Hobbyköhler Christof Kordes lächelt, im Hintergrund ziehen Rauchschwaden vom Kohlemeiler.

Tradition im Sauerland: Die Meilertage in Benolpe

Olpe | Heimatliebe

Stand: 15.08.2023, 16:27 Uhr

Bis ins 19. Jahrhundert war Holzkohleverbrennung im Sauerland ein verbreitetes Geschäftsmodell. Heute lebt das Traditionshandwerk wieder auf. Wie bei den Meilertagen in Kirchhundem-Benolpe.

Von Denis Stephan

Köhler Christof Kordes steht mitten auf dem bis zu 700 Grad heißen Meiler. Aus den kleinen Luftlöchern steigt Rauch auf. Der Meiler im sauerländischen Benolpe riecht schon aus 100 Metern Entfernung nach Kohle. Kordes bewegt sich ganz behutsam auf dem glühenden Berg, wie auf rohen Eiern. Der 43-Jährige Hobbyköhler tritt vorsichtig auf die Kohle. Die Kohle knirscht. "Das ist für mich das Zeichen, dass sie fertig ist. Dann muss ich darauf treten", sagt Kordes. Es wird langsam heiß an seinem Rücken, aber das macht ihm nichts aus. Schutzkleidung trägt er nicht. Nur festes Schuhwerk. Die Hitze und der Rauch gehören zur Köhlerei einfach mit dazu.

Wie Hobbyköhler Christof Kordes den heißen Meiler bearbeitet

00:30 Min. Verfügbar bis 28.07.2025

Die Köhlerei: Sauerländische Tradition erlebt Revival

Vom Mittelalter bis weit ins 19. Jahrhundert war die Köhlerei für viele Menschen im Sieger- und Sauerland eine gute Einnahmequelle. Der Köhler, auch Kohlbrenner genannt, stellt Holzkohle her, indem er Holz auf dem so genannten Meiler mehrere Tage verschwelen lässt.

Damals wurde viel Holzkohle zur Eisenverhüttung und Glasherstellung benötigt. Also ließen die Köhler das Holz aus den Wäldern in ihren selbstgebauten Meilern so lange schwelen, bis daraus nach ein paar Tagen Kohle entstanden war. Erst als immer mehr Steinkohle benutzt wurde, ging die Köhlerei langsam zurück. Seit den 1970er Jahren ist die alte Tradition in vielen Dörfern im Sauerland zurückgekehrt.

"Ein Köhler schläft nicht, er ruht"

Kordes ist rund um die Uhr bei seinem Meiler. Alle ein bis zwei Stunden muss er Löcher stechen zur Belüftung oder mit frischem Buchenholz versorgen. "Die größte Herausforderung ist der wenige Schlaf. In der Nacht schlafe ich maximal 90 Minuten am Stück. Dann muss ich wieder raus", so Kordes. "Ein Köhler schläft eigentlich gar nicht, er ruht", fügt er noch lächelnd an.

Das nimmt er gern in Kauf, dafür liebt er sein Hobby. Seit fast 30 Jahren ist er Köhler. Eine ganze Woche Urlaub hat er eingereicht, um fast eine Woche ununterbrochen am Meiler zu verbringen. Nachts frieren, tagsüber schwitzen.

Aus mehreren Löchern im Kohlemeiler steigt heller Rauch auf.

Dampf aus allen Löchern: Der Kohlemeiler muss regelmäßig belüftet werden

Hauptberuflich arbeitet Kordes als Einheitsführer bei der Feuerwehr im benachbarten Heinsberg. Die Hitze zieht ihn also förmlich an. Kennengelernt hat er die Köhlerei bei einem Schulpraktikum. Sein Lehrmeister damals: Alt-Köhler Georg Sasse. Mit ihm zusammen hat er jahrelang Meiler betreut und das Handwerk so gelernt.

Der 78-jährige Sasse ist gerade als Überraschungsgast an den Meiler im Benolper Wald gekommen. Die beiden umarmen sich herzlich. Sasse begutachtet den Köhler seines ehemaligen Lehrlings: "Das hat er gut hingekriegt, das hab‘ ich dem Christof so beigebracht, allerdings waren unsere Meiler früher noch viel größer mit 100 Raummeter Holz", sagt Sasse. Der Meiler in Benolpe kommt mit 35 Raummeter aus. Zu Beginn war er knapp 2,50 Meter hoch, nach vier Tagen ist er schon einen guten halben Meter geschrumpft.

Meilertage in Benolpe – ein Fest für das ganze Dorf

Die Meilertage in Benolpe sind für alle Dorfbewohner ein Fest. Täglich gibt es einen anderen Schwerpunkt auf dem Hardtplatz mitten im Wald: Kindertag, Seniorentag, Frauenschützenfest und Livemusik.

Die Besucher der Meilertage in Kirchhundem sitzen an Bierzeltgarnituren, im Hintergrund qualmt der Kohlemeiler.

Zum ersten Mal seit zehn Jahren: Die Meilertage in Kirchhundem-Benolpe

Der Abschluss am Sonntag ist das Highlight. Dann wird der Meiler aufgebrochen, die Kohle gesammelt und in Säcken verkauft. Dann hilft auch Alexander Kordes am Meiler. Er ist erster Vorsitzender beim Heimat- und Förderverein Benolpe. Verwandt mit Köhler Christof ist er nicht. Zusammen mit unzähligen freiwilligen Helferinnen und Helfern hat er fast ein Jahr lang die Meilertage auf die Beine gestellt. Die gesammelte Kohle verkauft sein Verein. 35 Euro kostet ein 15 Kilo-Sack. Mit den Einnahmen finanziert der Verein zum einen die Meilertage, den Rest spenden sie, zu Beispiel an das Kinderhospiz in Olpe.

Belohnung für den schlaflosen Köhler

Christof Kordes hat seinen Job getan. Sechs Tage und Nächte hat er sich um den glühenden Hitzeberg gekümmert. Kordes hat aber im wahrsten Wortsinn noch ein anderes Eisen im Feuer. Obwohl es hier reichlich Steaks und Bratwürste gibt, hat er sich einen Erdlochbraten eingegraben. Der schmort seit den frühen Morgenstunden vor sich hin.

Hobbyköhler Christof Kordes und zwei weitere Männer essen den Erdlochbraten aus dem Kohlemeiler

Belohnung für den Köhler: Der Erdlochbraten aus dem Kohlemeiler

Jetzt ist Zeit, ihn mit der Schaufel vorsichtig auszugraben. "Ich darf die Alufolie nicht beschädigen, sonst läuft der ganze Sud in die Erde", beschreibt Kordes seine Arbeit. Dann holt er den Schweinenacken aus der Erde. "Der ist gefüllt mit so einige Leckereien, aber das ist ein Geheimrezept, das verrate ich nicht", so der Köhler. Für Benolpe war es das erste Meilerfest seit zehn Jahren. Gut möglich, dass es genau so lang dauert, bis die nächsten Meilertage hier gefeiert werden.

Über dieses Thema berichteten wir auch im WDR Fernsehen am 21.07.2023: Lokalzeit aus Siegen, 19.30 Uhr.