Warum Graffiti-Künstlerin Anna Littsa lieber legal als illegal sprüht
Stand: 18.06.2023, 12:37 Uhr
Wer an Graffiti denkt, hat meist heimliche Aktionen im Sinn, bei denen Wände hässlich beschmiert werden. Ganz anders ist das bei der Duisburger Graffiti-Künstlerin Anna Littsa. Sie hat sich der legalen Spraykunst verschrieben.
Von Marcus Böhm
Leidenschaft für Kunst im Alltag
Heute ist eine Sphinx-Katze dran. Eine Hommage an ihre eigenen beiden Katzen. Schon macht sich Graffiti-Künstlerin Anna Littsa aus Duisburg-Meiderich an die Arbeit. Die 46-Jährige hat es sich zur Aufgabe gemacht, ihren Stadtteil mit farbenfrohen Kunstwerken zu verschönern. Denn genau das ist Graffiti für sie: Kunst, nicht etwa Schmiererei.
"Ich liebe es, Kunst in den Alltag zu bringen und die Umgebung zu gestalten", sagt Littsa. "Es ist ein tolles Gefühl, wenn ich sehe, wie die Menschen anhalten und sich meine Werke anschauen." Die Duisburgerin arbeitet manchmal bis zu acht Stunden an einem einzigen Werk.
Ein Porträt gesprüht von Anna Littsa
Beim Sprayen der Katze ist Littsa von dem Geruch von Farben und Lack umgeben, während das ständige Geräusch des Sprühens alle 30 Minuten von einem vorbeifahrenden Zug durchbrochen wird. Doch Littsa lässt sich davon nicht ablenken und arbeitet konzentriert weiter, um ihr Kunstwerk zum Leben zu erwecken. Fast fünfzig Euro kostet dieser Sonntag: Fünf Dosen je vier Euro plus Wandfarbe, Material für die Katze. Ein Sprüherleben ist teuer.
Kaum ein Ort in Duisburg ist bunter als der knapp 150 Meter lange Meidericher Graffiti-Tunnel. Hier sprüht die Streetart-Szene der ganzen Region. Regelmäßig wird der Tunnel mit neuen Motiven übersprüht. In der Stadt gibt es noch zwei weitere legale Flächen - eine im Landschaftspark und eine im Rheinpark. Hier in Meiderich hat die Stadt sogar Müllcontainer für leere Farbdosen, Folien und Sprayreste aufgestellt.
Was der Tunnel von Meiderich und für Littsas Kunst bedeutet
zmbd. Verfügbar bis 18.06.2025. Von Marcus Böhm.
Die Wände sind mittlerweile mit einer Vielzahl von Farbschichten bedeckt, die sich zu einer Katze vereinen. Littsa erzählt, dass sie sich bewusst dafür entschieden hat, legal zu sprayen. "Ich möchte, dass meine Graffiti von allen gesehen und geschätzt werden können. Wenn man illegal sprayt, ist man gezwungen, in Eile zu arbeiten und kann nicht die volle Kontrolle über das Endergebnis haben", sagt sie.
Gruselmotiv: die Vampirin aus einem Dracula Film
Das Wort Graffiti stammt aus dem Italienischen Graffito, eine in Stein geritzte Zeichnung und gehört zur Kunstform der Streetart. Wer mit offenen Augen durch sein Viertel streift, entdeckt Streetart an Laternenmasten, hinter Verkehrsschildern und an Garagentoren – kleine und größere Aufkleber, Wandbilder oder auch gekleisterte Plakatmotive, sogenannte Paste-Ups. Gemeinsam mit den Graffiti-Werken finden sich diese kreativen Arbeiten im öffentlichen Raum unter dem Sammelbegriff Streetart wieder: Kunst im öffentlichen Raum also.
Sprayen als Meditation
Jedes Mal, wenn Littsa die Sprühdose drückt, gibt es ein leises Zischen, gefolgt von einem sanften Sprühen, das sich über die Wände ausbreitet. Es ist ein Rhythmus, der eine Art musikalisches Hintergrundgeräusch bildet. "Egal wie schlecht ein Tag war, ob ich völlig übermüdet bin oder Rückenschmerzen habe: ich gehe mit meinen Dosen in den Tunnel und vergesse alles um mich herum."
Sie genießt das Gefühl von Freiheit, wenn sie auf einer Leinwand aus Beton sprayen kann. "Es ist wie Meditation für mich", sagt sie. "Ich schalte meine Gedanken aus und konzentriere mich vollkommen auf das Sprayen."
Anna Littsa erzählt, was ihr das Sprayen bedeutet
zmbd. Verfügbar bis 18.06.2025.
Ein Leben für die Kreativität
Littsa bevorzugt Porträts sowie Horror- und Gruselmotive. Sie erzählt, dass sie sich von Horrorfilmen und Fantasybüchern inspirieren lässt. "Mein Mann hat mich damit angesteckt. Nach Comics sind wir beide ganz verrückt.“ 2006 inspirierten sie die Figuren zuerst einmal dazu, Fingernägel zu bemalen. Diesem Hobby geht sie mittlerweile professionell nach, in einem eigenen Nagelstudio in Untermeiderich.
Anna Littsas Herz-Königin aus Alice im Wunderland
Kreativ sei sie schon immer gewesen. Als Kind habe sie sogar Harfe gespielt, aber eigentlich nur, weil ihre Mutter das unbedingt wollte. Bis heute habe sie das Gefühl, auf einer Kunstakademie besser aufgehoben gewesen zu sein als in der Musikschule.
Sphinxkatze - Hommage an die beiden Katzen von Anna Littsa
Nach knapp sechs Stunden ist die Katze fertig. Das glatte kurze Fell der Katze scheint fast zum Greifen nah, und die Augen funkeln wie die der echten Tiere.
"Wenn meine Arbeit dazu beiträgt, dass Menschen, die eigentlich schnell durch so eine Unterführung durch wollen, doch stehen bleiben und Fotos machen, dann habe ich mein Ziel erreicht."