Gezielt und konzentriert schlägt seine Faust auf den Boxsack. "Ihr müsst den Gegner immer im Blick haben", sagt Wolfgang Ufer. Seine Schüler nicken. Zwischen Ende 50 und 70 Jahre sind sie alt. Und wollen lernen, wie sie sich im Ernstfall selbst verteidigen können. Ihr Trainer beherrscht die Techniken in Präzision: Der 68-jährige Ufer war Weltmeister im Karate und Thaiboxen.
Jetzt steht er im Kreise seiner Schüler in einem verspiegelten Raum im Dortmunder Stadtteil Hombruch. Mehrere Boxsäcke stehen und hängen hier verteilt. Ufer trägt einen Karateanzug mit schwarz-rot-goldenem Abzeichen.
"Wir trainieren erstmal nur zwei Schläge – die aber immer und immer wieder", sagt er. Auf die Technik kommt es an. Drehung im Handgelenk, Position des Daumens, Anspannung im ganzen Körper. Und die richtige mentale Einstellung. "Das alles zu beherrschen, dauert."
Ein Leben für den Kampfsport
Ufer hat immer gerne Sport gemacht, versuchte sich als echter Ruhrpott-Junge einst als Fußballer, aber das Talent sei bescheiden gewesen, sagt er heute: "Ich kann einfach keinen Ball gerade schießen."
Seine Stärken liegen woanders: Schon als Kind hat der Essener mit Karate- und Taekwondo-Unterricht angefangen. Schnell kam er über eine Freundin aus Bangkok zum Thaiboxen. Es ist die härteste Kampfsportform, sagt Ufer. "Damals war ich ein Exot im Ruhrgebiet." Damals, das ist in den 70er Jahren. Ufer hat Erfolg. 1976 schafft er im Alter von 22 Jahren eine Sensation: Der Essener wird Weltmeister im Thaiboxen.
"Ich hatte großes Glück", sagt Ufer heute. "Aber ich habe auch an mich geglaubt." 1977 wird er auch Weltmeister mit der Deutschen Nationalmannschaft im Karate. In dieser Zeit lernt er viele Kampfkunstsportler kennen, noch bevor sie berühmt werden: Jackie Chan, Jean-Claude van Damme und Chuck Norris. Der hatte damals den heute legendären Film "Return of the Dragon" mit Bruce Lee gedreht. Ufer trat in Amerika gegen Norris in den Ring. "Es war schon eine Rivalität, klar. Der Deutsche gegen den Amerikaner", erzählt Ufer.
Schicksalsschläge warfen Wolfgang Ufer aus der Bahn
Er bleibt dem Kampfsport treu, arbeitet als Bundestrainer im Karate. Auch als Personenschützer und Fitnessstudio-Betreiber. Private Schicksalsschläge werfen Ufer vor einigen Jahren aber aus der Bahn. Erst stirbt seine Frau. Danach hat er einen Herzinfarkt. "Ich dachte, ich kann nie wieder so Sport machen, wie ich es kannte", erzählt der 68-Jährige. Er wollte sich von seinem alten Leben trennen, warf über 100 Pokale aus seiner sportlichen Zeit ins Altmetall.
"Ich wollte bei Null anfangen", so Ufer. Dann habe er ganz langsam mit dem Training begonnen, jeden Tag mehr. So habe er die Kurve bekommen. "Der Kampfsport hat mir wieder geholfen", sagt er. Es seien nicht nur die Techniken, die ihn sein Leben lang faszinierten, sondern auch diese mentale Stärke, die dazu gehört.
Mit Kampfsport aus dem Tief
Meister Wu, wie er sich seitdem nennt, will nochmal durchstarten: Wolfgang Ufer lebt inzwischen in Dortmund, gibt wieder Kurse in Selbstverteidigung. "Es macht mir Freude zu sehen, wenn Menschen, egal in welchem Alter, Männer oder Frauen, zu sich selbst finden. Selbstbewusstsein bekommen, an sich glauben", sagt Ufer.
Er selbst sei in seinem Leben jetzt wieder ganz zufrieden, sagt er und lächelt. Er möchte sein Können und sein Selbstvertrauen weitergeben.
Über das Thema haben wir am 06.10.2023 auch im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Dortmund, 19.30 Uhr.