Fritz Obels wird zum Mercedes gefahren

Fahrt ins Glück: Wie ein vielleicht letzter Wunsch in Erfüllung geht

Rhein-Kreis Neuss | Ehrenamt

Stand: 11.12.2023, 08:21 Uhr

Fritz Obels lebt im Seniorenheim und ist schwerkrank. Zu Weihnachten hat er sich gewünscht, noch einmal Mercedes-Oldtimer fahren zu können. Eine außergewöhnliche Spritztour.

Von Katrin Wrobel

Fritz Obels sitzt in seinem Zimmer im Seniorenhaus Lindenhof in Grevenbroich und ahnt nichts. Der 84-Jährige ist auf den Rollstuhl angewiesen, hat Krebs im Endstadium. In seinem Raum hört er nicht das Knirschen, mit dem ein weißer Oldtimer über den Kies zum Hintereingang gefahren kommt.

Jan-Gerrit Häke in seinem Mercedes-Oldtimer

Jan-Gerrit Häkes Mercedes ist dasselbe Modell, das Fritz Obels früher auch fuhr

Obels sieht auch nicht den jungen Mann in sportlichem grauem Jackett und Turnschuhen aussteigen: Jan-Gerrit Häke, Lehrer in Grevenbroich. Er und seine Frau haben über die sozialen Netzwerke von Obels' Weihnachtswunsch erfahren. "Wir helfen doch gerne, ihn zu erfüllen", sagt er. Der Oldtimer hat Häkes verstorbenem Großvater gehört. Ein Mercedes-Benz aus den 80er-Jahren, 123er-Baureihe, braune Ledersitze. Genau dieses Modell hat auch Obels früher besessen. Als Kfz-Meister liebte er es, an Autos zu schrauben und sie zu restaurieren. Auch Motorrad ist er immer gern gefahren.

Ein Überraschungs-Biker-Korso

So kommt es, dass mit lautem Motorengeknatter auch etwa 15 Motorradfahrer um die Ecke zum Seniorenhaus einbiegen. Sie tragen schwarze Kutten von verschiedenen Motorrad- und Rockerclubs. Auch sie haben von Obels und seinem Wunsch gehört. Und hatten die Idee, ihn mit einem Korso zu überraschen.

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Kathleen Jansen ist gerührt. Die Pflegehelferin umarmt die Freiwilligen herzlich und verdrückt dabei ein Tränchen. Dass es so viele sind, damit hätte sie nicht gerechnet. Jansen war es, die den Aufruf auf Facebook gestartet hat, um Obels' Wunsch erfüllen zu können. "Wenn man sich nicht eigeninitiativ engagiert, sind Ältere und Kinder immer die Benachteiligten. Als ich von seinem Wunsch gehört habe, wollte ich einfach helfen“, sagt Jansen. Sie betreut Obels seit etwa einem Jahr im Seniorenhaus Lindenhof und hat den Senioren längst ins Herz geschlossen.

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Die erste Autofahrt nach fünf Jahren

Zusammen mit Obels' Sohn schiebt Jansen den 84-Jährigen aus seinem Zimmer. Die Schmerzmittel machen den einst so geselligen Mann müde. Unter lautem Applaus schieben sie ihn in den Hinterhof, wo alle auf ihn warten. Obels schaut still auf die Szenerie vor ihm, auf all die Menschen, den Oldtimer, die Motorräder. Eine Träne läuft ihm über das Gesicht. "Danke", sagt er leise.

Fünf Jahre ist es her, dass Obels das letzte Mal in einem Auto saß. Das Automodell erkennt er sofort. Jansen und andere Pflegerinnen heben ihn auf den Beifahrersitz, Häke startet den Motor. "Dann wollen wir doch mal alles rausholen aus den kernigen 72 PS", sagt er und lässt den Wagen über den Kies rollen.

Obels grinst. Langsam hebt er den rechten Arm und winkt den Umstehenden draußen zu. Mit den Motorrädern im Schlepptau starten sie eine Rundfahrt quer durch Grevenbroich. An dem Haus vorbei, an dem Obels früher gewohnt hat. Vorbei am neuen Supermarkt. Über die Landstraße. "Der Autositz fühlt sich fast wie ein Sofa an, oder?", fragt Häke. Erinnerungen kommen hoch. "Ich war immer ein Oldtimerfreund", sagt er.

Hinter ihm die Lichter der Motorräder

Ruhig schaut er raus auf die Straße vor ihnen, auf die Bäume, die am Fenster rechts von ihm vorbeifliegen. Hinter ihnen leuchten die Lichter der Motorräder, die ihnen im Korso folgen. Als die Straße frei ist, überholen sie und winken. Obels lächelt.

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Als sie wieder am Seniorenhaus ankommen, dämmert es längst. Pflegehelferin Jansen wartet schon. Sie beugt sich zu Obels auf den Beifahrersitz und nimmt seine Hand. "Das war schön", sagt er leise. Jansen schaut ihn an und weiß, dass sie ihm diesen Wunsch nicht schöner hätten erfüllen können.

Über dieses Thema haben wir am 28.11.2023 auch im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Düsseldorf, 19.30 Uhr.