Warum in Monschau wieder gewebt wird
Städteregion Aachen | Heimatliebe
Stand: 22.06.2023, 17:07 Uhr
Es gilt als eines der ältesten Handwerke der Menschheit. Das Weben. Rita Johannleweling ist gelernte Weberin und möchte das Weben wieder zurück in die Stadt Monschau bringen. Denn Ende des 16. Jahrhunderts war Monschau das Zentrum der Tuchmacherei in Europa.
Von Sabine Rieck
Klack! Das Holzschiffchen gleitet pfeilschnell waagerecht durch hunderte gespannte Wollfäden von links nach rechts. Rita Johannleweling lässt es mit ihren Händen hin und her durch die Fäden gleiten. Gleichzeitig drückt die 56-Jährige abwechselnd mit den Füßen die Pedale des Webstuhls. Ein paar Clogs stehen akkurat daneben. "Das beste Gefühl hat man ohne Schuhe", meint sie. "Es ist ein wenig wie Tanzen", erklärt Johannleweling das Weben. "Man muss einfach den Takt raushaben, dann entstehen die schönsten Web-Muster."
Vor ein paar Monaten kam ihr die Idee, eine Schau-Weberei mitten in der Monschauer Altstadt zu eröffnen. "Hier wurden ja schon vor vielen Jahrhunderten wunderschöne Stoffe gewebt, die auch europaweit exportiert worden sind. Die Monschauer Tuche waren sehr bekannt", erklärt sie. "Da habe ich mir überlegt, diese Tradition muss wieder fortgeführt werden." In der Stadt setzt sie sich mit Politikern und Geschäftsleuten seit einiger Zeit auch in einem Arbeitskreis für das Aufleben des Tuchmacherhandwerks ein.
Warum möchte Rita Johannleweling die Tuchmacherei zurück nach Monschau bringen?
00:28 Min.. Verfügbar bis 23.06.2025.
Offenes Handwerk
Johannleweling ist gebürtige Westfälin und ist mit ihrem Mann vor ein paar Jahren nach Monschau gezogen. Als Heilpädagogin hat sie vor zehn Jahren berufsbegleitend eine Ausbildung zur Weberin absolviert. Ein Lehrberuf, der mittlerweile vom Aussterben bedroht ist.
Klack! Schon wieder ertönt das rhythmische Geräusch, wenn Holz auf Holz trifft. Das Schiffchen flitzt von links nach rechts und rechts nach links. Klack! "Mist, jetzt ist der Faden gerissen", sagt Johannleweling und fädelt den Faden wieder ein. "Eigentlich ist das Weben nichts anderes als Quer- mit Längsfäden zu verbinden und daraus ein Gewebe entstehen zu lassen."
Rita Johannleweling und ihre selbst gewebten Tücher
Mit ihrer ruhigen, detailverliebten Art nimmt man ihr es direkt ab, dass sie Freude hat, zu unterrichten. Offen und zugänglich will sie ihr Handwerk für jedermann transparent machen. Deshalb steht der Webstuhl direkt hinter dem Schaufenster ihres Ladens. "Ich erlebe das oft, dass Leute am Fenster stehen bleiben und gucken. Es ist so, dass sich die Männer für die Technik des Webstuhls interessieren und die Frauen sich eher die schönen Sachen ansehen, die mit dem Webstuhl entstehen."
Weber werden
Heute webt sie ein grau-türkises Küchentuch für ihren Laden. Um die 30 Euro wird es später kosten und vermutlich ein Leben lang halten. "Niederländer kaufen Hüte, eine Inderin einen Schal. Ich bin wirklich überrascht darüber, dass die Kunden auch bereit sind, Geld für langlebige Produkte auszugeben", erzählt Johannleweling. "Wer will, kann sich hier auch direkt an den Webstuhl setzen, das Holzschiffchen durch die Kette führen und ein kleines Stück Gewebe herstellen."
Die Nachfrage auch von jungen Leuten, die das Weben lernen wollen, überrascht sie immer wieder. Ein Mal pro Woche gibt sie in ihrem Atelier zu Hause an drei Webstühlen Unterricht. "Die Menschen besinnen sich wieder auf dieses Handwerk", stellt die Weberin fest. Mit etwas Geschick könne man an einem Wochenend-Workshop bereits eine kleine Tischdecke weben.
Mit Holzschiffchen und bunten Garnen webt Rita Johannleweling ihre Tücher
So wie Schülerin Angelika Matulla-Marcus, die heute mal vorbeischaut und das Weben erst kürzlich für sich entdeckt hat. "Ich wollte mal wieder etwas mit den Händen machen", sagt die 65-Jährige. "Das Weben ist herausfordernd. Man muss wegen der unterschiedlichen Mustern auch ein wenig Mathe können, aber wenn man es raus hat, ist es sogar meditativ", erzählt sie begeistert.
Stadt mit Tuchmacher-Tradition
Über Stunden, manchmal auch mehrere Tage dauert es, bis aus Fäden besondere Tuche, also Stoffe entstehen. Das begonnene Geschirrtuch wird Rita Johannleweling heute noch fertig weben. Freude bereiten ihr aber besondere Stücke. Vor allem Seiden- oder Merino-Garne zu verweben und in hauchdünne Schals zu verwandeln. Johannleweling schaut plötzlich von ihrem Webstuhl auf. Vor dem Schaufenster stehen niederländische Touristen und fragen, ob sie in den Laden kommen dürfen. Die Weberin winkt die Gruppe beherzt an den Webstuhl heran.
"Es gibt hier das Museum der Tuchmacherfabrikanten, also das Rote Haus, und auch einige andere Stellen erinnern in der Altstadt an das Tuchmacherhandwerk im 16. Jahrhundert", sagt Johannleweling. "Aber es gibt niemanden, der es noch macht." Rita Johannleweling macht es nun wieder, hier in Monschau. Und wer weiß, vielleicht kommen bald noch andere Weber dazu.
Über dieses Thema haben wir am 19.06.2023 auch im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Köln, 19.30 Uhr.