Der Tradition verpflichtet - die Schützinnen aus Erfttal
Rhein-Kreis Neuss | Heimatliebe
Stand: 04.08.2023, 10:57 Uhr
Während anderswo immer noch diskutiert wird, ob Frauen in Schützenvereine aufgenommen werden dürfen, gab es in Erfttal nie Zweifel. Hier stehen die Frauen nicht nur am Rand, sondern marschieren selbstverständlich mit.
Von Daniela Partenzi
Manuela Klink hat die zentrale Position. Direkt hinter dem Festzelt hat die Chefin des Damenzug Diana ihr Camping-Domizil aufgeschlagen. Freie Sicht auf die Bühne und den Festplatz, live-Musik inklusive. Das ganze Schützenfest per Wohnwagen sozusagen. Schöner geht es nicht.
"Schon Tage bevor es losgeht, kribbelt es in den Beinen", sagt die 58-Jährige. Sie hat sieben Kinder und sechs Enkel – alle mit dabei. Die Mädchen sind beim Damenzug dabei, auch die jüngste Enkelin, die gerade mal drei Tage vor dem Fest geboren wurde. Eben hat sie einen Body Größe 62 überreicht bekommen, eine Schützin der Erfttaler Mädchen hat das Baby-Kleidungsstück nachts noch mit dem Diana-Logo bestickt. Die Regimentskönigin vom Zug Freche Röskes hat ebenfalls herzlich gratuliert. "Die Damenzüge aus Erfttal halten zusammen wie eine Familie", sagt Klink.
Manuela Klink in ihrer bordeauxfarbenen Uniform.
Gleich drei reine Damenvereine gibt es in Neuss Erfttal. Im Rest von Neuss wird dagegen nach wie vor darüber diskutiert, ob Frauen nun mitmachen, ob sie schießen und marschieren sollen oder ob sie doch besser nur Hintergrund bleiben und vom Rand den uniformierten Herren Beifall klatschen sollen. In Neuss Erfttal gab es diese Diskussion nie.
Der junge Stadtteil wurde erst in den 70er-Jahren erschlossen. Hoch- und Reihenhäuser, in denen heute über 5.000 Einwohner ihr Zuhause haben. Mit den Menschen zog das Schützenwesen ein. 1973 wurde die ersten Vereine gegründet – darunter auch, der Damenzug Diana. "Für uns war immer klar, wir feiern alle zusammen", sagt Markus Kemmerling, Präsident des Bürger- und Schützenvereins Erfttal. Der große Mann mit Amtskette und Haaren in Silberfarbe beteuert, es sei wirklich nie ein Problem gewesen. Nur bei den Uniformen wahrt auch Erfttal die Tradition. Männeroutfits für die Schützinnen? Nein. "Die Damen haben ihre eigenen und sehen doch gut aus darin", sagt Kemmerling.
Auf Augenhöhe
Das heißt nicht, dass sie in Röcken aufmarschieren: dunkle Hosen, weiße Hemden und Westen. Die Dianas in Bordeaux, die Frechen Röskes in grau und die Erfttaler Mädchen ganz in Schwarz. So marschieren die Schützinnen durch Erfttal. Und dann kommt noch die Regimentskönigin im violetten Tüll die Straße hinunter, gefolgt von ihrer Teenie-Tochter im Apricot-Ballkleid. Die beiden haben selbst den Vogel angeschossen. Eine alte Tradition, bei der ein künstlicher Vogel an einem hohen Mast befestigt wird und abgeschossen werden muss.
Wie war's den Vogel abzuschießen?
00:13 Min.. Verfügbar bis 20.06.2025.
"Meine Tochter trainiert seit zwei Jahren", sagt die Königin. "Die macht mir bald Konkurrenz." Dann schreiten sie los. Am Rand aufgereiht die Grenadiere, die Sappeure, die Blauröcke, die Artillerie die ganzen Schützen eben und die Schützinnen. Gut 50 Frauen, rausgeputzt, strahlend glücklich. Die Königin naht. Manuela Klink hebt den rot-weißen Nelkenstrauß, macht damit einen Bogen durch die Luft, strenger Blick auf ihre Damen. Dann schmettert sie das Kommando: "Augen recht!" Und die Schützinnen machen auf Kommando mit.
Über dieses Thema haben wir auch am 19.06.2023 in der Lokalzeit aus Düsseldorf im WDR Fernsehen berichtet.