verkauft. Die andere Hälfte geht in den eigenen Hofladen.

Christoph Köster steht im Dorfladen seines Betriebes, vor ihm liegen kistenweise Obst und Gemüse

Christoph Köster im Dorfladen seines Betriebes

Da kaufen dann auch die Nachbarn, die gerne auch mal ihr Auto vor der Einfahrt zum Acker stehen lassen – viele sind Stammkunden. Der Hofladen liegt für die Schmachtendorfer direkt um die Ecke, auf dem Weg zur Arbeit und nah an der Bushaltestelle. Näher als der Supermarkt. Und es gibt auf dem Köstershof so ziemlich alles, was in der Region wächst.

"Nur die Tomaten sind jetzt im Winter aus Holland, die baut ja hier keiner mehr in großen Gewächshäusern an", sagt Köster. Darüber diskutiert er auch manchmal mit den Kunden. Kontakt, der ihm extrem wichtig ist. Irgendwo auf einer riesigen Fläche ohne Nachbarn zum Beispiel in Niedersachsen – nein, das ist nichts für ihn. Und dann läuft er los, um nachzusehen, ob schon alle Gemüsekisten gepackt sind für die Schulen im Stadtteil. Sechs Kilo pro Klasse und Woche gibt es. Aus dem Hofladen vom Köstershof, mitten in der Stadt.