Das Team der KG Silschede steht vor einem mehrere Meter hohen orangenen Förderturm

Gevelsberg: Wie ein Dorf die "schrägste Kirmes Europas" auf die Beine stellt

Ennepe-Ruhr-Kreis | Heimatliebe

Stand: 29.06.2024, 07:38 Uhr

Die Gevelsberger Kirmes gilt als die "schrägste Kirmes Europas" - und das liegt nicht nur am Berg, auf dem sie veranstaltet wird.

Von Daniel Chur

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Die Ruhrpottlegenden

"Geht alle auf eure Plätze! Sie kommen!", ruft Jan Reinhardt. Lautes Geraune auf dem Platz der Kirmesgesellschaft KG Silschede. Etwa fünfzig Personen in typischer Ruhrpott-Verkleidung nehmen ihre Positionen ein. Vom Bergbaukumpel über den VfL-Bochum-Fan bis hin zum Atze-Schröder-Double ist alles dabei. Es ist der Tag, an dem sich alle Kirmesgesellschaften in Gevelsberg einer Jury, angeführt vom Bürgermeister, präsentieren. Mit Kostümen, Mottowagen und Choreografie.

Jan Reinhardts lange Liste der Vorbereitungen

01:23 Min. Verfügbar bis 26.06.2026

Kirmes - das hat in der Stadt im Ennepe-Ruhr-Kreis Tradition seit über 200 Jahren. Über eine lange Straße von der Gevelsberger Innenstadt hinauf auf einen Berg zieht sich das Spektakel. Der Hang, auf dem die Kirmes liegt, hat eine durchschnittliche Steigung von 8,5 Prozent. Das macht sie zur wohl "schrägsten Kirmes Europas", wie die Veranstalter stolz betonen. Jedes Jahr am letzten Juni-Wochenende wird hier über fünf Tage gefeiert. Das Herzstück ist dabei der Kirmeszug sonntags durch die Stadt, bei dem sich zwölf Kirmesvereine aus allen Stadtteilen präsentieren.

Spannung vor dem Kirmeszug

Die Kirmesgesellschaft aus dem Stadtteil Silschede ist dieses Jahr zum zweiten Mal dabei. Ihr Motto: "Ruhrpottlegenden". Auf dem Bauplatz des Vereins wurde in den vergangenen Monaten ein großer Anhänger mit einem mehrere Meter hohen orangen Förderturm gebaut. Auch eine Lore, also ein Kohleanhänger früherer Bergwerksbahnen, steht auf dem Wagen. Und was auch nicht fehlen darf: die Bude. Ein typischer Ruhrpott-Kiosk mit gemischter Tüte, Zeitschriften und Getränken. Alles aus Holz und mit sehr viel Liebe zum Detail nachgebaut.

Vier verkleidete Männer auf Mofas

So geht Ruhrgebiet: Mit dem Mofa geht es zum Kiosk

Reinhardt, Geschäftsführer der KG Silschede und im wahren Leben im Maschinenbau tätig, ist als Bergmann verkleidet. Grubenhelm, Grubenhemd, geschwärztes Gesicht. Vom Wagen aus wird der 39-Jährige auf dem Zug dem Publikum einheizen. Seine Vorfreude ist riesig. "Jetzt, kurz vor der Kirmes, hat sich richtig Spannung aufgebaut", sagt Reinhardt. "Wenn es so weit ist, ist man mitten in der Menschenmasse und zeigt, woran man mit Herzblut gearbeitet hat. Es ist toll, wenn wir das der Kirmes geben können."

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Mit lebendigen Currywürsten die Jury überzeugen

Jetzt aber muss erst mal die Jury überzeugt werden. Formal nennt die sich eigentlich Bewertungsausschuss und besteht neben dem Bürgermeister unter anderem aus Geschäftsleuten und anderen Vereinsaktiven aus Gevelsberg. Der Ausschuss entscheidet nicht nur, ob der Mottowagen den Anforderungen des Kirmeszugs entspricht, sondern auch über den Gesamtauftritt. Denn nach dem Zug wird der kreativste Auftritt der Kirmesvereine prämiert. "Wir wollen natürlich eine gute Bewertung", sagt Reinhardt sichtlich angespannt, "aber für uns ist es viel wichtiger, etwas miteinander zu gestalten und zusammen etwas aufzubauen."

Dennoch wollen alle auf dem Platz versammelten Mitglieder der KG Silschede den Ausschuss überzeugen. Der hat inzwischen einen Halbkreis gebildet, um sich die Choreografie der Frauengruppe des Vereins anzuschauen. Performt wird "Currywurst" von Herbert Grönemeyer. Und das besonders anschaulich: In einer menschengroßen Schale liegt eine Frau als Currywurst verkleidet. Daneben fallen weitere Frauen als Pommes verkleidet aus einer überdimensionalen Fritteuse ebenfalls in die Schale.

Der Auftritt: "Currywurst" von Herbert Grönemeyer

00:24 Min. Verfügbar bis 26.06.2026

Vereinsmitglied Katharina Jaretzke steht daneben in perfekter Grönemeyer-Verkleidung: Perücke, schwarzer Anzug, Hornbrille. Zum Playback des Grönemeyer-Songs singt die 33-Jährige "Currywurst" mit und erntet Applaus und viele Lacher. Der Auftritt scheint gelungen. "Ich war ganz schön angespannt", sagt Jaretzke kurz darauf. Aber alles habe gut geklappt. "Man denkt ja vorher: Oh mein Gott, das wird total peinlich", sagt sie lachend.

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Tradition und Gefühl

Spricht man einmal länger mit Gevelsbergern, kommt irgendwann unweigerlich das Thema Kirmes auf. Der Stellenwert dieses Festes ist in der Stadt und drumherum immens. "Das ist uns in die Wiege gelegt worden. Als Gevelsberger fühlt man einfach die Kirmes", sagt Jaretzke. Und auch Reinhardt schließt sich an: "Wenn man hier verwurzelt ist und auf der Kirmes die ganzen Leute trifft, dann hat man einfach dieses Gemeinschaftsgefühl."

Vor gut zwei Jahren wurde die KG Silschede gegründet. Ein harter Kern von rund zwanzig Leuten traf sich am Lagerfeuer, berichtet Reinhardt. Der kleine, eher ländliche Stadtteil im Norden Gevelsbergs - die Einwohner bezeichnen es als "Dorf" - sollte einfach präsent sein auf der Kirmes. Und der Verein sollte anders sein, sagt Reinhardt: "Der Gedanke war, als junge Kirmesgruppe das Mitmachen familienfreundlich zu machen."

Die Gevelsberger Kirmes

Seit über 200 Jahren hat die Kirmes in Gevelsberg Tradition. Den ersten Kirmeszug gab es im Jahr 1934. Mit rund 170 Ständen und Fahrgeschäften ist sie vergleichsweise groß - die Stadt Gevelsberg hat knapp 33.000 Einwohner. Mehrere hunderttausend Besucher waren allein im vergangenen Jahr da. 2024 findet die Kirmes vom 28. Juni bis zum 2. Juli statt.

Tatsächlich besteht der Verein, inzwischen auf rund hundert Mitglieder angewachsen, aus vielen jungen Familien. Auch Kinder machen mit und haben ihre eigene Fußgruppe. Das mache auch das intensive Arbeiten an dem Mottowagen, das sich über das komplette Frühjahr erstreckt, einfach, erzählen die Mitglieder. Die Kinder seien oft dabei gewesen und hätten zum Beispiel auf dem benachbarten Sportplatz gespielt.

KG führt Programm vor Jury auf

Die KG Silschede hat erfolgreich ihr Programm der Jury präsentiert

Die Abnahme durch den Bewertungsausschuss verlief erfolgreich. Der Tross verlässt den Bauplatz der KG Silschede und fährt zur nächsten Kirmesgruppe. Jaretzke und Reinhardt hoffen, genau wie alle anderen Mitglieder, dass die "Ruhrpottlegenden"-Show auch beim Publikum gut ankommt. Über zwei Kilometer wird es durch die Gevelsberger Innenstadt gehen. Bis zu drei Stunden kann das dauern.

Über das Thema haben wir am 28.06.2024 auch im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Dortmund, 19.30 Uhr.