Landwirt Tobias Beermann steht vor der Hochwasserwand seines Hofs in Haltern am See und blickt auf die gefrorene Wasserfläche. Noch nie musste der 36-Jährige um seine Existenz und die seiner 1000 Schweine so sehr kämpfen. Um die Weihnachtstage 2023 hatte er keine andere Wahl. "Ich war wirklich nervös. Ich habe den Betrieb erst 2016 ausgebaut und die Zahl der Schweine und Ställe erhöht", sagt er. All das stand plötzlich auf dem Spiel. Wie kam es dazu?
Durch den Süden von Haltern am See schlängelt sich die Lippe. Sie fließt rund 40 Meter vom Hof Beermann entfernt, 1,66 Meter ist ihr Pegel durchschnittlich hoch. Der tagelange Dauerregen Ende Dezember lässt die Pegel vieler Flüsse in NRW steigen. Auch den der Lippe. Statt bei 1,66 Metern liegt der Pegel des Flusses plötzlich bei über sechs Metern.
In Haltern am See kommt es daraufhin zu einem Hochwasser, wie es Familie Beermann zuletzt 2003 erlebt hat. Damals stand das Wasser auch im Haus und die Familie baute eine mobile Wand zum Schutz gegen das Hochwasser. Nie wieder wollten sie einer solchen Situation schutzlos gegenüberstehen, denn der Hof Beermann ist besonders gefährdet durch Hochwasser.
Leben im Überschwemmungsgebiet
Der Hof liegt in einem ausgewiesenen Überschwemmungsgebiet. Wann immer die Lippe in der Region über die Ufer tritt, wird das Gebiet überschwemmt oder durchflossen. "Unsere Vorfahren haben hier bereits im 18. Jahrhundert gelebt. Ich selbst hätte nie in ein Überschwemmungsgebiet gebaut", sagt Beermann.
Seinen Standort aufgeben will Beermann aber nicht. Trotz der Gefahren des Hochwassers und Pflichten, die die Lage im Überschwemmungsgebiet mit sich bringt. Laut Wasserhaushaltsgesetzt muss er sich deshalb nämlich selbst um den Schutz seines Hofs und Eigentums kümmern. Die 2003 gebaute Hochwasserwand war eine Maßnahme, um den Hof vor Schäden zu schützen. Im Dezember 2023 zeigt sich im Praxistest, dass das Schutzelement alleine bei einem solchen Hochwasser nicht ausreicht, da die Wand nur zwei Seiten des Hofes schützt.
Ohne freiwillige Helfer geht es nicht
Gemeinsam mit 70 freiwilligen Helfern errichtete die Familie über Weihnachten zusätzlich einen selbstgebauten Damm aus Schotter auf der Rückseite des Hofs. Ohne die Freiwilligen wäre der Kampf vergeblich gewesen. Wie entscheidend die Helfer bei der Rettung des Hofes waren, zeigen wir bei WDR Lokalzeit Land.Schafft.
Fünf Tage kämpft Tobias Beermann um das Überleben seines Hofs. Er schläft kaum, ist gereizt und nervös. Dann endlich sinkt der Pegel der Lippe. Das erste Mal durchatmen bei Beermann und seiner Familie. Ein Gutes habe das Hochwasser dann doch, meint er. Die Erkenntnisse, die er diesmal gewonnen hat, werden ihm beim nächsten Hochwasser helfen. Beermann ist Realist. Und mit Blick auf die Klimakrise und die steigende Wahrscheinlichkeit für extreme Wetterereignisse ist das nächste Hochwasser nur eine Frage der Zeit.
Über dieses Thema haben wir auch am 29.01.2024 im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Dortmund, 19.30 Uhr.