Es ist Donnerstagnachmittag auf dem Fußballplatz in Reken im Kreis Borken. Auf dem Spielfeld trainieren Kinder von sechs bis acht Jahren, daneben stehen einige Eltern und schauen zu. Als Heinrich Espendiller den Platz betritt, wird er freudig begrüßt. Seit über 50 Jahren ist er im Verein tätig. Jetzt hat er nicht nur sich selbst, sondern auch seinem Herzensverein ein großes Geschenk gemacht.
"Fußball ist für mich Freizeit, ist für mich Hobby, ist für mich Emotion in alle Richtungen", sagt Espendiller. "Es ist einfach immer meine Sportart gewesen." Zum hundertjährigen Jubiläum des Vereins hat er eine Chronik verfasst, die die gesamte Vereinshistorie enthält.
Der SC Reken ist einer von heute rund 3.400 Fußballvereinen in NRW. Fußball ist wohl die dominierende Sportart schlechthin im Bundesland. In den Fußballvereinen sind laut Statistik des Landessportbundes NRW insgesamt 1,7 Millionen Menschen gemeldet. Das entspricht fast jedem Zehnten der 17,93 Millionen Einwohner. Dabei ist Vereinsfußball noch immer häufig Männersache. Rund 81 Prozent der Mitglieder sind Männer, etwa 19 Prozent Frauen. Der SC Reken ist dabei durch einen kuriosen Umstand vergleichsweise früh zu einer eigenen Damenabteilung gekommen.
SC Reken: Wette gründet Damenbereich
1983 führte eine spontane Wette dazu, dass in Reken eine Frauenfußballmannschaft gegründet wurde. Nachdem die erste Mannschaft der Männer haushoch verloren hatte, meinte die damals 20-jährige Anni Brüninghoff zu ihnen: "So wie ihr spielt, könnten wir Frauen das auch."
Die Männer waren der Ansicht, die Frauen würden nicht mal eine Mannschaft zusammen bekommen. Brüninghoff wettete dagegen. Sie schaltete eine Zeitungsanzeige und innerhalb von zwei Wochen fand sie dreißig Frauen, die Lust hatten, Fußball zu spielen. Da hatte der Verein kaum eine andere Wahl, als eine Damenabteilung zu gründen.
Im ländlichen Bereich gab es damals kaum Frauenteams. Die Damenmannschaft musste zu Auswärtsspielen meist bis ins Ruhrgebiet fahren. Die ersten Spiele verloren sie haushoch.
Heute ist die Damenabteilung dagegen deutlich erfolgreicher. Mehrfach haben die Damen Meisterschaften und Aufstiege in die Bezirksliga gefeiert.
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"Das hätte ich zu dem Zeitpunkt, als wir das ins Leben gerufen haben, niemals gedacht", sagt Brüninghoff. "Und ich finde es auch stark, was die Frauen schaffen, die heute noch dabei sind und die Abteilung von Anfang an begleitet haben." Die 60-Jährige selbst ist nicht mehr im Verein aktiv.
Harte Bedingungen zur Kriegs- und Nachkriegszeit
Am Sportplatz erzählt Heinrich Espendiller von den vielen Geschichten, die er bei der Aufarbeitung der Vereins-Chronik gehört hat. "Ich habe ganz viel erfahren, was ich gar nicht wusste", sagt Espendiller. "Mit Menschen über damals zu sprechen, das hat viel Spaß gemacht." Was die Rekener Vereinsgeschichte so besonders macht: Sie ist geprägt von Zersplitterung und Versöhnung.
Der 1924 gegründete Verein wurde zu NS-Zeit verboten. Er war den Nationalsozialisten zu katholisch geprägt. Nach dem Krieg splitterte der Verein sich auf: Jeder Ortsteil in Reken gründete einen eigenen Fußballverein. Dabei waren die Bedingungen in der Nachkriegszeit sehr hart. Damals, als in den Städten die ersten Bolzplätze entstanden, existieren auf dem Land kaum gute Fußballplätze. Für jeden Verein gab es damals zudem nur einen einzigen Fußball, den sich die Mannschaften teilen mussten.
Aus Rivalen wurden Teamkameraden
Erst 2015 versöhnen sich die vier Vereine der Rekener Ortsteile miteinander. Seitdem gibt es wieder einen einzigen Verein: den SC Reken. Wie der 1924 gegründete Verein trägt auch dieser die Farben Schwarz und Weiß.
Für Espendiller war Reken immer sein Heimatverein. Drei Aufstiege hat er gefeiert. "Wenn man einen Titel gewinnt, dann spielt es keine Rolle, ob man in der Bundesliga gewinnt, in der Champions League oder in der ersten Kreisklasse. Der Moment ist einfach schön, den genießt man wirklich", sagt er.
Die halbe Vereinsgeschichte hat der 65-Jährige selbst mitgespielt und alle Höhen und Tiefen miterlebt. Sein Fazit: "Jetzt können wir die nächsten hundert Jahre angehen, aber das sollen andere machen."
Über das Thema haben wir am 04.09.2024 auch im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit Münsterland, 19.30 Uhr.