Zwischen Lifestyle und Kunstfigur
Vorsichtig legt Indiana George den Arm des Schallplattenspielers auf das schwarze Vinyl. Die Nadel berührt die Rille und laut ertönt "God Only Knows" von den Beach Boys. Indiana George lächelt, wippt zur Musik, singt mit und stöbert dabei durch die zahlreichen Platten, die er für den heutigen Abend mitgebracht hat. Der DJ hat sich zur Aufgabe gemacht, die Musik der 50er, 60er und 70er Jahre in die Gegenwart zu bringen. Neben den Beatles legt er die Beach Boys, Prince oder Jethro Tull auf. Er selbst ist Jahrgang 1992, also ein Kind der 90er, aber er lebt die 60er, 70er Jahre durch und durch.
Heutige Location: eine Lagerhalle voller Stahlrohre und Metallregale in Bochum. Es wird eine Geburtstagsparty gefeiert. An diesem Abend trägt der DJ eine blaue Jeans-Schlaghose, eine silberne Kette um den Hals und einen kurzärmeligen Pullunder mit großem Kragen und braun-weißem Muster. Indiana George steht hinter seinen beiden Plattenspielern, zu seiner rechten zwei Koffer voller Schallplatten.
Die Musik wurde ihm in die Wiege gelegt
Wenn er nicht als Indiana George auflegt, heißt der 31-Jährige Georg Merten. Tagsüber arbeitet er an der Bochumer Ruhr-Universität als Medientechniker. Indiana George ist sein Künstlername, er ist mit seinem Auftreten zur Kunstfigur geworden. Die Menschen in der Stadt kennen ihn teilweise schon, weil er mit seinem Stil auffällt oder weil viele ihn schon als DJ erlebt haben, in den Bochumer Bars, Clubs oder auf Kultur-Festivals.
Aber: Merten verkleidet sich nicht, denn auch im Alltag trägt er Kleidung im Stil der 70er Jahre. Er fährt einen alten Wagen und seine Wohnung ist in diesem Stil eingerichtet. An den Wänden hängen Poster von den Beatles oder The Who. Die Sessel, Regale und Schränke: 70er Jahre Look. Und überall sind Vinyls verteilt. Über 1.500 Stück hat er mittlerweile. Dass ihn die 60er und 70er so faszinieren, hat mit seinen Eltern zu tun. Denn sie haben ihm die Musik mit in die Wiege gelegt.
Wenn Merten seine Platten zu Hause auflegt zelebriert er diesen Moment, so wie es schon früher sein Vater gemacht hat. Viele seiner Platten hat der Bochumer von ihm geerbt. Merten sagt, der Spirit seines Vaters lebt in ihm weiter. Jetzt findet der DJ seine Schätze in den Bochumer Plattenläden oder auf Plattenbörsen. Bei der Suche vergehen schnell ein paar Stunden. Er stöbert durch die Läden, schaut sich die Platten genau an, das Booklet, das Cover und die Vinyl. Er holt sie vorsichtig aus der Hülle, hebt sie hoch, hält sie gegen das Licht und inspiziert die Rillen genau, untersucht sie auf Kratzer. Meistens sind die Vinyls Second Hand, als Sammler würde sich Mertens aber nicht bezeichnen. Denn seine Platten sind in ständiger Nutzung.
Jäger der verlorenen Schätze
Seit 2019 ist Merten als DJ selbstständig und legt als Indiana George auf – egal ob Geburtstag, Hochzeit oder regelmäßig in Kneipen oder Bars. Manchmal sind es reine Beatles-, manchmal Disco-Abende. Eine Setlist hat er meistens nicht und entscheidet oft spontan, welche Songs er spielt. Für den DJ ist es besonders, wenn er die Songs aus vergangenen Zeiten raus sucht und das Publikum damit auf eine Zeitreise schickt. "Es ist ein fantastisches Gefühl solche Stücke aufzulegen, die sonst in der Versenkung verschwunden wären. Das ist auch der Subtitel meines Künstlernamens Indiana George – Jäger der verlorenen Schätze, diese Indiana Jones-Anspielung."
An diesem Abend hat Indiana George freie Hand und soll die ersten Gäste der Geburtstagsfeier begrüßen. Erst sind sie noch etwas zurückhaltend, aber nach und nach kommt die ein oder der andere etwas näher. Und dann beginnt der erste Gast zu tanzen, erkundigt sich nach dem Song. Manche bemerken auch erst nach einiger Zeit, dass der DJ wirklich ausschließlich mit Schallplatten auflegt. Und ein paar der Gäste kennen George schon und begrüßen ihn herzlich. Für sie ist der "Jäger der verlorenen Plattenschätze" schon ein Original.
Und wenn das Publikum zufrieden ist, ein Lächeln durch die Gesichter geht und alle zusammen tanzen, dann ist das für Indiana George, oder auch Georg Merten, ein ganz besonderes Gefühl und der Grund, wieso er das Auflegen mit Platten zu seiner Leidenschaft gemacht hat.