Kein gewöhnlicher Einkauf
Es ist ein ungleiches Paar, das da durch die Gänge im Supermarkt geht. Der 19-jährige Fabian Reimann mit Down-Syndrom kontrolliert jedes Lebensmittel genau auf das Mindesthaltbarkeitsdatum, ehe er es in den Einkaufswagen von Monika Busch legt. Erst die Pizza, dann den Schinken. Die 86-Jährige ist froh über ihre Begleitung beim Wocheneinkauf. "Für meinen Enkel brauche ich noch veganen Aufschnitt, bist du so lieb?" Fabian bückt sich und greift in die unterste Reihe des Kühlregals. Reimann und Busch kennen sich eigentlich kaum. Dass sie beide gemeinsam durch die Supermarkt-Gänge laufen, ist Teil eines deutschlandweit einzigartigen Vorhabens.
Team Plus heißt das Pilotprojekt der Malteser Köln. Reimann ist einer von etwa 50.000 Menschen in Deutschland mit Down-Syndrom. Wie viele es in NRW sind, ist unklar. Die bundesweite Zahl ist vom Down-Syndrom-Forschungsprojekt Touchdown 21 geschätzt. Häufig zählt Reimann zu der Gruppe Menschen, die auf ehrenamtliche Arbeit angewiesen sind. Beim Team Plus werden Reimann und andere Menschen mit geistiger Beeinträchtigung selbst zu Helfern. Das Projekt ist im Mai 2023 gestartet und wird von der Aktion Mensch gefördert.
Das ist Team Plus
Rund eine halbe Stunde, bevor Busch und Reimann im Supermarkt einkaufen, fährt ein Sprinter bei der Seniorin vor. Einmal in der Woche holt er sie zu Hause ab und fährt die 86-Jährige zum Supermarkt. Dort trifft sie auf Reimann, der ihr assistiert. Nach dem veganen Aufschnitt braucht Busch noch frische Erdbeeren. Der 19-Jährige hebt das Körbchen behutsam auf und legt es in den Einkaufswagen, als wären rohe Eier darin.
Das Projekt Team Plus ist an andere, reguläre Angebote der Malteser in Köln angedockt. Reimann hilft Busch für den Einkaufsdienst der Malteser. Auch beim Besuchs- und Begleitdienst mit Assistenzhund oder in der Seniorenresidenz der Malteser in Ehrenfeld unterstützen die Helfer vom Team Plus. Hier hat Reimann als Napoleon Bonaparte verkleidet zum Beispiel bei der letzten Karnevalsparty Orden verteilt.
Um Ehrenamtliche für das Projekt zu begeistern, gehen die Malteser gezielt auf die Zielgruppe zu. Sie beteiligen sich am Sommerfest von Downsyndrom e.V. und arbeiten eng mit Beratungsstellen zusammen. Wer mitmachen will, muss 18 Jahre alt sein und einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert haben. Für Helfer des Team Plus gibt es dabei extra einen Kurs in Leichter Sprache. Aktuell helfen nur eine handvoll Teilnehmer im Pilotprojekt, die direkt angesprochen wurden. Langfristig soll die Zahl aber steigen und die Idee auch in anderen Städten umgesetzt werden.
Fabian, der Allrounder
Iris Pfeiffer hat die Aufgabe, zwischen den Wünschen der Ehrenamtlichen, ihren Fähigkeiten und den speziellen Anforderungen der Einsatzprojekte zu vermitteln.
Bisher wird Ehrenamtlichen mit Down-Syndrom ein ehrenamtlicher Tandempartner ohne Behinderung an die Seite gestellt. Langfristig sollen auch Projekte entstehen, in denen sie allein arbeiten können. Das ist aber nicht immer so einfach. Bei der Arbeit mit Demenzkranken sei zum Beispiel Fingerspitzengefühl gefragt, das könne nicht jeder machen, sagt Projektkoordinatorin Pfeiffer. Als Fabian Reimann das hört, strahlt er sie an und ruft: "Ich habe Lust, das wäre toll." Sie lächelt und erklärt: "Fabian ist halt ein Allrounder."
Im Supermarkt kommt Reimann immer wieder mit anderen Kunden ins Gespräch. Stolz erzählt er davon, wie er jetzt anderen hilft. Und er spricht auch über sich selbst und seine Leidenschaft für Sport. Gerade erst hat er bei den Special Olympics in Münster zwei Silber-Medaillen im Schwimmen gewonnen. "Ich spiele außerdem Fußball, gucke Filme, esse Burger und mache Kraftsport." Sobald es um den Einkauf geht, müssen diese Erfolgsgeschichten jedoch warten. Wenn Busch etwas vergessen hat, läuft Reimann sofort los.
Integration heißt, alle gemeinsam
Aktuell besucht der 19-Jährige die Praxisstufe einer integrativen Gesamtschule, jobbt nebenbei im Café "Blaupause" und möchte später Kellner werden: "Ich mag es, die Bestellung entgegenzunehmen, Leute an den Platz zu führen und ihnen etwas Gutes zu tun."
Fabian Reimann und Monika Busch haben inzwischen alle Einkäufe auf das Band gelegt und die Seniorin hat bezahlt. Mit einem breiten Lächeln trägt Reimann die Einkäufe von ihr und anderer Seniorinnen zum Malteser-Bus. Bevor es für Busch mit dem Bus wieder zurück nach Hause geht, unterhalten sie sich bei Kaffee und Kuchen. Die Rentnerin gibt dem 19-Jährigen einen Schokodonut aus, den er in weniger als einer Minute aufgegessen hat. "Eine 10 von 10", bewertet er den Donut und umarmt die Rentnerin. "Hoffentlich habe ich das Glück im Leben, dich nochmal wiederzusehen", sagt sie und verabschiedet sich.