Mit Hand und Herz: Eine Pfarrerin und ihre Gehörlosen-Gemeinde

Wuppertal | Füreinander

Stand: 24.12.2024, 09:13 Uhr

Pfarrerin Verena Kroll lernt für ihre neue Gehörlosengemeinde in Wuppertal Gebärdensprache. Dafür muss sie das Herz nicht auf der Zunge, sondern in ihren Händen tragen. Wie trotz mancher Hürden Nähe und Verständnis entstehen.

Von Daniela Bamberger

Pfarrerin Verena Kroll ist nervös. Deswegen ist die 35-Jährige fast zwei Stunden zu früh im Gemeindesaal ihrer Kirche in Wuppertal und deckt einen Tisch mit Teetassen ein. Es ist eines der ersten Treffen der Pfarrerin mit den Gehörlosen in ihrer Gemeinde. Seit Oktober ist sie überhaupt erst in Wuppertal als Pfarrerin im Dienst. Gleich trifft sie hier auf Familien mit gehörlosen Kindern. Dabei lernt Kroll selbst noch gar nicht so lange Gebärdensprache. Eine große Herausforderung für beide Seiten - aber auch "schrecklich spannend", wie Kroll sagt.

Verena Kroll über die Herausforderungen bei ihrer neuen Aufgabe 00:18 Min. Verfügbar bis 24.12.2026

In NRW leben laut Gesundheitsministerium rund 280.000 hochgradig schwerhörige und 12.000 gehörlose Menschen. Der Bedarf an Angeboten ist also riesig. Die Gehörlosengemeinde der Pfarrerin ist da überschaubarer. Sie ist eine von 19 Gemeinden für Gehörlose der Evangelischen Kirche im Rheinland und zählt rund 200 Menschen aus Niederberg, Düsseldorf, Mettmann und Wuppertal. Einige von ihnen wird Kroll an diesem Nachmittag kennenlernen.

Auf Augenhöhe

20 Erwachsene und Kinder haben sich für die vorweihnachtliche Zusammenkunft angemeldet. Einige kleinere Kinder, die in den Gemeinderaum kommen, verstecken sich noch schüchtern hinter ihren Eltern. Kroll kniet sich hin, um mit einem von ihnen auf Augenhöhe zu sein.

Berührungsängste hat die Pfarrerin keine. Sie weiß, dass sie sich auf ihre Unterstützung verlassen kann, wenn sie an ihre Grenzen kommt. Kerstin Weber steht der Pfarrerin in der Anfangszeit bei Schwierigkeiten mit der Gebärdensprache zur Seite. Weber ist Krolls Vorgängerin und hat 39 Jahre in der Gemeinde gearbeitet.

Pfarrerin Kerstin Weber unterstützt die neue Pfarrerin Verena Kroll tatkräftig - auch bei der Gebärdensprache | Bildquelle: WDR / Daniela Bamberger

Wenig später rennen die ersten Kinder durch die Flure des Gemeindesaals. Kroll hat sich verschiedene Spiele für sie ausgedacht. Die anfängliche Schüchternheit ist verflogen.

Mut und Mimik

Damit die Treffen in Zukunft auch ohne Vorgängerin Weber auskommen, übt Kroll jeden Tag Gebärdensprache. Einmal pro Woche bekommt sie Privatunterricht. "In Gebärdensprache kann man nicht um den heißen Brei herumreden. Man kommt sofort zum Punkt. Es spricht die ganze Mimik und der ganze Körper", erzählt Weber, die in ihrem Auslandsjahr in den USA erstmals mit der Sprache in Kontakt kam.

Sie war fasziniert, wie selbstverständlich auch alle anderen Schüler aus der Klasse die Gebärdensprache beherrschten. Bei ihrer Rückkehr nach Deutschland belegt sie einen Einsteigerkurs in Gebärdensprache. Dann wurde die Stelle von Kerstin Weber frei.

Gottes Wort predigen, ohne zu sprechen

"Du bist genau die Richtige, du musst dich nur trauen", habe ihr Weber immer wieder gesagt, erzählt Kroll. Zuerst fürchtete sie, dass sie den Menschen wegen der Sprachbarriere nicht gerecht werden könnte. Heute sagt sie: "Ich habe es keinen einzigen Moment bereut."

Pfarrerin Verena Kroll betet das Vaterunser in Gebärdensprache 00:28 Min. Verfügbar bis 24.12.2026

Der vorweihnachtliche Familiennachmittag endet mit einer Andacht in der Kirche. Gemeinsam beten sie das Vaterunser. Bald wird Kroll ihre gehörlose Gemeinde wiedersehen - spätestens beim Gottesdienst an Heiligabend. Dort kommen Hörende und Gehörlose zusammen, eine Seltenheit. Alle Lieder werden gesungen und gleichzeitig von einer Dolmetscherin gebärdet. Ein Moment, in dem für die Pfarrerin beide Welten zu besonderem Einklang finden.

Über dieses Thema haben wir auch am 13.12.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Bergisches Land, 19.30 Uhr.