Brennende Räder und viel Krach: 5 kuriose Ostertraditionen in NRW
Stand: 28.03.2024, 14:53 Uhr
Eier, Osterlamm, Osterfeuer - diese Bräuche gibt es an Ostern überall in NRW. Aber lichterloh brennende Räder, gesegnete Osterbrote und explodierende Milchkannen? Über fünf kuriose Ostertraditionen in NRW.
Von Stefan Weisemann
Osterräderlauf in Lügde
Mit rund 50 Kilometern pro Stunde rauscht eine Funken sprühende Feuerwalze den Hang hinab ins Tal der Emmer. Mal ganz gerade, mal auch ganz schön schwankend. Die Feuerwalze ist brennendes Stroh in einem Holzrad. Jedes Jahr am Ostersonntag findet in Lügde der spektakuläre Osterräderlauf statt. Tausende Menschen gucken am Osterhang gebannt zu.
Wie die brennenden Osterräder den Hang in Lügde herunterrollen
00:21 Min.. Verfügbar bis 28.03.2026.
Der Osterräderlauf in Lügde wird vom Osterdechenverein lang und aufwendig vorbereitet. Das fängt schon beim Stroh an. Roggenstroh sollte es sein, weil es besonders lange Halme hat. Am Ostersonntag wird das Stroh in sechs riesige Eichenholzräder gestopft. Jedes 1,70 Meter groß und 280 Kilogramm schwer.
Den Osterräderlauf gibt es seit 1743. Mittlerweile ist er sogar immaterielles Kulturerbe der UNESCO. Wenn es am Ostersonntag dunkel wird, wird das Stroh in den Rädern auf beiden Seiten angezündet. Dann werden die Räder, eins nach dem anderen, auf den Weg den Hang hinuntergeschickt. Beim Zielen hilft die Kirchturmspitze im Tal. Wenn alle sechs Räder unten angekommen sind, geht es noch weiter mit Feuer. Dann aber in der Luft - als Feuerwerk.
Semmel-Segnen in Attendorn
Wenn die Menschen in Attendorn im Sauerland nicht mehr "Guten Tag", sondern "Gut Für" sagen, kann Ostern nicht mehr weit sein. "Gut Für" heißt so viel wie "Gutes Feuer". Traditionell gibt es am Ostersonntag in Attendorn gleich vier Osterfeuer, auf jedem Hügel der Stadt eines.
Die besten Bäume dafür suchen die vier Ostervereine schon Wochen vorher aus. Wenn am Ostersonntag pünktlich um 21 Uhr das Kreuz auf der Pfarrkirche leuchtet, werden die vier Feuer gleichzeitig angezündet.
Alle Brote in die Luft: Das Semmel-Segnen in Attendorn
Schon einen Tag vorher gibt es seit mehr als 350 Jahren einen weiteren Osterbrauch in Attendorn: das "Semmel-Segnen". Fast jede Bäckerei in der Stadt backt zu Ostern Brote, die an einen Fisch erinnern sollen, ein christliches Symbol. Streng genommen sind es zwei zusammenhängende Fische ohne Köpfe. Das Brot hat auf beiden Seiten jeweils zwei "Schwanzflossen".
Bevor die Attendorner ihre Oster-Semmeln essen, lassen sie sie segnen. Dafür kommen am Ostersamstag hunderte Menschen zur Pfarrkirche und halten ihre Brote in die Luft. Der Pfarrer segnet sie. Ohne Segen schmecken die Brote gar nicht, sagen manche Attendorner. Auf die Oster-Semmel kommen traditionell Butter, westfälischer Schinken oder der heimische Atta-Käse. Im Brot ist viel Kümmel. Der soll dem Magen helfen, sich nach der Fastenzeit wieder an deftiges Essen zu gewöhnen.
Osterböllern in Herzebrock-Clarholz
Ein sehr lauter Knall hallt über das freie Feld. So laut, dass die Umstehenden lieber Ohrenschützer tragen oder sich die Ohren zuhalten. Noch im Nachbardorf ist der Knall zu hören. Kurz darauf fällt viele Meter weiter ein dicker Blechdeckel herunter. Der Jubel ist groß. Ostern heißt in Herzebrock-Clarholz: Milchkannen-Böllern.
Wie alt die Böller-Tradition ist, kann niemand so genau sagen. Nur so viel: Die Väter und Großväter haben es auf jeden Fall auch schon gemacht. An Ostersonntag bringen die Clarholzer alte Milchkannen auf das Feld. Sie werden mit Wasser gefüllt, dazu kommt ein Haufen Calciumcarbid. Die richtige Mischung? Eine Frage der Erfahrung.
Zum Schluss kommt der Deckel fest auf die Milchkanne, ein Hammer hilft dabei. Dann eine brennende Fackel an den Boden der Kanne halten und - Wumms. Der Deckel springt explosionsartig heraus. So heftig, dass es bei manchen sogar im Bauch kribbelt.
Wie laut sind die explodierenden Milchkannen in Herzebrock-Clarholz?
00:18 Min.. Verfügbar bis 28.03.2026.
Mit dem Böller-Brauch soll nach dem langen Winter der Frühling geweckt werden. Und die Nachbarn in Herzebrock-Clarholz werden es ebenfalls.
Osterhasseln in Dülmen-Buldern
Hier kommt kaum jemand ohne blaue Flecken davon. Von den Mitspielern ohnehin nicht, aber auch die Zuschauer kann es treffen. Beim Osterhasseln im Dülmener Ortsteil Buldern. Immer am Ostersonntag, immer pünktlich um 15.30 Uhr in der Nottulner Straße.
Der Hassel ist eine dicke Sperrholzscheibe, etwa so groß wie eine normale Pizza. Zwei Mannschaften treten gegeneinander an. Jeweils Junggesellen, die einen aus dem Westteil, die anderen aus dem Ostteil des Ortes. Sie versuchen, den Hassel über eine vorher festgelegte Markierung zu treiben und die gegnerische Mannschaft zurückzudrängen.
Nicht ohne Schienbeinschoner: Das Oster-Hasseln in Dülmen-Buldern
Den Hassel stoppen darf man nur mit den Füßen. Gerne springt er aber auch gegen Knöchel oder Schienbeine. Kein Spieler tritt deshalb ohne Teppichreste als Knieschoner an. Und niemand lässt sein Auto am Ostersonntag an der Nottulner Straße stehen.
Das Hasseln in Dülmen-Buldern soll auf einen alten germanischen Brauch zurückgehen. Symbolisch wird der Kampf zwischen Frühling und Winter ausgetragen, mit dem Hassel als Sonnenscheibe. Der Sieg wird groß gefeiert - mit Pokal und dem ein oder anderen Fläschchen Alkohol. Die Verlierer müssen im folgenden Jahr für das Osterfeuer sammeln.
"Krachnacht" in Hallenberg
Am Ostersamstag, immer ein paar Minuten vor Mitternacht: In Hallenberg im Sauerland gehen die Straßenlaternen aus. Gespenstische Finsternis macht sich breit. Die Menschen versammeln sich auf dem Marktplatz an der Kirche St. Heribert. Sobald die Turmuhr um Mitternacht zwölf Mal schlägt, fangen sie an zu singen. Ein uraltes Osterlied, das es so nur in Hallenberg gibt.
Sobald der letzte Ton gesungen ist, setzen sich die Männer in Bewegung. Mit dabei haben sie alles, was Lärm macht. Riesige Rasseln, die Burschentrommel und das Nachtwächterhorn, dazu Wagen mit alten Gasflaschen und Sägeblättern, auf denen sie wild herumtrommeln. Alles zusammen ergibt einen ohrenbetäubenden Lärm.
Anderthalb Stunden lang zieht der lärmende Zug so durch die dunklen Gassen der Altstadt. Überstrahlt von drei großen, dunkelrot leuchtenden Kreuzen. Und bestaunt von vielen Schaulustigen am Straßenrand, von denen sich einige die Ohren zuhalten.
Wie sich die "Krachnacht" in Hallenberg anhört
00:17 Min.. Verfügbar bis 28.03.2026.
Die Osternacht mit viel Krach gibt es seit Jahrhunderten, möglicherweise geht sie auf germanische Bräuche zur Vertreibung von Hexen und Unheil zurück. Klar belegen kann das aber niemand. Und nur wenige sprechen hier umgangssprachlich von "Krachnacht". Für die Menschen im Ort ist es schlicht die Hallenberger Osternacht.