Ein Mann mit Brille und rosa Haar steht in einem Künstleratelier, die Wand ist bunt beleuchtet.

Die Welt des Essener Pop-Up-Künstlers "deklart"

Essen | Heimatliebe

Stand: 22.06.2023, 08:48 Uhr

Dass Donald Duck, Mickey Mouse und Co. nicht nur was für Kinder sind, zeigt der Essener Pop-Up-Künstler "deklart". Seine grell-bunte Kunst brachte ihn schon bis nach Miami. Über einen Mann, der nie aufgehört hat, Kind zu sein.

Von Mirjam Ratmann

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Irgendwo zwischen Bugs Bunny und Spongebob

Quadratisch eckig, rechts oben ein Schlitz für die Geldmünzen, unten mittig metall-silberne Laschen. Während der Boden von der vorbeifahrenden Straßenbahn vibriert, bleibt ein Junge, der gerade mit seiner Mutter an dem Kasten vorbeigeht, stehen. Zeigt mit dem Finger darauf. Beim zweiten Hinschauen ist an dem sonst so üblichen Zigarettenautomaten nämlich etwas anders: "Dreams come true" steht in grellem pink-weiß darauf, bunte Blumen sind auf den einst beigen Kasten gesprüht. Steckt man eine Ein-Euro-Münze herein, rattert es kurz, dann wirft die Lasche aber keine Packung Zigaretten aus. Stattdessen: Schokolade, Kekse, Kaugummi-Zigaretten.

Ein bunt bemalter Zigarettenautomat, ein Kunstprojekt.

Statt Zigaretten bekommt man hier "sein Glück" und tut etwas Gutes

Will man denjenigen treffen, der diesen Zigarettenautomaten am Rüttenscheider Stern, südlich der Essener Innenstadt, umgestaltet hat, braucht es nur wenige Gehminuten. Dann steht man im Arbeitszimmer von Dennis Klapschus. Oder eher in einer bunt, grellen Comiclandschaft – irgendwo zwischen Bugs Bunny und Spongebob Schwammkopf. Dazu läuft lautstarker Deutsch-Rap. "deklart" wuchert in pinken Neonlettern aus einem künstlichen Busch, der an der Wand hängt, ebenso pink wie auch der deklart-Schriftzug auf Klapschus grauem Porsche. Die Panzerknacker, Donald Duck, Pink Panter, Arielle oder Minnie Mouse – sie alle sind bei "deklart" Zuhause. Auf Leinwänden, Lederjacken, Hoodies, Taschen oder einfach als lebensgroße Figuren.

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Wenn der innere Jugendliche Kunst machen darf

Klapschus, der seit 2014 unter dem Akronym "deklart" aktiv ist, will mit seiner Pop-Art-Kunst Menschen glücklich machen. Sein auffälliges Äußeres – goldumrandete Brille, mal weiß, mal pink gefärbte Haaren, knallig-bunte Schuhe – macht ihn zum Teil seines Kunstwerk, auch wenn er sich selbst nicht so sieht. "Ich mache einfach das, worauf ich Lust habe", sagt der 38-Jährige. Klapschus Kunstwerk erinnert an den US-Künstler Andy Warhol, der die Kunstrichtung Pop-Art ab den 1950er Jahren maßgeblich geprägt hat. Pop-Art bildet alltägliche Ereignisse mithilfe von Werbeartikeln, Fotografien oder Comics ab – nicht selten ironisch oder gar provokant.

Wenn Klapschus an seine leere Leinwand tritt, greift er zunächst zu alten Comicheften. "Donald Duck", die "Micky-Parade", "Die Schöne und das Biest" zerreißt er, klebt die Seiten mit weißem Leim zwischen Ausschnitte von Playboy-Covern oder Werbeanzeigen von Rolex, Prada, Louis Vitton. Den weißen Leim noch auf seiner Hand, streicht er mit hell-grellem Acryl-Pink darüber. Drei bis vier Tage dauert es, bis Klapschus ein Bild fertig hat. Pro Jahr bringt er zwei Editionen mit 50 Bildern raus – alles Unikate.

Dennis Klapschus "deklart" bei seiner kreativen Arbeit

01:16 Min. Verfügbar bis 02.06.2025

Comics, die Basis all seiner Kunst, machen Klapschus glücklich. "Sie repräsentieren für mich diese sorglose, leichte Zeit, die man als Kind hatte," sagt der 38-Jährige. Indem er Comic-Figuren ins Zentrum seiner Kunst stellt, glaubt er, Menschen dieses sorglose Gefühl auch im Erwachsenenalter geben zu können. "lch selbst bin eigentlich nie erwachsen geworden und fühle mich immer noch wie 16", sagt Klapschus und grinst. Als Kind war der Comicladen an der Ecke Klapschus' Lieblingsort. Dort ging er hin, um das neuste lustige Taschenbuch zu kaufen, nachmittags schaute er die Looney-Tunes-Cartoons im Fernsehen. Besonders wie Dagobert Duck in seinen Goldmünzen baden gehen konnte, faszinierte ihn. Irgendwann begann Klapschus, der in Essen-Altenessen und damit, wie er selbst sagt "nicht mit dem Löffel im Mund" aufgewachsen ist, selbst kleine Bilder seiner "Kindheitshelden" auf seine Tapete im Kinderzimmer zu zeichnen. Inzwischen macht er das auf der großen Leinwand. "Ich trage das innere Kind immer noch in mir", sagt er. "Und das kann ich in der Kunst ausleben."

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Wozu Miami, wenn man in Essen leben kann?

Klapschus Lebensmotto "If you can dream it, you can do it" ist eigentlich ein Zitat von Walt Disney und leuchtet in pink-weißen Buchstaben direkt neben dem Eingang seines Arbeitsraumes. "Ich glaube, wenn du von Dingen träumst und diese Träume vor deinem inneren Auge sehen kannst, dann können sie wahr werden, egal wie groß der Traum ist," sagt er. Seinen eigenen Traum, die Kunst zum Beruf zu machen, hat er sich vor etwa acht Jahren erfüllt. Nach einer Ausbildung zum Maurer und einem Architektur-Studium, arbeitete er zunächst in einem Architektenbüro, experimentierte aber am Abend im Keller mit Acryl, Leim und Comicheften.

Die Bedeutung von Comics für "deklart" und seine Kunst

01:07 Min. Verfügbar bis 02.06.2025

Irgendwann postete er Fotos seiner Bilder auf Facebook. Ein Mann aus Frankfurt schrieb ihm, fragte, ob die Bilder denn zu kaufen wären. "Auf einmal hatte ich an einem Wochenende 2.500 Euro verdient", sagt Klapschus. In den folgenden Jahren stellte er in München und Düsseldorf aus, präsentierte seine Werke bei der Kunstmesse in Miami und auf Mallorca. Obwohl er in Essen lebte, dachte er lange nicht daran, sein künstlerisches Schaffen nach Essen zu verlagern. 2018 bekam er eine Mail vom Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen: "Du bist doch ein Essener Jung, wieso machst du nichts hier?", soll er Klapschus gefragt haben. "Und da dachte ich: Ja, wieso eigentlich nicht?"

Kunstwerk aus Comicfiguren in vielen Neon-Farben.

Deklarts Markenzeichen sind Comicfiguren, auf seinen Kunstwerken finden sich viele bekannte Figuren

Inzwischen sprechen ihn Menschen an, wenn er auf der unterwegs ist. Seine Bilder gehen mittlerweile für 10.000 Euro weg, manchmal auch für 50.000 Euro. Neben Bildern verkauft er Hoddies, Möbelstücke und Taschen mit seinen Motiven. Autos, Geldscheine und Comicfiguren dominieren Klapschus Werke. Darunter häufig weibliche Comic-Charaktere in knapper Kleidung. Seit Anfang des Jahres hat Klapschus seinen eigenen Comic-Charakter, der ihm nachempfunden ist. Den Kopf des Comic-Dennis trägt er als goldene Kette um den Hals, passend zu seiner goldenen Rolex am rechten Handgelenk. Aus Geld mache er sich nichts, sagt Klapschus. "Klar, das ist alles nice to have – damit habe ich mir meine Kindheitsträume erfüllt. Aber mir ist wichtiger, dass ich gesund und glücklich bin." 

Am Abend geht sein letzter Gang zum Rüttenscheider Stern. Dann füllt er den Automaten auf. Das Geld, das er einnimmt, spendet Klapschus an gemeinnützige Essener Organisationen. Damit will er der Stadt etwas zurückgeben. Bis jetzt sind bereits knapp 2.000 Euro zusammengekommen.