Immer wieder kramt Vanessa Steinhübel in ihrem Werkzeugkasten. Sie sucht nach einem Zollstock, um Holzplatten auszumessen und zuzuschneiden. Ein Jahr nach dem Ems-Hochwasser gleicht ihr Haus in Rheine stellenweise immer noch einem Rohbau: offene Leitungen, Stützen, Dämmmatten, unverputzte Wände, kurz: eine Baustelle.
Beseitigung von Hochwasserschäden mit Hilfe von YouTube
"YouTube ist super, wenn man keine Handwerker hat und sich das selbst beibringen muss", sagt die 40-Jährige. Ab und zu engagiert sie auch Handwerker. Das ist aber nur möglich, wenn sie Geld gespart hat. Ein Unternehmen hat ihr eine gebrauchte Heizung gespendet. Freunde helfen auch, aber alles, was in den Bereich Trockenbau fällt, macht Steinhübel überwiegend selbst. Dafür braucht sie viel Zeit. Wenn Steinhübel heute an das Hochwasser denkt, hat sie einen Kloß im Hals. Die Erinnerungen sind noch sehr präsent.
Vor einem Jahr trat die Ems in der 80.000-Einwohner-Stadt Rheine über die Ufer und ihr Haus wurde überflutet. Den Höchststand erreichten die Pegelstände in Rheine dann kurz nach Weihnachten mit über acht Metern. Die Flächen an der Ems glichen einer Seenlandschaft. Der starke Regen, der rund um Weihnachten 2023 einsetzte, war auf bereits wassergesättigte Böden getroffen, was zu sehr großflächigen Überschwemmungen führte. Nicht nur in Teilen von NRW kam es zu Überflutungen, auch Teile Niedersachsens, Sachsen-Anhalts und Thüringens waren betroffen.
Außergewöhnliches Hochwasser an der Ems 2023
Die Landesregierung NRW bezeichnete das Ausmaß und die Dauer des Hochwassers als "ein außergewöhnliches Ereignis". Die Überschwemmungen hielten sich bis in den Januar 2024 und beeinträchtigten zum Beispiel die Landwirtschaft noch länger. Denn in vielen Böden bildete sich Staunässe, sodass die Saat verfaulte.
Vanessa Steinhübels Haus traf es ausgerechnet am Tag vor Heiligabend. Fast einen Meter hoch stand das Wasser auf dem Grundstück. Alles war nass, alles musste rausgeräumt werden. Als alleinerziehende Mutter einer zweijährigen Tochter ist es nicht immer leicht für Steinhübel. Durch die Elternzeit ist das Geld auch noch knapp und das Haus noch nicht ganz abbezahlt. Dann fehlte auch noch der Versicherungsschutz gegen Elementarschäden. Kein Versicherer wollte ihr den Zuschlag geben, eben weil das Haus zu nah an der Ems steht.
Hilfe nach dem Hochwasser
Nach der Flut haben Verwandte einen Spendenaufruf gestartet: 20.000 Euro sind so zusammengekommen. Wir haben damals Steinhübel kurz nach dem Hochwasser besucht und über die Hilfsaktion berichtet. Das Geld hat geholfen, aber genug ist es nicht. Steinhübel musste fast von Grund auf sanieren. Zum Beispiel mussten die unteren 70 Zentimeter der Wände komplett erneuert werden, weil sie mit Wasser vollgesogen waren. Die Gefahr war groß, dass sich Schimmel bildet.
Mittlerweile ist das Haus innen weitgehend renoviert, zwei Räume sind wieder möbliert. Die Außenmauern müssen aber noch neu gemacht werden. Und doch schwingt bei jedem Fortschritt die Angst mit, es könnte ein neues Hochwasser geben.
Unterkriegen lassen will sich Steinhübel von der Ems aber nicht. Sie hat deswegen mobile Hochwasserschutzwände und Pumpen für den Keller gekauft. Nächstes Jahr soll alles fertig werden, damit das Weihnachtsfest 2025 gemütlich werden kann.
Über das Thema haben wir auch am 28.11.2024 im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit Münsterland, 19.30 Uhr.