"Bein weiter nach hinten strecken, gerader Oberkörper und natürlich das Lächeln nicht vergessen", Sofia Arrieta klingt erfahren und ruhig. Dabei ist diese Situation alles andere als Routine. Beim Training der Eiskunstläufer gibt die 16-Jährige heute eigenständig den Ton an. Wegen der Sommerpause trainieren die Eiskunstläufer in der Turnhalle. Arrieta gibt der elfjährigen Annalena Anweisungen, wie sie auf dem Balken ihr Gleichgewicht halten kann. Annalena schafft es. Sie steht ruhig mit gestrecktem Bein auf dem Balken. "Toll gemacht", lobt sie Sporthelferin Arrieta. Ohne junge Ehrenamtler wie sie sähe es im Breitensport düster aus.
Rund zwei Millionen Kinder sind laut Sportjugend NRW in den rund 17.700 Sportvereinen aktiv. In vielen Vereinen fehlen Trainer, Betreuer, Kampf- oder Schiedsrichter an allen Ecken und Enden. Verschiedene Faktoren hätten in den vergangenen Jahren die Situation verschärft, sagt der Landessportbund. So gebe es veränderte berufliche Voraussetzungen, schlechte Bezahlung, Babyboomer gingen in Rente und während Corona seien Angebote gestrichen worden, weswegen sich die ehrenamtlichen Betreuer zum Teil andere Projekte gesucht hätten.
Krefeld: Sporthelfer gegen Trainermangel
Deswegen ist Trainer Simon Voges vom Eissportverein in Krefeld froh über die Unterstützung der 16-jährigen Sporthelferin Arrieta. Auch in Krefeld ist Trainernot kein unbekanntes Problem. Insgesamt 29 Gruppen und nur 14 Trainer zählt der Eissportverein – das sind zu wenig. "Wir wären mit 30 Kindern auf dem Eis. Das wäre gar nicht möglich. Wir wären alle überfordert", sagt Trainer Voges. Heute tauschen er und Arrieta die Rollen. Die 16-Jährige leitet an, Voges assistiert.
Der Sportbund Krefeld wirbt inzwischen gezielt junge Menschen an, Sporthelfer zu werden. Die Ausbildung gibt es seit mehr als 20 Jahren. Laut Landessportbund NRW haben sich seit 2001 bereits rund 90.000 Jugendliche ausbilden lassen. Die Ausbildung teilt sich in zwei Module mit insgesamt 60 Lerneinheiten auf. Mitmachen können aktive Mitglieder in Sportvereinen zwischen 13 und 17 Jahren.
Arrieta hat danach noch vier Stunden Praktikum in ihrem Verein gemacht. "Ich habe gelernt, wie ich eine Unterrichtsstunde vorbereite, worauf ich bei den Kindern achten muss oder wie ich helfe, wenn jemand sich verletzt", sagt Arrieta. Zwei mal in der Woche ist sie als Sporthelferin aktiv. Was motiviert eine 16-Jährige, so viel Zeit in ihren Sport zu stecken?
Sobald sie 18 ist, kann sie sich die Sporthelferausbildung anrechnen lassen und schneller einen Trainerschein machen. Darauf setzten in Krefeld immer mehr Vereine. Den Nachwuchs möglichst früh in das Trainerleben einführen, um langfristig der Trainernot zu entgehen.
Als die Trainer Sofia Arrieta fragten, ob sie sich eine Ausbildung als Sporthelferin vorstellen kann, zögert sie nicht. Sie ist seit elf Jahren selbst Eiskunstläuferin und brennt für den Sport. Sie weiß: Gibt es nicht genügend Trainer, kann auf dem Eis keine individuelle Förderung stattfinden.
Vereinsarbeit ohne Sporthelfer - ginge das überhaupt noch?
Statt zwei Trainer in der Halle braucht der Verein in Krefeld jetzt nur noch einen Trainer und einen Sporthelfer. Arrieta und Trainer Voges ergänzen sich. Während Arrieta eine Gruppe betreut, schaut Trainer Voges nach der anderen. Dann werden die Gruppen getauscht.
Es gibt noch einen weiteren Vorteil für die Gruppe als mehr Trainerpersonal. Durch ihr Alter hat Arrieta einen besonderen Bezug zu den Kindern und Jugendlichen. "Ich kann mit ihr freundschaftlich reden. Wenn sie beim Training Tipps gibt, nehme ich sie aber immer ernst", erzählt die 14-jährige Eiskunstläuferin Stella.
Über dieses Thema haben wir auch am 22.04.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Düsseldorf, 19.30 Uhr.