Kühne Worte: Eine Büttenrednerin zwischen Selfies und Schlafmangel
Stand: 10.02.2024, 09:06 Uhr
Diese Karnevalssession wird Ingrid Kühne wieder alles abverlangen. Mit knallpinker Weste und messerscharfem Humor hat sie sich als Büttenrednerin einen Namen gemacht. Über einen Abend mit Zeitdruck, Autofahrten und Selfie-Jägern.
Von Frank Wolters
In knallpinker Weste und schwarzem Strubbelhaar gestikuliert Ingrid Kühne mit einem Mikrofon auf der provisorischen Bühne. Die Weste ist in den vergangenen Jahren zu ihrem Erkennungsmerkmal geworden. Heute tritt sie in einer Scheune bei Korschenbroich auf. Karneval im Kaff, Kühne ist es egal. Ihrem Publikum auch. "Viele sagen immer: Künstliche Intelligenz finde ich nicht gut", erzählt die 55-Jährige und macht eine kurze Kunstpause. "Ich sag immer: Ich finde natürliche Doofheit viel schlimmer."
Mehr als 25 Jahre auf der Bühne
Kühne ist Büttenrednerin, Karneval ist für sie die schönste und stressigste Zeit im Jahr zugleich. An diesem Abend Ende Januar sind es nur drei Auftritte. Im Februar wird sie bis zu zehn an einem Tag runterrattern. Alle 60 Minuten woanders. Ringveranstaltung heißt das, wenn die Stars des Karnevals alle gleichzeitig unterwegs sind, und sich in den großen Sälen abwechseln. Inzwischen Routine. Seit 1998 steht sie beruflich auf der Bühne, 2010 kam die erste Einladung nach Köln. Eigentlich kommt Kühne vom Niederrhein, aus Kerken. Inzwischen kennt sie fast jede Halle, in der Karneval im Rheinland gefeiert wird.
Verliert Ingrid Kühne den Spaß bei so vielen Auftritten?
00:19 Min.. Verfügbar bis 10.02.2026.
Sitzungskarneval ist ein durchgetaktetes Geschäft. Tusch, Applaus, nächste Geschichte. Eine halbe Stunde dauert ihr Auftritt, der Zeitplan muss auf die Minute genau eingehalten werden. Vor ihr im Timeslot die Tanzmariechen, danach die nächste Garde. Vom Programm nach ihr kriegt Kühne nichts mehr mit, sie ist auf dem Weg zum nächsten Auftritt. Konzentriert überprüft sie auf dem Navi die Route. Von einem Saal zum anderen, im Dunklen, oft am Ortsrand, manchmal in Scheunen am Ende vom Feldweg. Den richtigen Ort zu finden, ist immer eine Herausforderung. "Oder einen Parkplatz. Find den mal in Köln", sagt Kühne.
Liebe zum Niederrhein
Während der Fahrt erzählt sie von ihrer Kindheit. Schon damals habe sie versucht, Büttenrednerin zu sein. Als Grundschülerin stand sie das erste Mal auf der Bühne. Schon da habe sie gemerkt, dass sie eher Typ Spaßmacherin statt Prinzessin sei. "Dann hat es nur noch zwei Jahrzehnte gedauert bis zum ersten großen Bühnenauftritt - sofern man Xanten-Lüttingen für groß hält", sagt Kühne und lacht.
Xanten-Lüttingen, Korschenbroich, Kerken - wer Büttenrednerin am Niederrhein wird, muss auch Dorf fühlen können. In Viersen-Dülken warten an diesem Abend 300 ausgelassene Karnevalsfans auf Kühne. Die Luft im Saal ist warm, die Stimmung ausgelassen.
Ingrid Kühne über ihren Mann Ralf und den Männerschnupfen
00:16 Min.. Verfügbar bis 10.02.2026.
Lachen, Tusch, Applaus. Der Sitzungspräsident in Viersen-Dülken ist vom Auftritt begeistert: "Das war ein hervorragender Vortrag, ein ganz besonderer Spaß heute Abend! Das ist eine Rakete wert! Heeee-Lauuu!", ruft er, als er neben Kühne steht. Orden, Tusch und Ausmarsch.
"Was will man mehr?"
"Das macht immer noch so großen Spaß. Wenn am Ende der Saal steht, alle lachen und sind fröhlich, was will man denn noch mehr?", fragt Kühne. Es ist ihr Lohn für die vielen Stunden der Vorbereitung, des akribischen Feilens an der Rede, des monotonen Auswendiglernens. "Das dauert ein paar Auftritte, bis man den Text komplett intus hat. Vor allem, weil ich ja je nach Publikum variiere."
Beim Abgang von der Bühne spielt die Kapelle den kölschen Hit von den dicken Mädchen. Kühne lacht darüber, wer austeilt, muss auch einstecken können. Vor der Bühne warten bereits Selfie-Jägerinnen. Kein Problem, trotz Zeitstress. "Dafür muss immer Zeit sein", sagt Kühne.
Gerne macht Ingrid Kühne Selfies mit ihren Fans
Die Autofahrt zum nächsten Auftrittsort nutzt Kühne für ein paar Minuten Schlaf. In der Karnevalszeit ein rares Gut. Dann geht es weiter.
Über dieses Thema haben wir auch am 19.01.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Duisburg, 19.30 Uhr.