Unter den Wanderschuhen von Thomas Krämer raschelt das Laub. Er steht im Wald. In seinem Wald im oberbergischen Engelskirchen. 100 Hektar groß ist das Waldstück, das er mit seinem Kölner Startup "Forest Gum" gepachtet hat. Die Firma stellt plastikfreie und nachhaltige Kaugummis her. Das reicht dem 43-Jährigen aber nicht. Er will mehr erreichen. Auf dem Boden liegt totes Holz, umgestürzte Bäume, zerfressene Rinden. In einigen Jahren, hofft Krämer, soll von den Schäden im Wald nichts mehr zu sehen sein. Zumindest, wenn "Projekt Wildwuchs" Erfolg hat.
Rund 27 Prozent der Fläche NRWs bestehen aus Wald. Der Zustand der Bäume ist allerdings alarmierend. Fast 40 Prozent von ihnen sind laut Waldzustandsbericht 2022 stark geschädigt. Rund 135.000 Hektar Wald sind sogenannte Schadflächen. Dabei sind Bäume, Boden und Pilze ein wichtiger CO2-Speicher und sorgen im Sommer für Abkühlung. Krämer und seine Mitstreiter hoffen, dass allein ihr renaturierter Urwald zusätzlich zur Klimaleistung 17.000 Tonnen CO2 binden kann. Auch mehr Tierarten sollen sich hier ansiedeln können. Das Projekt läuft 30 Jahre.
Der Wald soll sich selbst heilen
Ein Großteil des Gebietes in Engelskirchen ist aktuell ebenfalls beschädigter oder toter Wald. Hitzeperioden und Borkenkäferplage haben ihre Spuren hinterlassen. Die vorherige Bewirtschaftung hat ihren Teil dazu beigetragen. "Viele Bäume sind nicht resistent genug für die aktuelle Situation. Sie sind in Plantagen gepflanzt worden und nicht an die aktuellen klimatischen Bedingungen angepasst", sagt Krämer. "Dem Wald geht es verhältnismäßig schlecht. Alle Fichten sind mittlerweile abgestorben", bestätigt der örtliche Förster Axel Lang den schlechten Zustand.
Trotzdem haben beide große Hoffnungen, den nachfolgenden Generationen einen "vernünftigen" Wald zu hinterlassen. "Naturnahe Wälder wie dieser stellen einen Lebensraum für Pflanzen und für Tiere dar. Und natürlich auch einen Raum, in dem wir Menschen uns wohlfühlen können", sagt Kramer und fährt mit seiner Hand durch die Blätter eines jungen Baumes. Den hat übrigens niemand nachgepflanzt. Das ist das Besondere an dem "Projekt Wildwuchs".
"Wir wollen zeigen, dass der Wald aus sich heraus wachsen kann. Dass er stark genug ist, dem Klima zu widerstehen und er resistente Baum- und Pflanzenarten entwickelt", sagt Kramer. Er hat das Projekt gemeinsam mit der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, einem Bonner Forstwirtschaftsdienstleister und Förster Lang entwickelt.
Der Wald entscheidet selbst, welche Bäume und Pflanzen bei ihm wachsen. Bäume, die umfallen, bleiben liegen. Kein Mensch greift in das Ökosystem ein. Finanziert wird das Projekt aus den Verkäufen der "Forest Gum"-Produkte.
Wald wird regelmäßig kontrolliert
Damit die positiven Effekte weiter anhalten, überprüfen Wissenschaftler der Eberswalder Hochschule regelmäßig, wie sich der Wald entwickelt. Sie führen Feuchtigkeitsmessungen und Wärme-Kälte-Messungen durch, untersuchen Boden und Baumarten.
Irgendwann sollen Kita- und Schulklassen in den Wald kommen dürfen und lernen, welches Ökosystem durch naturnahe Bewirtschaftung entstehen kann. Denn die Zeit drängt, sagt Unternehmer Krämer. "Wir haben jetzt noch die Chance, aktiv auf den Klimawandel einzuwirken. Aber der Zeitraum, der uns bleibt, ist kurz."
Über das Thema haben wir am 07.11.2023 auch im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Köln, 19.30 Uhr.