Mais in bunten Farben

Maya-Kultur in Köln: Bald Schnibbelbohnen vom mexikanischen Maisfeld?

Köln | Heimatliebe

Stand: 03.01.2024, 08:27 Uhr

Kann eine 7000 Jahre alte Anbaumethode der Maya auch im Rheinland funktionieren? Das deutsch-mexikanische Kollektiv MAIZ probiert es aus. Auf der "Fiesta de la Milpa" in Köln-Ehrenfeld wurde die Ernte gefeiert.

Von Florian Vitello

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Das Puppenspiel mit Mais, Kürbis und Bohne

"Die Bohne umarmte mich, um hoch hinauszuwachsen und das Sonnenlicht zu spüren. Als Dank gab sie mir Nährstoffe. Der Kürbis spendete Schatten mit seinen großen Blättern, die meine Wurzeln schützten", sagt Großvater Maiskolben und erklärt wie Milpa funktioniert. Milpa, das ist ein ausgeklügelter 7000 Jahre alter Mischanbau der Maya. Drei Dutzend Kinder und ihre Eltern lauschen dem Puppenspiel gebannt. Jaime Rodríguez Inungaray bringt ihnen die komplexen Zusammenhänge von Landwirtschaft und Lebensmitteln auf spielerische Weise näher.

Puppen-Theater

Mit einem Puppentheater erklärt der Verein die Anbautechnik Milpa

Die Puppen und Requisiten für das Stück, das die "Fiesta de la Milpa" im "Allerweltshaus" in Köln Ehrenfeld einleitet, hat der 62-jährige Goldschmied in liebevoller Handarbeit gefertigt. Er ist einer von zwölf Mitgliedern in dem deutsch-mexikanischen Projekt MAIZ des treemedia e.V. Maiz ist das spanische Wort für Mais, der bei Inungaray und seinen Teamkollegen im Zentrum steht. Gemeinsam experimentieren sie auf dem Acker, um altes Wissen wiederzuentdecken und mit ihren Erkenntnissen einen Beitrag zu klimaverträglicher, regionaler Ernährung zu leisten.

Warum Bohnen und Mais eine gute Anbau-Mischung sind

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Kürbis, Bohne und Mais werden von den Maya "die drei Schwestern" genannt. Sie machen das traditionelle Anbausystem Milpa aus. Die Maya forschten unablässig, bis sie Pflanzen und Tierkombinationen entdeckten, die eine ideale Symbiose eingingen. Im Einklang mit der Umwelt wollten sie das Beste aus ihrer Ernte herausholen. Ein Beispiel dafür, wie die Technik auch heute noch erfolgreich Anwendung findet, steht im Hof des Kölner Allerweltshauses in Form eines kleinen blühenden Ackers.

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Regionaler und saisonaler Mais: Gemüse von der Milpa

"Was unsere Vorfahren in Mesoamerika vorgelebt haben, funktioniert auch am Rhein wunderbar", berichtet Inungaray. Neben der Milpa in Ehrenfeld, die eher für Workshops dient, bestellen er und die Mitglieder von MAIZ große Parzellen im Stadtteil Lövenich. Die Kölsche Milpa brachte ihnen im ersten Jahr reiche Erträge ein: Sie ernteten verschiedene Sorten Bohnen, Kürbisse, Tomaten, Chili und natürlich Mais.

Über die landwirtschaftliche Nutzung hinaus sollten die Äcker in Ehrenfeld und Lövenich auch der gesellschaftlichen und spirituellen Bedeutung einer Milpa gerecht werden. Sie sollen Bewusstsein schaffen über Möglichkeiten einer sozialverträglichen Landwirtschaft. Bei offenen Diskussionsveranstaltungen wurde gestritten über Monokultur in NRW. Die Milpas wurden zu Experimentierfeldern, auf die das Kollektiv Schulklassen zu Workshops einlud. "Wir müssen schon als Kinder mit den Händen in der Erde wühlen. Damit wir einen Bezug bekommen zu dem Essen auf unserem Teller und der Arbeit, die dort hineingeflossen ist."

Insbesondere der Mais rückt dabei in den Vordergrund. Keine Pflanze stehe so sehr für industrielle Massenfertigung einerseits und nachhaltige Landwirtschaft andererseits: "Wenn du hier in Köln in den Supermarkt gehst, steckt der Monokultur-Mais als Futter für die Massentierhaltung in der Fleischwurst. Oder als Zuckerersatz in allen möglichen Lebensmitteln und die Leute wissen das gar nicht", sagt Inungaray. Dabei zeigt er auf eine transparente Schachtel mit Maiskörnern in diversen Größen und Farben. "Aber in Mexiko haben wir Mais im Blut, wir sind Kinder des Maises."

Für die mexikanische Gemeinschaft in Köln machen Gerichte und Getränke auf Maisbasis einen wichtigen Teil ihres Heimatgefühls aus. Auf der Feier in Ehrenfeld duftet es überall danach: Es gibt mexikanische Tacos, belegte kolumbianische Maisfladen (Arepas), gefüllte Tortillas aus El Salvador (Pupusas) oder das weihnachtliche Heißgetränk Atol - alles hergestellt aus Mais von der eigenen Milpa und alle Gerichte sind vegan oder vegetarisch.

Eine Frau und ein Mann machen Arepas: belegte kolumbianische Maisfladen

Hier entstehen Arepas: kolumbianische Maisfladen

Inungaray sieht in diesem Detail den Einfluss seines Veedels: "Wenn du über die Venloer Straße gehst, ist alles voller veganer Restaurants, aber in Mexiko wäre so eine vegetarische Fiesta vielerorts undenkbar." Wenn er in die alte Heimat reist, dann bringt er seine Erfahrungen aus Köln mit ein und umgekehrt.

Im kommenden Jahr möchte die Projektgruppe MAIZ verstärkt mit den lokalen und regionalen Produkten auch rheinische Gerichte zubereiten. So wollen sie mit den Menschen vor Ort Ernährungsfragen, etwa im Blick auf ihre rheinische Identität, diskutieren. Denn womöglich gibt es mit der kommenden Ernte bereits Schnibbelbohnen von der mexikanischen Milpa.

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Mais in Musik und Malerei: Kunst als Gesprächseinstieg

Während draußen "das Trömmelchen" spielt und "Viva Colonia" angestimmt wird, zeitgleich findet der Köln Marathon statt, erklingt auf dem Innenhof des Allerweltshauses die sanfte Rhythmik der "Jarana Jarocha". Eine junge Frau in bunten Kleidern schlägt die achtsaitige Gitarre aus Mexikos Golfregion gekonnt an. Sie sitzt neben einem hochgewachsenen Kastanienbaum, der seine Früchte unablässig abwirft. Begleitet von einem Cellisten, singt die junge Frau dazu wehmütig über die Habgier. "¡Eso!", "So ist es!", ruft Inungaray am Ende des Liedes und lässt den typischen Mariachi-Schrei folgen, der klingt wie eine Mischung aus Lachen und Weinen.

Neben der musikalischen Begleitung gibt es an diesem Tag viele Möglichkeiten für Groß und Klein, sich künstlerisch auszudrücken. Inungaray drückt politische Diskussionen gerne künstlerisch aus. 2016 entwarf er mit dem Street-Art-Trio "Captain Borderline" zwei Hauswand-Gemälde zum Thema Ungleichheit in der Welt. Auch damals standen Fragen der Ernährung im Vordergrund. "Ich habe gelernt, dass Kunst ein viel besserer Gesprächseinstieg ist, als ein Vortrag."

Hauswand-Gemälde

Das Trio "Captain Borderline" hat zum Thema Ungleichheit in der Welt zwei Hauswände bemalt

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Trockener Mais: Klimawandel in Köln

Dass die Diskussionen wichtig sind, wurde just in diesem Jahr deutlich, als die extreme Hitze, die in vielen Teilen der Welt für Probleme sorgte, auch auf der Milpa in Lövenich die Maisernte bedrohte. "Spannend war aber, dass Bohne und Kürbis dennoch gedeihen konnten", sagt Constanze Lemmerich, Koordinatorin von MAIZ. Das Kollektiv experimentiert mit alternativen, anpassungsfähigeren Sorten.

Tortillas auf einer Platte

Gerichte auf Maisbasis wie Tortillas sind für die mexikanische Gemeinschaft in Köln ein wichtiger Teil ihres Heimatgefühls

"Wir müssen die 'Nachhaltigen Entwicklungsziele', in diesem Fall das Bekämpfen von Hunger, immer global denken, aber im Lokalen umsetzen", sagt Lemmerich. "Das gelingt nur, wenn wir klimaverträgliche Ernährungskonzepte entwickeln oder wiederentdecken, die wir regional vor der eigenen Haustür anwenden können."

Warum die Milpa in Köln keine Pestizide und Dünger braucht

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Das Kollektiv räumt aber ein, für die Massenwirtschaft sei das System der Milpa nicht ertragreich genug. Es kann jedoch eine sinnvolle Ergänzung sein für mehr Ernährungssouveränität und -bildung in Großstädten wie Köln. Außerdem setzen auch jetzt bereits Landwirte in NRW auf Mischkulturen, die bodenschonend sind oder beispielsweise Schädlinge ohne Einsatz von Pestiziden vertreiben.