Wenn Holz sprechen könnte - diese Sitzbänke hätten viel zu erzählen. Vom Mai 1990 zum Beispiel. Da steigt die kleine SG Wattenscheid 09 in die große Fußball-Bundesliga auf. Beim 5:1 gegen Hertha BSC Berlin hält es am Ende nur noch wenige Fans auf den harten Holzbänken der Westtribüne im Lohrheidestadion. Ebenso beim legendären 2:0 in der Bundesliga gegen den großen Nachbarn VfL Bochum im Dezember 1992. Auch emotional: Drei Deutsche Leichtathletikmeisterschaften. Die Holzbänke der Westtribüne bieten Platz für Männer, Frauen, Kinder. Gut 50 Jahre lang.
Doch schon länger war die Westtribüne sichtlich in die Jahre gekommen. Kein Wunder, dass die meisten Wattenscheider sie nur "Alte Tribüne" nannten. Im Sommer rückten dann die Abrissbagger an. Das Aus für die harten Holzbänke. Oder doch nicht? Viel zu schade, dachte sich jedenfalls Matthias Jacobstroer, Geschäftsführer der Neuen Arbeit der Diakonie in Essen. "Als ich gehört habe, dass das Lohrheidestadion umgebaut wird, habe ich sofort daran denken müssen: Was passiert denn jetzt mit dem Holz der Westtribüne?", erinnert sich der 43-Jährige.
Und so haben Ehrenamtliche die alten Holzbänke in Wattenscheid abgeschraubt. Bei einst rund 900 Plätzen auf der Tribüne ganz schön viel Arbeit. Jede einzelne Bank ist bis zu vier Meter lang und 25 Kilo schwer.
Mitarbeiter der Neuen Arbeit der Diakonie haben die Bänke anschließend in ihre Werkstätten gebracht. Dort sind sie zu einem Projekt für den 32-jährigen Tim Laggies und seine Kollegen geworden. Der gelernte Schreiner behandelt die Bänke sichtbar mit viel Respekt und Liebe zum Detail. "Andere hätten das weggeschmissen", sagt er.
Aus alt mach neu: Die Stadionbänke aus Wattenscheid
Bis aus einer alten durchgesessenen Holzbank etwas Neues wird, ist viel zu tun. Laggies entfernt als erstes den alten, dunkelbraunen Überzug und die weiß aufgemalten Sitznummern. Er erwärmt die Bänke mit einer Heißluftpistole und löst den Überzug mit einem Spachtel Stück für Stück ab.
Es folgt das Abschleifen. Für das Grobe nimmt Laggies eine Maschine. Es wird laut in der Holzwerkstatt. Danach glänzt das Holz der alten Bänke schon hell und wie neu. Nächster Schritt: Der Feinschliff mit Schleifpapier. Schließlich bestreicht Laggies die Bank noch gleichmäßig mit schwarzem Lack. Seine Arbeit ist getan.
Jetzt sind die Kollegen in der Stahlwerkstatt nebenan dran. Sie schweißen Gestänge für Bänke und Barhocker. Aus den jahrzehntealten, durchgesessenen Holzbänken werden so moderne Möbelstücke.
Neue Möbel für besonderes Projekt
Die stylischen schwarzen Bänke und Barhocker gehen zurück an die SG Wattenscheid 09. Aus dem übrig gebliebenen Holz bauen die Mitarbeiter der Neuen Arbeit Stühle, Tische und Regale. Sie werden zur Einrichtung für ein weiteres besonderes Projekt: An der Ruhr in Essen bauen die Langzeitarbeitslosen mehrere alte Gebäude um - unter anderem in Veranstaltungsräume, ein Hostel für Radfahrer und eine Kapelle. Auch hier gilt: Aus alt mach neu.
Die Neue Arbeit der Diakonie Essen
"Lernen und Arbeiten sind Schlüssel zur Anerkennung, zu persönlichem Wachstum und zur Unabhängigkeit", schreibt die Neue Arbeit der Diakonie in ihrem Leitbild. Sie kümmert sich um Menschen, die von Arbeitslosigkeit bedroht oder schon länger arbeitslos sind. Sie können dort die unterschiedlichsten Arbeitsfelder kennenlernen und sich im Hinblick auf neue berufliche Perspektiven qualifizieren oder weiterbilden: Vom Kochen in der Großküche bis zur Kundenberatung in den Diakonieläden, vom Pflegen von Parks bis zur Restaurierung von französischen Oldtimern. Die Neue Arbeit hilft den Menschen auch bei der Suche nach einem Job und berät bei persönlichen oder finanziellen Sorgen.
Ausgesessen haben die alten Holzbänke aus Wattenscheid ihr Leben damit also noch lange nicht. Schreiner Tim Laggies sagt: "Dass sie jetzt weiter genutzt werden, das ist das Schöne daran."
Über dieses Thema haben wir auch am 02.11.2023 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Ruhr, 19.30 Uhr.