Underberg-Schnapsflaschen in einem Glas

Kräuterschnaps aus Rheinberg: Wie die Underbergs berühmt wurden

Wesel | Heimatliebe

Stand: 13.11.2024, 13:32 Uhr

Ein streng gehütetes Familiengeheimnis mit 178 Jahre Tradition: Nur sechs Menschen kennen das Rezept des bekannten Kräuterbitters Underberg. Ein seltener Blick hinter die Kulissen einer Familiendynastie aus Rheinberg.

Von Josefine Upel, (Text) und Sara Wendhack (Multimedia)

"Zutritt strengstens untersagt" steht auf der Tür, hinter der Hubertine Underberg-Ruder verschwindet. Sie trägt einen grünen Kittel und eine Schutzhaube über ihren dunkelblonden Haaren. Nur sechs Personen dürfen das Kräuterlager in Rheinberg betreten. Nur sie kennen das Rezept für den Verdauungsschnaps, der hier hergestellt wird. Hinter verschlossenen Türen mischen die 62-Jährige und die anderen Eingeweihten regelmäßig Kräuter aus 43 Ländern zusammen.

Warum der Einstieg ins Unternehmen nicht selbstverständlich war

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Der Kräuterschnaps der Familie Underberg hat Kultstatus in Deutschland. Aus den Schützen- und Kegelvereinen der Region ist er nicht wegzudenken. Der Ur-Ur-Großvater der 62-jährigen Underberg-Ruder gründete das Unternehmen im Jahr 1846 in Rheinberg. Seine Nachfahren führten das Unternehmen durch zwei Weltkriege und machten aus dem Ein-Produkt-Unternehmen einen internationalen Getränkekonzern. Die Ur-Ur-Enkelin Underberg-Ruder führt es heute in der fünften Generation fort. Auch über die Grenzen Deutschlands hinaus ist der Kräuterschnaps der Underbergs bekannt. Er wird in über 100 Ländern verkauft.

Underberg soll für Qualität stehen

Die Rezeptur des Kräuterbitters ist seit 178 Jahren das größte Familiengeheimnis und wird nur mündlich weitergegeben. Nur so viel ist über die Zutaten bekannt: 44 Prozent Alkohol, Wasser und die internationalen Kräuter. Für die Herstellung des Schnapses kommt Underberg-Ruder von ihrem Wohnsitz in der Schweiz an den Niederrhein.

Mit Papier umwickelte Underberg-Schnapsflaschen und grüne Dosen gestapelt in einem Schrank

Kräuterschnaps mit 178 Jahre altem Geheimrezept

Gemeinsam mit ihrem Mitarbeiter Frank Rameker begutachtet die 62-Jährige eine Kräuterlieferung. Er ist für die Lagerung und Verarbeitung der Kräuter zuständig. Mit einer kleinen Schaufel taucht Rameker in einen Sack voll getrockneter, grüner Flocken. Es raschelt, als er eine Ladung herausholt. "Die Farbe ist perfekt", sagt er. "Ja wirklich, gut getrocknet. Nicht zu braun, sondern schön grün. Ausgezeichnet!", antwortet Underberg-Ruder.

Seit 178 Jahren hat ihr Familien-Unternehmen eine große Bedeutung für Rheinberg und seinen Bewohnern. Rameker ist dafür das beste Beispiel: Er arbeitet in der vierten Generation für das Unternehmen. "Ich bin schon seit 33 Jahren bei Underberg. Das ist Familie hier."

Erfolg des Kräuterbitters lockt Betrüger an

Hubert Underberg gründete das Unternehmen im 19. Jahrhundert nach dem lateinischen Motto "Semper idem", übersetzt "Immer dasselbe". Denn Kräuterelixiere wurden bis dahin eher auf gut Glück von den Wirten gemischt, sagt die Ur-Ur-Enkelin. "Bei Underberg konnte sich der Gastronom darauf verlassen, dass die Qualität und Wirkung immer dieselbe waren und dem höchstmöglichen Standard entsprachen." Heute gibt es 300 Qualitätsparameter, die bei der Herstellung des Kräuterbitters kontrolliert werden.

Die Idee des Gründers Hubert Underberg hatte Erfolg. Das zog allerdings auch Nachahmer an, wie im Archiv in Rheinberg deutlich wird. In drei Vitrinen stehen Dutzende alte, große Flaschen mit weißen Etiketten und ähnlichen Schriftzügen. Erst auf den zweiten Blick werden die Unterschiede deutlich. "Unterberg, Hundesberg, Unterbart nannten sie sich - die meisten kamen auch noch aus Rheinberg", sagt Underberg-Ruder kopfschüttelnd.

Alte Flaschen mit verschiedenen Aufklebern, darauf der Name "Unterberg"

Underberg-Fälschungen der ersten Generation

Warum es den Schnaps nur noch in Mini-Flaschen gibt

Die 62-Jährige geht ein paar Meter weiter - vom 19. ins 20. Jahrhundert: Statt großer Flaschen stehen in dem Schrank kleine 2 cl-Fläschchen. Underberg Kräuterschnaps, wie man ihn heute kennt. Seit 1949 wird der Schnaps nur noch im Miniaturformat verkauft. Ein Grund dafür: Damals tauschten wohl einige Wirte das teurere Original in den großen Flaschen gegen billige Fälschungen, so Underberg-Ruder. "Um diese Art von Betrug zu vermeiden, erfand mein Großvater 1949 die Portionsflasche: Ein Glas in Originalverpackung."

Warum es seit 1949 nur noch Underberg in Portionsgröße gibt

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Nun liegt es an der 62-Jährigen, das Familienunternehmen mit neuen Ideen in die Zukunft zu führen. Seit kurzem gibt es ein zweites Produkt mit dem Namen Underberg: den Espresso Herbtini. Den Kultstatus des Klassikers wird der neue Kräuterlikör mit Espresso allerdings wohl vorerst nicht erreichen. Ob Underberg-Ruder den Kräuterbitter eigentlich auch selbst regelmäßig trinkt? "Selbstverständlich! Wenn man an die wohltuende Kraft der Kräuter glaubt, möchte man nicht darauf verzichten", sagt sie - ganz die Geschäftsfrau.

Über dieses Thema haben wir auch am 14.10.2024 im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Duisburg, 19.30 Uhr.